OLG Brandenburg: Die Sperre des eBay-Kontos und die prozessrechtlichen Feinheiten ihrer Aufhebung per Gerichtsbeschluss

veröffentlicht am 5. September 2022

OLG Brandenburg, Urteil vom 21.07.2022, Az. 10 U 65/22
§ 823 Abs. 1 BGB, § 1004 BGB

Die Zusammenfassung dieser Entscheidung finden Sie hier (OLG Brandenburg: Die Sperre des eBay-Kontos und die prozessrechtlichen Feinheiten ihrer Aufhebung per Gerichtsbeschluss). Zum Volltext der Entscheidung s. unten:


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OLG Brandenburg

Urteil

Das OLG Brandenburg – 10. Zivilsenat – hat … durch … entschieden:

Die Berufung des Verfügungsklägers gegen das am 24.03.2022 verkündete Urteil des Landgerichts Potsdam wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Verfügungskläger auferlegt.

Der Berufungswert wird auf zwischen 25.001 € und 30.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Verfügungskläger begehrt im Wege der einstweiligen Verfügung, der Verfügungsbeklagten aufzugeben, eine von ihr vorgenommene Löschung der vom Verfügungskläger auf seinen beiden Nutzerkonten bei der Verfügungsbeklagten eingestellten Verkaufsangebote unverzüglich rückgängig zu machen, diese Verkaufsangebote unverzüglich wieder in diese beiden Nutzerkonten einzustellen und die vorgenommene Sperrung seines Accounts mit den beiden Nutzerkonten mit sofortiger Wirkung aufzuheben.

Das Landgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zunächst durch Beschluss vom 10.01.2022 zurückgewiesen (Bl. 122 ff. der Gerichtsakte – alle weiteren Blattzahlen beziehen sich, sofern nicht anders angegeben, ebenfalls auf die Gerichtsakte -). Nachdem der Verfügungskläger unter dem 24.01.2022 gegen den Beschluss Beschwerde eingelegt hatte (Bl. 155 ff.), hat das Landgericht am 23.02.2022 eine mündliche Verhandlung durchgeführt (Bl. 265 ff.).

Durch Urteil vom 24.03.2022 hat das Landgericht seinen Beschluss vom 10.01.2022 „zur Klarstellung aufgehoben“ und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung (erneut) zurückgewiesen. Wegen der tatsächlichen Feststellungen und der Begründung wird auf dieses Urteil Bezug genommen (Bl. 327 ff.).

Gegen diese Entscheidung wendet sich der Verfügungskläger mit der Berufung. Er trägt vor:

Die Voraussetzungen für den Erlass der begehrten einstweiligen Verfügung seien gegeben. Er habe gegen die Verfügungsbeklagte einen quasi-negatorischen Unterlassungs- bzw. Beseitigungsanspruch gemäß §§ 12, 862, 1004 BGB (analog), da die Verfügungsbeklagte in sein Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb eingegriffen habe. Sie habe immerhin die beträchtliche Anzahl von 118 Verkaufsangeboten gelöscht.

Die Verfügungsbeklagte könne Verkaufsangebote allenfalls dann sperren, wenn eine klare Rechtsverletzung vorliege. Dies sei hier im Hinblick auf die drei vermeintlich beanstandeten Verkaufsangebote nicht gegeben. Es fehle jeglicher Nachweis für die von der Firma … behauptete Illegalität der betreffenden Gebraucht-Software. Die Verfügungsbeklagte selbst habe in ihrem Schreiben vom 15.12.2021 Verkaufsangebote nur „als angeblich rechtsverletzend“ beanstandet. Trotz dieser eindeutigen Zweifel auf Seiten der Verfügungsbeklagten selbst habe das Landgericht den Versuch einer Umdeutung der Erklärung vom 15.12.2021 vorgenommen. Dabei zeige die Formulierung, welche die Verfügungsbeklagte gewählt habe, eindeutig, dass die gebotene Aufklärung gegenüber der Firma … unterblieben sei. Vor diesem Hintergrund sei es treuwidrig („venire contra factum proprium“), wenn sich die Verfügungsbeklagte auf § 3 Nr. 2 und § 5 Nr. 1 und 2 ihrer AGB (Bl. 70 f.) berufe.

Im Übrigen seien die von der Verfügungsbeklagten ergriffenen Maßnahmen auch unverhältnismäßig. Gerade unter Berücksichtigung von § 5 Nr. 1 S. 1 ihrer AGB (Bl. 71) sei zu beachten, dass der Nutzer den – behaupteten – Verstoß nicht verschuldet habe. Soweit das Landgericht demgegenüber ein Verschulden in unzulässiger Weise einfach aufgrund eines angeblichen Bewusstseins von der Illegalität der drei beanstandeten Verkaufsangebote unterstelle, missachte es die maßgebliche Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des BGH. Ein Verschulden ergebe sich nicht allein daraus, dass er nicht bereit gewesen sei, eine ihm von der Verfügungsbeklagten vorgelegte Unterlassungserklärung zu unterzeichnen. Seine Weigerung sei darin begründet gewesen, dass er tatsächlich keine Möglichkeit besitze, im Rahmen der Nacherwerbskette die von ihm zum Zwecke eines Weiterverkaufs erworbene Gebraucht-Software auf Illegalität zu überprüfen. Seine Bemühungen, durch Kontaktaufnahme mit der Firma … eine Klärung herbeizuführen, seien erfolglos geblieben. Vor diesem Hintergrund wäre eine Unterlassungserklärung mit dem unkalkulierbaren Risiko verbunden gewesen, sich immer wieder dem Vorwurf einer gemeldeten, beanstandeten vermeintlichen Rechtsverletzung ausgesetzt zu sehen, ohne die Möglichkeit einer (vorherigen oder auch nur nachträglichen) Überprüfung der Rechtmäßigkeit der entsprechenden Ware zu besitzen. Mit Rücksicht auf diese Schwierigkeiten sei eine Umkehrung der Darlegungs- und Beweislast von ihm zur Verfügungsbeklagten geboten. Es sei auch treuwidrig, wenn sich die Verfügungsbeklagte auf die Regelung des § 3 Nr. 1 ihrer AGB (Bl. 70) berufe.

