OLG Hamburg, Beschluss vom 28.12.2015, Az. 2-86/15 (RB), 3 Ss 155/15 OWi
§ 23 Abs. 1a StVO
Den Volltext der Entscheidung finden Sie nachstehend; eine Zusammenfassung finden Sie auf unserer Hauptseite damm-legal.de (hier).
Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg
Beschluss
Der Antrag des Betroffenen auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts Hamburg-Altona, Abteilung 327a, vom 22.09.2015 wird auf Kosten des Beschwerdeführers verworfen.
Gründe
I.
Mit Bußgeldbescheid der Verwaltungsbehörde vom 28. Mai 2015 ist gegen den Betroffenen wegen verbotswidriger Benutzung eines Mobil- oder Autotelefons als Führer eines Kraftfahrzeuges im Straßenverkehr eine Geldbuße von 60 Euro festgesetzt worden. Auf den dagegen eingelegten Einspruch des Betroffenen hat das Amtsgericht Hamburg-Altona mit Urteil vom 22. September 2015 gegen ihn wegen vorsätzlichen Benutzens eines Mobiltelefons als Führer eines Kraftfahrzeugs auf eine Geldbuße von 60 Euro erkannt.
Hiergegen hat der Betroffenen mit am 29. September 2015 eingegangenem Verteidigerschriftsatz Rechtsbeschwerde eingelegt bzw. deren Zulassung beantragt und die Verletzung materiellen Rechts gerügt.
Nach Zustellung einer Ausfertigung des mit Gründen versehenen Urteils an seinen Verteidiger am 26. Oktober 2015 hat er die Zulassungsrechtsbeschwerde mit Verteidigerschriftsatz vom 26. November 2015 begründet und die vom Tatgericht vorgenommene Beweiswürdigung beanstandet.
Die Staatsanwaltschaft hat mit ihrer Stellungnahme vom 15. Dezember 2015 beantragt, die Rechtsbeschwerde zuzulassen und als unbegründet zu verwerfen.
II.
Der Antrag des Betroffenen auf Zulassung der Rechtsbeschwerde ist statthaft (§§ 79 Abs. 1 Satz 2, 80 Abs. 1 OWiG) genügt jedoch nicht den Begründungsanforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 3 OWiG i.V.m. § 344 Abs. 1 StPO und ist deshalb unzulässig. Im Übrigen ist er auch unbegründet (§§ 80 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 OWiG).
1.
Der Zulassungsantrag ist statthaft (§§ 79 Abs. 1 Satz 2, 80 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 OWiG) und fristgemäß gestellt sowie begründet worden (§§ 80 Abs. 3 Satz 1, 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, 341, 345 Abs. 1 StPO). Die Begründung genügt auch der gemäß §§ 80 Abs. 3 Satz 1, 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, 345 Abs. 2 StPO gebotenen äußeren Form, jedoch nicht den gemäß §§ 80 Abs. 3 Satz 1, 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, 344 Abs. 1 StPO an den Begründungsinhalt zu stellenden Anforderungen.
a)
Nach § 80 Abs. 3 Satz 3 OWiG sind die Vorschriften über die Anbringung der Beschwerdeanträge und deren Begründung (§§ 344, 345 StPO) zu beachten. Aufgrund dieser Bestimmungen muss – ungeachtet dessen, dass nur ein Zulassungsantrag vorliegt – die Rechtsbeschwerde ordnungsgemäß mit Antragstellung (§ 344 Abs. 1 StPO) begründet werden. Jeder Mangel der Rechtsbeschwerdebegründung ist dem Zulassungsantrag anzulasten, wobei die Tatsache, dass es sich nur um einen Zulassungsantrag handelt, die strengen Voraussetzungen für die Rechtsbeschwerdebegründung nicht erleichtert, denn die Vorschrift des § 80 Abs. 3 Satz 3 OWiG soll erreichen, dass nicht einem Zulassungsantrag zunächst stattgegeben wird, obwohl feststeht, dass die Rechtsbeschwerde selbst demnächst als unzulässig verworfen werden müsste (vgl. Beschluss des Senats vom 16. April 2015, Az.: 2 RB 22/15; OLG Düsseldorf VRS 75, 221, 222; OLG Hamm VRS 59, 43; Senge in KK/OWiG, 4. Aufl., § 80 Rn. 50).
Wird die Sachbeschwerde erhoben, so genügt zur Begründung nach § 344 Abs. 1 StPO die Formulierung, dass die Verletzung sachlichen Rechts gerügt werde; weitere Ausführungen zur Sachrüge können diese jedoch unzulässig machen, wenn sich aus ihnen ergibt, dass nur die Beweiswürdigung oder die Richtigkeit der getroffenen Feststellungen gerügt wird (Senge aaO, § 79 Rn. 87, § 80 Rn. 50; OLG Hamm VRS 97, 49).