Weiterhin sei zu berücksichtigen, dass die Verfügungsbeklagte ihre Monopolstellung auf dem Internetplattformmarkt zum Zwecke seiner Verdrängung als Gewerbetreibender im kollusiven Zusammenwirken mit der Firma … betreibe. Bezeichnend sei, dass die Firma … von einer autonomen Entscheidung der Verfügungsbeklagten spreche, aber jegliche Mitwirkung an der Aufklärung der Frage der Legalität des Weiterverkaufs der Gebraucht-Software ablehne. Er sehe sich daher einer Art von „Hase-und-Igel-Spiel“ ausgesetzt, das die Verfügungsbeklagte für die Firma …als deren ausführendes „Vasallen-Organ“ betreibe.

Ein Verfügungsgrund sei nun schon deshalb gegeben, weil die Verfügungsbeklagte unmittelbar nach Erlass der angefochtenen Entscheidung am 25.03.2022 die Kündigung des dem vorliegenden Streitfall zugrunde liegenden Nutzungs- bzw. Dienstleistungsverhältnisses ausgesprochen habe. Damit sei das vom Landgericht fehlerhaft angeführte Argument der unzulässigen Vorwegnahme der Hauptsache obsolet geworden. Denn mit dem Ablauf der Kündigungsfrist entfalle die Möglichkeit der Durchführung eines Hauptsacheverfahrens. Er, der Verfügungskläger, sei deshalb auf das vorläufige Rechtsschutzverfahren angewiesen.

Zudem folge ein im Eilverfahren durchzusetzender Verfügungsanspruch auch aus einer analogen Anwendung der §§ 858, 859 BGB im Hinblick auf die geschützte Gewerbefreiheit. Seine wirtschaftliche Existenz wie auch die seiner Familie, also seiner nicht erwerbstätigen Ehefrau und der beiden behinderten minderjährigen Kinder, sei gefährdet. Insoweit habe das Landgericht außer Betracht gelassen, dass es sich bei den Umsatzzahlen um Bruttobeträge handele. Die von ihm aufgebrachten Einkaufspreise sowie sonstige Unkosten und Betriebskosten seien abzusetzen. Die entsprechende Gesamtkostenquote belaufe sich auf mindestens ca. 60 % des Gesamtverkaufspreisvolumens. Vor diesem Hintergrund stelle die streitgegenständliche Löschung seiner 118 Verkaufsangebote eine schwerwiegende Beeinträchtigung seiner Möglichkeit zur Erzielung von Einkünften zur Deckung des Lebensunterhalts dar.

Im Hinblick darauf, dass die von der Verfügungsbeklagten im Kündigungsschreiben vom 25.03.2022 angeführte vermeintliche Kündigungsfrist zum 30.04.2022 abgelaufen sei, müsse im Folgeverfahren berücksichtigt werden, dass er durch seinen Verfahrensbevollmächtigten mit Schreiben vom 01.04.2022 die Kündigung gemäß § 180 S. 1 BGB rechtswirksam wegen fehlender Unterschrift und Nichterkennbarkeit einer natürlichen Person als bevollmächtigter Vertreterin zurückgewiesen habe. Es bestehe daher weiterhin kein Zweifel an einem fortwährend vorhandenen Rechtsschutzinteresse auf seiner Seite.

Es werde nochmals die Rüge der Vorlage der Anwaltsvollmacht erhoben. Denn der Vertreter der Verfügungsbeklagten sei zum Verhandlungstermin ohne Vollmacht erschienen. Das Recht, die Vollmacht nachzureichen, sei ihm zu Unrecht eingeräumt worden.

Die Sachbehandlung des Landgerichts sei auch insoweit zu beanstanden, als dort zwischen Haupt- und Hilfsanträgen unterschieden worden sei. Soweit er hilfsweise die Rückgängigmachung der erfolgten Löschungen der Verkaufsangebote nur vorläufig – bis zum rechtskräftigen Abschluss eines Hauptsacheverfahrens – begehrt habe, habe es sich um eine bloße Anregung gehandelt. Denn gemäß § 938 Abs. 1 ZPO bestimme das Gericht den Inhalt einer begehrten einstweiligen Verfügung in dem durch das konkrete Antragsbegehren des Antragstellers vorgegebenen Rahmen. Diese in erster Instanz erfolgte Anregung werde nun noch einmal ausdrücklich wiederholt.

Der Verfügungsbeklagte beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils im Wege der einstweiligen Verfügung anzuordnen: 1. Der Verfügungsbeklagten wird aufgegeben, a) die von ihr mit E-Mail-Schreiben vom 11.10.2021 (11:24:00 Uhr) vorgenommene Löschung der von ihm auf seinen beiden Nutzerkonten mit den Bezeichnungen „…“ und „…“ eingestellten Verkaufsangebote unverzüglich rückgängig zu machen und diese Verkaufsangebote wieder in diese beiden Nutzerkonten unverzüglich einzustellen; b) die von ihr mit E-Mail-Schreiben vom 11.10.2021 (11:34:00 Uhr) vorgenommene Sperrung seines Accounts bei ihr mit den beiden Nutzerkonten mit den Bezeichnungen „…“ und „…“ mit sofortiger Wirkung aufzuheben; 2. Der Verfügungsbeklagten wird für jeden Fall einer Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, wobei jedoch die Bedeutung und Monopolstellung der Verfügungsbeklagten auf dem Internet-Handelsplattform angemessen zu berücksichtigen sind, ersatzweise Ordnungshaft, angedroht. Hilfsweise beantragt der Verfügungsbeklagte,

1. bis zu einem rechtskräftigen Abschluss eines etwaigen Hauptsacheverfahrens i.S.d. § 926 ZPO a) die von der Verfügungsbeklagten mit E-Mail-Schreiben vom 11.10.2021 (11:24:00 Uhr) vorgenommene Löschung der von ihm auf seinen beiden Nutzerkonten bei der Verfügungsbeklagten mit den Bezeichnungen „…“ und „…“ eingestellten Verkaufsangebote unverzüglich rückgängig zu machen und diese Verkaufsangebote wieder auf seine beiden Nutzerkonten einzustellen; b) die von der Verfügungsbeklagten mit E-Mail-Schreiben vom 11.10.2021 (11:34:00 Uhr) vorgenommene Sperrung seines Accounts bei ihr mit den beiden Nutzerkonten mit den Bezeichnungen „…“ und „…“ außer Vollzug zu setzen; 2. der Verfügungsbeklagten für jeden Fall einer Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, wobei jedoch die Bedeutung und Monopolstellung der Verfügungsbeklagten auf dem Internet-Handelsplattform angemessen zu berücksichtigen sind, ersatzweise Ordnungshaft, anzudrohen. Die Verfügungsbeklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie trägt vor:

Es bestehe bereits kein Verfügungsgrund. Das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien sei durch ordentliche Kündigung vom 25.03.2022 wirksam zum 30.04.2022 beendet worden. Die in elektronischer Form erklärte Kündigung sei auch ohne Unterschrift wirksam. Dies sei in § 11 Nr. 5 ihrer AGB (Bl. 74) so wirksam vorgesehen.

Darüber hinaus sei kein Verfügungsanspruch gegeben. Ein rechtswidriger Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des Verfügungsklägers liege nicht vor. Die vom Verfügungskläger beanstandeten Sperrungen seien nicht betriebsbezogen. Auch seien diese Sperrungen rechtmäßig gewesen. Die Firma … habe in ihren Meldungen vom 25.03.2021, vom 08.04.2021 und vom 10.10.2021 auf klare Rechtsverletzungen seitens des Verfügungsklägers hingewiesen. Dabei habe es sich jeweils um Angebote von Softwareprogrammen für einen bestimmten Personenkreis gehandelt, wobei der „Product Key“ sich jeweils auf eine Lizenz für Kunden im Ausland bezogen habe und dieser „Product Key“ stets bereits wiederholt aktiviert worden sei. Es sei Sache des Verfügungsklägers, dem substantiiert entgegenzutreten. Dazu reiche es nicht aus, sich auf Gerichtsentscheidungen zu beziehen, nach denen rechtlich der Weiterverkauf von Software zulässig sein könne. Der Verfügungskläger habe die Möglichkeit, sich an seine Lieferanten zu wenden, die ihm die lückenlose Rechtekette darlegen müssten. Daher sei er sehr wohl in der Lage, die Rechtmäßigkeit des Vertriebs zu prüfen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Der Senat hat den Verfügungskläger angehört. Wegen dessen Angaben wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 24.05.2022 verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Landgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zu Recht abgewiesen. Denn die Voraussetzungen für die vom Verfügungskläger begehrten Anordnungen liegen nicht vor.

1.

Der Tenor des angefochtenen Urteils ist dahin auszulegen, dass das Landgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung seinen Beschluss vom 10.01.2022 aufrechterhalten hat. Allerdings lautet der Ausspruch des Landgerichts im Urteil vom 24.03.2022 dahin, dass der Beschluss vom 10.01.2022 „zur Klarstellung aufgehoben“ und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen werde. Indem das Landgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung erneut zurückgewiesen hat, also den Ausspruch aus dem Beschluss vom 10.01.2022 wiederholt hat, ist es im Ergebnis bei der Bestätigung der zuerst getroffenen Entscheidung geblieben.

2.

Den Anträgen des Verfügungsklägers kann schon deshalb nicht stattgegeben werden, weil ein Verfügungsgrund nicht glaubhaft gemacht ist.

Bei der einstweiligen Verfügung ist gesetzessystematisch zwischen dem zu sichernden Anspruch – dem Verfügungsanspruch – und den an das Sicherungsbedürfnis des Gläubigers zu stellenden Anforderungen – dem Verfügungsgrund – zu unterscheiden. Verfügungsanspruch und Verfügungsgrund bilden zusammen die materiell-rechtlichen Voraussetzungen einer einstweiligen Verfügung (BeckOK ZPO/Mayer, 44. Edition 01.03.2022, ZPO § 935 Rn. 2). Im vorliegenden Fall fehlt es bereits am Verfügungsgrund.

Nach § 935 ZPO liegt ein Verfügungsgrund vor, wenn zu besorgen ist, dass durch eine bevorstehende Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung des Rechts der Partei vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. An der danach erforderlichen Dringlichkeit fehlt es, wenn für den Antragsteller im Falle seiner Verweisung auf das Hauptsacheverfahren keine Nachteile ersichtlich werden (BeckOK ZPO/Mayer, 44. Edition 01.03.2022, ZPO § 935 Rn. 11). Das besondere Eilbedürfnis ist unter Abwägung der schutzwürdigen Interessen beider Parteien festzustellen (Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 01.03.2022 – 1 W 4/22, GRUR-RS 2022, 5850 Rn. 21, beck-online).

Ein Verfügungsgrund liegt hier nicht vor. Darauf hat der Senat schon mit der Ladungsverfügung vom 21.04.2022 hingewiesen (vgl. Bl. 439 R). Auch auf der Grundlage des weiteren Vorbringens des Verfügungsklägers und unter Berücksichtigung der rechtlichen Erörterung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 24.05.2022 lässt sich nicht feststellen, dass ein Verfügungsgrund besteht.

a)

In der Ladungsverfügung hat der Senat darauf hingewiesen, dass allein der Umstand, dass der Verfügungskläger elf Wochen abgewartet hat, um gegen die Sperrung der beiden Nutzerkonten vorzugehen, gegen die für ein Verfügungsverfahren erforderliche Dringlichkeit spricht. Auch unter Berücksichtigung der mündlichen Verhandlung vom 24.05.2022 bleibt der Senat bei seiner Einschätzung, dass bereits auf Grund der verspäteten Antragstellung ein Verfügungsgrund nicht angenommen werden kann.

aa)

Infolge Selbstwiderlegung fehlt ein Verfügungsgrund, wenn der Antragsteller die Annahme der Dringlichkeit durch sein eigenes Verhalten ausgeschlossen hat, insbesondere weil er nach Eintritt der Gefährdung seines Rechts lange Zeit mit einem Antrag zugewartet oder das Verfügungsverfahren nicht zügig betrieben hat (OLG Dresden, Beschluss vom 25.01.2018 – 4 U 1675/17, BeckRS 2018, 3662, KG Urteil vom 09.02.2001 – 5r U 9667/00, NJW-RR 2001, 1201, 1202). Der Gedanke der Selbstwiderlegung wurde in Ansehung der gesetzlichen Dringlichkeitsvermutung im Wettbewerbsrecht entwickelt, ist aber als allgemeiner Rechtsgrundsatz anzuerkennen (BeckOK ZPO/Mayer, 44. Edition 01.03.2022, ZPO § 935 Rn. 16).