b)
Nach den vorgenannten Maßstäben ist die Sachrüge vorliegend nicht zulässig erhoben. Die Ausführungen in den Schriftsätzen vom 29. September 2015 und 26. November 2015 ergeben, dass der Beschwerdeführer tatsächlich nicht die Rechtsanwendung beanstandet, sondern nur die Beweiswürdigung und die Richtigkeit der Urteilsfeststellungen angreifen will. Zwar rügt der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 29. September 2015 die „Verletzung materiellen Rechts“, die er in der Verletzung des Grundsatzes „in dubio pro reo“ erblickt, womit für sich genommen die Sachrüge zulässig erhoben sein kann, indes beschränkt er die Rüge nach den Ausführungen der Schriftsätze vom 29. September 2015 und 26. November 2015 auf die Begründung, dass aufgrund der Angaben des Zeugen PKH … im Ergebnis davon auszugehen sei, dass der Betroffene kein Mobiltelefon gehalten habe, womit er seiner Begründung einen anderen als den vom Gericht festgestellten Sachverhalt zugrunde legt. Damit erschöpft sich die Rüge in unzulässiger Weise auf einen Angriff auf die Richtigkeit der Urteilsfeststellungen, indem der Beschwerdeführer seine Würdigung der Angaben des Zeugen … an die Stelle derjenigen des Tatgerichts setzt (vgl. OLG Karlsruhe VRS 107, 376 f.; Meyer-Goßner/Schmitt, 58. Aufl., § 344 Rn. 19).
3.
Im Übrigen ist der Zulassungsantrag auch unbegründet.
Vorliegend käme eine Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß §§ 80 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 OWiG nur zur Fortbildung materiellen Rechts in Betracht, weil ausweislich des maßgeblichen Tenors der amtsgerichtlichen Entscheidung gegen den Betroffenen eine Geldbuße in Höhe von lediglich 60 Euro festgesetzt und eine Versagung rechtlichen Gehörs nicht gerügt worden ist.
Eine Zulassung der Rechtsbeschwerde zur Fortbildung des sachlichen Rechts ist hier indes nicht geboten.
a)
Eine Fortbildung des Rechts ist nur dann geboten, wenn es erforderlich ist, zur Auslegung von Rechtssätzen oder der rechtsschöpferischen Ausfüllung von Gesetzeslücken Leitsätze aufzustellen oder zu festigen, wobei die betreffenden Rechtsfragen entscheidungserheblich, klärungsbedürftig und abstraktionsfähig sein müssen (Seitz in Göhler, OWiG, 16. Aufl., § 80 Rn. 3, Senge aaO § 80 Rn. 37 jeweils mwN).
b)
Nach diesem Maßstab ist eine Rechtsfortbildung hier nicht geboten.
aa)
Die durch das Urteil vom 22. September 2015 festgestellte Nutzung des Mobiltelefons als Kamera wirft keine offenen Rechtsfragen auf, die der Klärung bedürften. Der Begriff der Benutzung eines Mobil- oder Autotelefons in § 23 Abs. 1a StVO ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung ausreichend geklärt. Danach handelt ordnungswidrig im Sinne des § 23 Abs. 1a StVO, wer vorsätzlich oder fahrlässig als Fahrzeugführer ein Mobil- oder Autotelefon benutzt, indem er das Mobiltelefon oder den Hörer des Autotelefons aufnimmt oder hält. Ein Benutzen zum Telefonieren ist nicht erforderlich.
Der Begriff des Benutzens umfasst vielmehr auch andere Formen der bestimmungsgemäßen Verwendung (OLG Köln NZV 2010, 270 mwN) wie insbesondere eine Nutzung der Möglichkeiten des jeweiligen Gerätes als Instrument zur Speicherung, Verarbeitung und Darstellung von Daten, d. h. auch Organisations-, Diktier-, Kamera- und Spielefunktionen (vgl. hierzu schon Beschluss des Senats vom 15. September 2010, Az.: 2 – 64/10 [RB]). Ausreichend ist, dass die Handhabung Bezug zu einer der Funktionstasten hat (vgl. OLG Zweibrücken, Beschluss vom 27. Januar 2014, Az.: 1 SsRs 1/14; OLG Hamm NZV 2015, 310; OLG Köln NJW 2015, 361, 362; OLG Karlsruhe DAR 2007, 99 f.), wie etwa beim Aufnehmen eines Mobiltelefons während der Fahrt zum Auslesen einer gespeicherten Telefonnummer (vgl. OLG Hamm NZV 2007, 51).
Damit lässt sich die vorliegend vom Amtsgericht festgestellte Konstellation des Haltens des Mobiltelefons, um während der Fahrt über die Funktionstasten des Geräts digitale Lichtbilder anzufertigen, unzweifelhaft unter die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Nutzung von Mobiltelefonen im Sinne des § 23 Abs.1a StVO bereits aufgestellten Leitsätzen subsumieren. Klärungsbedürftige Fragen bestehen deshalb in vorliegendem Fall nicht.
bb)
Auch der Vortrag, das Gericht habe vorliegend gegen den Grundsatz „in dubio pro reo“ verstoßen, führt nicht zu einer Zulassung der Rechtsbeschwerde. Die Anforderungen an die tatrichterliche Beweiswürdigung sowohl im Allgemeinen (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, § 261 Rn. 11 ff., 26 und 39) als auch für das Bußgeldverfahren und insbesondere im Hinblick auf den Ordnungswidrigkeitentatbestand des verbotswidrigen Benutzens eines Mobiltelefons während der Fahrt (vgl. König in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Aufl., § 23 StVO Rn. 32) sind in Rechtsprechung und Literatur umfassend geklärt (vgl. auch Beschluss des Senats vom 23. Juni 2014, Az.: 2 RB 47/14). Entscheidungserhebliche neue und ungeklärte Rechtsfragen ergeben sich im vorliegenden Fall nicht.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 46 Abs.1 OWiG, 473 Abs.1 StPO.