Eine späte Antragstellung ist dann schädlich, wenn dem Gläubiger die Gefährdung seiner Rechtstellung bekannt war oder aus grober Fahrlässigkeit unbekannt blieb (BeckOK ZPO/Mayer, 44. Edition 01.03.2022, ZPO § 935 Rn. 17). Liegt nämlich ein Wissen über die Gefährdung seiner Rechtstellung vor, hat sich der Antragsteller unverzüglich darüber klar zu werden, ob er gegen den Verletzungstatbestand vorgehen will (KG, Urteil vom 20.02.2015 – 5 U 150/14, BeckRS 2015, 11082, beck-online).

bb)

Im Hinblick auf das ihm vorgehaltene Abwarten von elf Wochen zwischen den Kontosperrungen am 11.10.2021 und der Antragstellung unter dem 21.12.2021 mit Eingang beim Landgericht am 27.12.2021 erklärt der Verfügungskläger im Schriftsatz vom 06.05.2022 lediglich, es könnten keine vernünftigen Zweifel daran bestehen, dass auf seiner Seite kein „dringlichkeitsschädliches Zuwarten“ vorliege (Bl. 496). Er zitiert insoweit das OLG Hamm, wonach die zeitliche Obergrenze bei drei Monaten liege. Das ergibt sich aus der angeführten Entscheidung aber gerade nicht. Vielmehr hat das OLG Hamm in dem von ihm entschiedenen Fall eine fehlende Dringlichkeit wegen des Zuwartens über ca. drei Monate hinweg angenommen (OLG Hamm, Urteil vom 09.03.1990 – 7 U 142/89, NJW-RR 1990, 1236, beck-online). Daraus lässt sich nicht schließen, dass das OLG Hamm bei einem Zuwarten über elf Wochen hinweg noch von Dringlichkeit ausgegangen wäre.

Gerade weil der Verfügungskläger geltend macht, die Sperrung seiner Konten durch die Verfügungsbeklagte habe ihn und seine Familie in der Existenz bedroht, hätte es nahegelegen, umgehend nach der Sperrung der Konten am 11.10.2021 den Versuch zu unternehmen, eine Unterlassungsverfügung gegen die Verfügungsbeklagte zu erwirken. Indem der Verfügungskläger stattdessen elf Wochen bis zur Antragstellung unter dem 21.12.2021, mit Eingang beim Landgericht erst am 27.12.2021, abgewartet hat, hat er die Vermutung, dringend auf einstweiligen Rechtsschutz angewiesen zu sein, selbst widerlegt. Dem steht nicht der Umstand entgegen, dass es nach dem 11.10.2021 noch schriftlichen Austausch zwischen den Parteien gegeben hat.

Insoweit beruft sich der Verfügungskläger zu Unrecht auf die Entscheidung des OLG Bremen vom 06.09.1990 (OLG Bremen, Urteil vom 06.09.1990 – 2 U 67/90, NJW-RR 1991, 44). Das OLG Bremen hat allerdings betont, dass es für die Frage, ob eine Selbstwiderlegung vorliege, stets auf die Umstände des Einzelfalls ankomme, insbesondere auf den Grund des Wartens. So sei insbesondere nicht als untätig anzusehen, wer zunächst versuche, die Angelegenheit im Verhandlungswege auszuräumen, sofern die dafür erforderliche Zeit nicht unangemessen überschritten werde. In dem von ihm entschiedenen Fall hat das OLG Bremen eine Selbstwiderlegung durch den Verfügungskläger deshalb verneint, weil das Bemühen des Antragstellers jenes Verfahrens, einen Rechtsstreit mit der ihm wirtschaftlich überlegenen Gegenseite zu vermeiden, so lange nicht aussichtslos erscheine, solange die Gegenseite ihre Bereitschaft zu einer vergleichsweisen Regelung zu erkennen gegeben habe. Vorliegend verhält es sich anders. Eine Vergleichsbereitschaft der Verfügungsbeklagten lag aufgrund der ausgetauschten Schreiben offensichtlich nicht vor.

In seinem Schreiben vom 10.10.2021 (Bl. 41 f.) hat sich der Verfügungskläger noch nicht gegen die Sperrung der beiden Nutzerkonten bei der Verfügungsbeklagten gewandt. Vielmehr hat er die „vertragswidrige Löschung“ bei der Verfügungsbeklagten eingestellter Verkaufsangebote seit November 2020 beanstandet. Im Hinblick auf die durch die Verfügungsbeklagte „vereitelten“ Verkäufe hat er den ihm entstandenen Schaden auf 32.400 € beziffert. Abschließend hat er die Verfügungsbeklagte aufgefordert, unverzüglich eine Löschung der von ihm eingestellten Produktangebote zu unterlassen und ihm dies bis spätestens zum 20.10.2021 schriftlich zu bestätigen. Für den Fall des erfolglosen Fristablaufes hat der Verfügungskläger angekündigt, eine auf Unterlassung gerichtete einstweilige Verfügung zu erwirken.

Mit Schreiben vom 11.10.2021 (Bl. 43) – nun offensichtlich in Kenntnis der Sperrung der Nutzerkonten – hat der Verfügungskläger erklärt, die Verfügungsbeklagte solle die im Schreiben vom 10.10.2021 enthaltene Fristsetzung als gegenstandslos betrachten. Vielmehr werde die Verfügungsbeklagte nunmehr aufgefordert, unverzüglich, spätestens jedoch bis zum 13.10.2021, die erfolgte Sperrung der Konten aufzuheben und von weiteren Löschungen der Verkaufsangebote abzusehen; andernfalls werde er, der Verfügungskläger, sogleich vorläufigen Rechtsschutz bei den ordentlichen Gerichten in Anspruch nehmen.

Die Verfügungsbeklagte hat darauf mit Schreiben vom 20.10.2021 reagiert (Bl. 62 f.). Hierin hat sie unter Bezugnahme auf ihre Nachricht vom 11.10.2021 noch einmal Angebote des Verfügungsklägers aufgeführt, die von der Rechteinhaberin als rechtsverletzend beanstandet worden seien. Hierüber sei der Verfügungskläger informiert worden. Im Hinblick auf die wiederholten Verstöße gegen § 3 Ziffern 1 und 2 der …-AGB (Bl. 70) sowie gegen den Grundsatz zum geistigen Eigentum und den Grundsatz zu Repliken und Fälschungen habe das Nutzerkonto „…“ in Übereinstimmung mit § 5 Ziffer 2 der AGB (Bl. 71) dauerhaft vom Handel ausgeschlossen werden müssen. Eine Freischaltung des Nutzerkontos komme daher derzeit nicht in Betracht, bis die Rechteinhaberin mitteile, dass gegen die erneute Zulassung zum Handel keine rechtlichen Bedenken beständen.

Daraufhin hat der Verfügungskläger mit Schreiben vom 26.10.2021 die Verfügungsbeklagte unter Hinweis darauf, dass er diese bzw. die Firma … durch die Aufdeckung und Meldung von Fälschungen in der Vergangenheit aktiv unterstützt habe und unter weiterem Hinweis darauf, dass die wirtschaftliche Existenz seiner Familie gefährdet sei, darum gebeten, die Sperrung der beiden Nutzerkonten wieder aufzuheben. Zugleich hat der Verfügungskläger die Verfügungsbeklagte durch Übersendung einer Abschrift von seinem an die Firma … gerichteten Schreiben vom 25.10.2021 in Kenntnis gesetzt und angekündigt, er werde die Verfügungsbeklagte über den weiteren Fortgang der Angelegenheit auf dem Laufenden halten (Bl. 44 f.).

Die Verfügungsbeklagte hat dann unter Bezugnahme auf dieses Schreiben vom 26.10.2021 unter dem 01.11.2021 erklärt, nach erneuter eingehender Überprüfung des Anliegens des Verfügungsklägers sei auch unter Berücksichtigung seiner weiteren Ausführungen aufgrund des erheblichen Risikos einer Haftung durch die Verfügungsbeklagte eine Freischaltung der Nutzerkonten derzeit nicht möglich. Zur Vermeidung von Wiederholungen werde auf die Begründung im Schreiben vom 20.10.2021 verwiesen (Bl. 64).

Einen weiteren Austausch mit der Verfügungsbeklagten bis Anfang Dezember 2021 hat der Verfügungskläger nicht dargelegt. Unstreitig hat er sich dann mit Schreiben vom 08.12.2021 wieder an die Verfügungsbeklagte gewandt (Bl. 46). Er hat nun als Anlage die Fotokopie eines Schreibens, das er am selben Tag an die … (im weiteren entsprechend dem Vorbringen des Verfügungsklägers als … bezeichnet) als Rechtsvertreterin der Firma … gerichtet hat, der Verfügungsbeklagten zur Kenntnisnahme übersandt und diese aufgefordert, unverzüglich, spätestens bis zum 17.12.2021, die Löschung der Verkaufsangebote und die Sperrung der beiden Nutzerkonten rückgängig zu machen. Nach erfolglosem Fristablauf werde er seine Ansprüche im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes durchsetzen.

Die Verfügungsbeklagte ist in ihrem Antwortschreiben vom 15.12.2021 bei ihrem Standpunkt geblieben, dass auch unter Berücksichtigung der weiteren Schreiben, insbesondere an die Rechtsvertreter der Firma …, aufgrund der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Störerhaftung ein erhebliches, durch den Verfügungskläger verursachtes Risiko einer Eigenhaftung bestehe. Eine Freischaltung sei daher derzeit ohne eine Rücknahme der durch die Firma … erfolgten Beanstandungen nicht möglich (Bl. 65).

Auf dieses Schreiben hat der Verfügungskläger unter dem 20.12.2021 reagiert (Bl. 47). Er hat hier seine Rechtsauffassung zu einer etwaigen Störerhaftung unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BGH dargestellt. Zudem hat er aus dem Schreiben der Verfügungsbeklagten vom 15.12.2021 die Passage zitiert, dass seine Angebote „als angeblich rechtswidrig beanstandet“ bezeichnet worden seien und hieraus den Schluss gezogen, dass die Verfügungsbeklagte keine positive Kenntnis von der seitens der Firma … behaupteten Rechtsverletzungen durch ihn habe und auch keine entsprechenden Belege bzw. Nachweise vorlägen. Da es somit auch aus Sicht der Verfügungsbeklagten an einer klaren Rechtsverletzung durch ihn fehle, könne die Verfügungsbeklagte auch nicht von der Firma … als Störer in Anspruch genommen werden. Abschließend hat der Verfügungskläger um kurzfristige Mitteilung gebeten, ob die Einreichung eines Eilantrages beim Landgericht Potsdam noch vermieden werden könne.

Hierauf hat die Verfügungsbeklagte mit E-Mail vom 22.12.2021 reagiert und unter Bezugnahme auf die bisherigen Schreiben ihren Rechtsstandpunkt aufrechterhalten (Bl. 404).

Erst unter dem 21.12.2021, beim Landgericht eingegangen am 27.12.2021, hat der Verfügungskläger dann das vorliegende einstweilige Verfügungsverfahren eingeleitet.

Aus diesem Verlauf des Schriftverkehrs zwischen den Parteien ergibt sich, dass die Verfügungsbeklagte zu keinem Zeitpunkt Veranlassung zu der Annahme gegeben hat, sie sei zu einer gütlichen Regelung bereit. Vielmehr hat die Verfügungsbeklagte keine Vergleichsbereitschaft erkennen lassen und immer wieder auf ihrem Rechtsstandpunkt beharrt. Daher hätte der Verfügungskläger, um die Eilbedürftigkeit seines Anliegens zu untermauern, spätestens nach Erhalt des Schreibens der Verfügungsbeklagten vom 01.11.2021 das gerichtliche Verfahren zum einstweiligen Rechtsschutz einleiten müssen.

cc)

Etwas anderes ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung des Schriftverkehrs, den der Verfügungskläger mit der Firma … bzw. mit deren Rechtsvertretern geführt hat.

Mit Schreiben vom 12.10.2021 hat der Verfügungskläger die Fa. … unter Bezugnahme auf die von der Verfügungsbeklagten vorgenommenen Kontensperrungen um Erläuterung gebeten, welche Gründe das Unternehmen zu der ihn schädigenden Vorgehensweise veranlasst hätten (Bl. 49). Dieses Schreiben hat der Verfügungskläger dann unter dem 14.10.2021 mit der Bitte um Kenntnisnahme und unverzügliche Erledigung an die … weitergeleitet (Bl. 52).

Im Schreiben vom 25.10.2021 an die … hat der Verfügungskläger zum Ausdrucke gebracht, dass ihm sehr an der Lösung der aktuellen Problematik gelegen sei und auf die Schwierigkeit hingewiesen, den Ersterwerbsvorgang, der im Rahmen einer Erschöpfung des Lizenzrechts der Fa. … entscheidend für die Legalität eines Weitervertriebs sei, zu beurteilen (Bl. 53).

Mit Schreiben vom 12.11.2021 hat der Verfügungskläger der … u.a. zwei Schreiben der Fa. IPF übermittelt, um Mitteilung gebeten, ob man sich zu seinen Ausführungen vom 25.10.2021 positionieren wolle und einer abschließenden Stellungnahme entgegengesehen (Bl. 56).

Unter dem 08.12.2021 hat der Verfügungskläger gegenüber der … angezweifelt, ob überhaupt eine Bevollmächtigung seitens der Fa. … besteht und angekündigt, sich nun direkt an die Fa. … zu wenden. Zugleich hat der Verfügungskläger „hiermit“ die Fa. … aufgefordert, unverzüglich, spätestens jedoch bis zum 17.12.2021, für ihn eine Unbedenklichkeitsbescheinigung gegenüber der Verfügungsbeklagten abzugeben und die Verfügungsbeklagte aufzufordern, die vorgenommenen Löschungen unverzüglich rückgängig zu machen. Nach erfolglosem Fristablauf werde er seine Ansprüche gerichtlich durchsetzen (Bl. 58).

Unter dem 10.12.2021 hat der Verfügungskläger die Fa. … unter Hinweis auf drei Schreiben, die er an die die Fa. … vertretende … gerichtet habe und die unbeantwortet geblieben seien, um Kenntnisnahme und Erledigung gebeten (Bl. 51).

Dem Verlauf dieses Schriftverkehrs lassen sich ebenfalls keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass der Verfügungskläger Veranlassung zu der Annahme haben konnte, es könne – unter Einbeziehung der Fa. … – mit der Verfügungsbeklagten zu einer gütlichen Regelung kommen. Auf den schriftlichen Austausch zwischen dem Verfügungskläger und der … im Februar 2022, wie er im erstinstanzlichen Schriftsatz des Verfügungsklägers vom 18.02.2022 unter Beifügung von Anlagen dargelegt ist (Bl. 282 ff.), kommt es schon deshalb nicht an, weil das Verfahren bereits anhängig war, es eines Verfügungsgrunds aber schon bei Einleitung des Verfahrens bedurfte.

dd)

Eine abweichende Beurteilung ist auch nicht unter Berücksichtigung der vom Prozessbevollmächtigten des Verfügungsklägers im Senatstermin angesprochenen Erwägungsgründe der Verordnung (EU) 2019/1150 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 zur Förderung von Fairness und Transparenz für gewerbliche Nutzer von Online-Vermittlungsdiensten gerechtfertigt. Insoweit kann dahinstehen, wie die Erwägungsgründe von Verordnungen der Europäischen Union rechtlich einzuordnen sind (vgl. hierzu Juncker, EuZA 2020, 141).

Allerdings sieht Art. 296 Abs. 2 A EU vor, dass Rechtsakte mit einer Begründung zu versehen sind und auf die in den Verträgen vorgesehenen Vorschläge, Initiativen, Empfehlungen, Anträge oder Stellungnahmen Bezug nehmen. Dem hat der Verordnungsgeber auch in der genannten Verordnung (EU) 2019/1150 Rechnung getragen und einleitende Erwägungsgründe formuliert. In dem vom Prozessbevollmächtigten des Verfügungsklägers im Senatstermin angeführten Erwägungsgrund (40) wird näher ausgeführt, dass die Mediation Anbietern von Online-Vermittlungsdiensten und deren gewerblichen Nutzern eine Möglichkeit bietet, Streitigkeiten zufriedenstellend beizulegen, ohne ein Gerichtsverfahren anstrengen zu müssen, das langwierig und kostspielig sein kann.

Soweit es den Gedanken der Mediation betrifft, bedarf es nicht des Rückgriffs auf diesen Erwägungsgrund. Denn dieser Gedanke ist auch in Artikel 11 ff. der genannten Verordnung geregelt.

Im Verhältnis zu den Anbietern von Online-Vermittlungsdiensten sind in der genannten Verordnung im Regelfall drei Möglichkeiten des Rechtsschutzes vorgesehen: Die erste Möglichkeit des Rechtsschutzes bildet die Streitbeilegung im Rahmen eines internen Beschwerdemanagementsystems (Art. 11). Sodann ist als zweite Möglichkeit eine Mediation (Art. 2 Nr. 12) als außergerichtliche Form der Streitbeilegung vorgesehen (Art. 12 und Art. 13). Schließlich steht als dritte Möglichkeit die gerichtliche Rechtsdurchsetzung zur Verfügung. Art. 14 enthält hierzu nähere Bestimmungen zur Verbands- und Individualklage (Köhler/Bornkamm/Feddersen/Alexander, UWG, 40. Aufl. 2022, P2B-VO Art. 11 Rn. 10). Die verschiedenen Möglichkeiten der Streitbeilegung müssen in einem Konfliktfall nicht nacheinander durchlaufen werden. Der gewerbliche Nutzer kann frei entscheiden, welchen Weg er zur Streitbeilegung wählt (Köhler/Bornkamm/Feddersen/Alexander, UWG, 40. Aufl. 2022, P2B-VO Art. 11 Rn. 11).

Der Prozessbevollmächtigte des Verfügungsklägers hat auf die insoweit vorgesehene Möglichkeit der Mediation unter dem Gesichtspunkt hingewiesen, dass nach der europäischen Rechtsordnung Wege zur gütlichen Streitbeilegung ausdrücklich vorgesehen seien und deshalb auch der Verfügungskläger vor Beschreiten des Rechtswegs zunächst berechtigt, wenn nicht gar gehalten gewesen sei, einen solchen Weg zu beschreiten. Ob die hierin zum Ausdruck kommende Rechtsauffassung, eine Mediation nach Art. 11 ff. der Verordnung (EU) 2019/1150 stehe dem Einwand der fehlenden Eilbedürftigkeit im Falle des späteren Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung entgegen, zutreffend ist, kann dahinstehen. Denn der Verfügungskläger hat diesen Weg nicht gewählt. Er hat vielmehr – wie sich aus dem dargelegten Schriftverkehr ergibt – vorrangig auf Rückgängigmachung der Kontensperrungen gedrungen und für den Fall des fruchtlosen Fristablaufs bereits die Beantragung einer einstweiligen Verfügung angekündigt und dies später dann ergänzt durch Übermittlung des Schriftverkehrs mit der Firma … bzw. deren Rechtsvertretern.

b)

Da es nach dem Vorstehenden schon unter dem Gesichtspunkt der Selbstwiderlegung, also im Hinblick auf das Zuwarten über elf Wochen hinweg, bevor der Antrag zum einstweiligen Rechtsschutz gestellt worden ist, am Verfügungsgrund fehlt, bedarf es keiner abschließenden Entscheidung der Frage, ob mit den vom Verfügungskläger gestellten Anträgen eine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache verbunden wäre.

aa)

Der Hauptantrag, wie ihn der Verfügungskläger sowohl in erster Instanz als auch im Senatstermin gestellt hat, lautet dahin, der Verfügungsbeklagten aufzugeben, die von ihr mit E-Mail-Schreiben vom 11.10.2021 (11:24:00 Uhr) vorgenommene Löschung der von ihm auf seinen beiden Nutzerkonten mit den Bezeichnungen „…“ und „…“ eingestellten Verkaufsangebote unverzüglich rückgängig zu machen und diese Verkaufsangebote wieder in diese beiden Nutzerkonten unverzüglich einzustellen; ebenso die von ihr mit E-Mail-Schreiben vom 11.10.2021 (11:34:00 Uhr) vorgenommene Sperrung seines Accounts bei ihr mit den beiden Nutzerkonten mit den Bezeichnungen „…“ und „…“ mit sofortiger Wirkung aufzuheben.

Dieser Antrag stellt ohne Zweifel eine Vorwegnahme der Hauptsache dar. Denn jedenfalls bis zu der von der Verfügungsbeklagten am 25.03.2022 ausgesprochenen Kündigung des Vertragsverhältnisses hätte der Verfügungskläger auch im Hauptsacheverfahren keinen weitergehenden Rechtsschutz erlangen können. Ob auch dies gegen die Annahme eines Verfügungsgrunds spricht, braucht aber nicht entschieden zu werden.

Im Hinblick auf den vorläufigen Charakter des einstweiligen Verfügungsverfahrens als summarisches Erkenntnisverfahren (arg. §§ 926, 927, 936 ZPO) ist eine Vorwegnahme der Hauptsache grundsätzlich unzulässig (Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 12.06.2002 – 1 U 6/02, NJW-RR 2002, 1269, beck-online). Insofern fehlt der nach §§ 935, 940 ZPO erforderliche Verfügungsgrund (KG, Urteil vom 28.08.1987 – 5 U 3581/87, GRUR 1988, 403, beck-online). Die Hauptsache darf daher durch eine einstweilige Verfügung nur unter besonderen, engen Voraussetzungen vorweggenommen werden (BGH, Beschluss vom 17.10.2019 – I ZB 19/19, juris Rn. 21; Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 29.12.2009 – Kart W 13/09, juris Rn. 15). Das betrifft Fälle, in denen der Antragsteller dringend auf einen gerichtlichen Titel angewiesen ist und ihm ein Abwarten auf eine Entscheidung im Hauptsacheverfahren nicht zugemutet werden kann (Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 12.06.2002 – 1 U 6/02, NJW-RR 2002, 1269, beck-online). Dabei müssen die ohne Erlass eines Titels drohenden Nachteile nicht nur schwer wiegen, sondern darüber hinaus außer Verhältnis zu den dem Schuldner drohenden Schäden stehen (BGH, Beschluss vom 11.10.2017 – I ZB 96/16, juris Rn. 35).

Daher kann die einstweilige Verfügung in Bezug auf einen Hauptsacheanspruch regelmäßig nur in den Fällen einer existentiellen, irreparablen Schädigung der Antragstellerin ergehen (OLG Frankfurt, Urteil vom 09.02.1995 – 26 U 78/94, juris Rn. 6; OLG Hamm, Beschluss vom 29.11.1991 – 26 W 15/91, juris Rn. 5). Für die Feststellung, ob im Rahmen der durch § 938 Abs. 1 ZPO gebotenen Ermessensentscheidung der Erlass einer Leistungsverfügung geboten ist, sind die berechtigten Interessen von Antragsteller und Antragsgegner gegeneinander abzuwägen (Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 12.11.2008 – 6 W 183/08, juris Rn. 7). Es genügt nicht, dass ohne den Erlass der beantragten Verfügung die Verwirklichung des Rechts des Gläubigers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte oder dass das Anliegen des Antragstellers darauf gerichtet ist, wesentliche Nachteile abzuwenden, da diese Tatbestandsvoraussetzungen bereits in den §§ 935, 940 ZPO für den Erlass einer vorläufigen Regelung aufgestellt sind. Vielmehr muss der Gläubiger so dringend auf die sofortige Erfüllung seines Leistungsanspruches angewiesen sein oder müssen ihm so erhebliche wirtschaftliche Nachteile drohen, dass ihm ein Zuwarten oder eine Verweisung auf die spätere Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen nach Wegfall des ursprünglichen Erfüllungsanspruchs nicht zumutbar ist. Bei wirtschaftlichen Nachteilen ist insoweit erforderlich, dass der Gläubiger anderenfalls in eine existentielle Notlage geriete (Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 11.11.2020 – 4 W 50/20; Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 27.09.2018 – 17 Kart 5/18, juris Rn. 9; siehe auch Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 12.11.2008 – 6 W 183/08, juris Rn. 7; OLG Frankfurt, Beschluss vom 02.12.2015 – 5 W 35/15, juris Rn. 40; OLG Köln, Beschluss vom 20.12.2011 – 13 W 79/11, juris Rn. 5; OLG Düsseldorf, Urteil vom 16.01.2008 – VI-U (Kart) 23/07, juris Rn. 10; OLG Frankfurt, Beschluss vom 02.02.2004 – 19 U 240/03, juris Rn. 4; OLG Naumburg, Urteil vom 11.08.2011 – 2 U 84/11, juris Rn. 60). Vereinzelt werden die Anforderungen der Rechtsprechung aber nicht ganz so streng gehandhabt. So wird angenommen, die Voraussetzungen eines Verfügungsgrundes seien hinreichend glaubhaft gemacht, wenn es auf der Hand liege, dass der Ausschluss eines Vertragspartners von …, der im Internet mit einem durch eidesstattliche Versicherung glaubhaft gemachten Umsatz von 8.000 € täglich tätig gewesen sei, von dem besonders bekannten und bedeutenden Internetmarktplatz die geschäftlichen Aktivitäten erheblich beeinträchtige und ein Ausweichen auf andere Internetmarktplätze die Folgen der Sperrung nur unvollständig kompensieren könne (Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 12.11.2008 – 6 W 183/08, juris Rn. 6).

Ob der Verfügungskläger unter Berücksichtigung dieser Grundsätze berechtigt war, einen Antrag zu stellen, der bei Stattgabe eine Vorwegnahme der Hauptsache zur Folge hätte, kann offenbleiben.

Allerdings unterlag das Vorbringen des Verfügungsklägers zu einer existenziellen Notlage jedenfalls im Zeitpunkt der Ladungsverfügung vom 21.04.2022 erheblichen Zweifeln. Wohl hatte der Verfügungskläger zunächst das Wegbrechen eines bedeutenden Internetmarktplatzes glaubhaft gemacht, nicht aber eine Bedrohung seiner wirtschaftlichen Existenz. Bemerkenswert ist insoweit, dass der Verfügungskläger stets allein die erzielten Umsätze, zunächst lediglich hinsichtlich digitaler Software, später auch hinsichtlich physischer Software, dargestellt hat (Bl. 460, 498, 498 R). Um eine existenzielle Notlage darlegen zu können, hätte es eher nahegelegen, Einkommensteuererklärungen und gegebenenfalls Einkommensteuerbescheide vorzulegen. Denn es war nicht ausgeschlossen, dass der Verfügungskläger noch über andere Einnahmen oder auch Vermögen verfügt.

Entsprechend den Hinweisen in der Ladungsverfügung hat der Verfügungskläger ergänzend vorgetragen, er habe seine Geschäftstätigkeit schon hinreichend eindeutig dargestellt, nämlich eine Tätigkeit als gewerblicher Gebraucht-Softwarehändler, der Verkaufsangebote über unkörperliche bzw. digitale und körperliche gebrauchte Software der Firma … auf seinen Nutzerkonten bei der Verfügungsbeklagten einstelle. Aus dem Geschäftsmodell der Verfügungsbeklagten ergebe sich, dass er, der Verfügungskläger – mangels Vorhandenseins einer tatsächlichen Alternative – keine Möglichkeit einer anderweitigen Internetplattformnutzung habe. Auf einen „vor Ort-Vertrieb“ könne er nicht verwiesen werden. Denn sowohl digitale Software als auch solche in körperlicher Form (DVDs) würden weder auf Ständen auf Wochenmärkten oder in Ladengeschäften noch – wie Bücher oder Versicherungen – im Rahmen von Haustürgeschäften angeboten und verkauft. Aus den mit der Streitwertbeschwerde vom 08.04.2022 dargelegten Bruttoumsätzen in der Anlage K 27, die ausdrücklich zum Gegenstand des Verfügungsverfahrens gemacht werde, ergebe sich zwingend die bei ihm bestehende Existenzgefährdung. Wenn nun die Löschung der Verkaufsangebote endgültig erfolge, daraufhin Kunden zu einem anderen Internet-Softwarehändler wechselten und dort etwa einen zufriedenstellenden Kauf tätigen würden, hätten die Kunden keinen Grund mehr, zu ihm, dem Verfügungskläger, zurückzukehren.

Mag dieses Vorbringen für die Annahme ausreichen, der Verfügungskläger sei als gewerblicher Gebraucht-Softwarehändler auf eine Internetplattform, und zwar diejenige der Verfügungsbeklagten, angewiesen, ist damit aber noch nichts zu sonstigen Einnahmen oder Vermögen ausgesagt.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vom 24.05.2022 hat der Verfügungskläger persönlich dann an Eides Statt versichert, dass im Moment seine einzigen Einnahmen aus dem Pflegegeld für seine beiden behinderten Kinder, das sich insgesamt auf rund 1.100,00 € belaufe, und aus dem Kindergeld für diese beiden Kinder beständen. In der Summe verfüge er so über Einnahmen von insgesamt rund 1.500,00 € monatlich. Seine Ehefrau sei nicht berufstätig. Man wohne zur Miete. Seine Frau habe vor Kurzem einen Führerschein gemacht. Er habe ihr daraufhin vor etwa einem Monat ein Auto gekauft, das etwa 9.000,00 € gekostet habe.

Dies könnte für die Annahme sprechen, dass für den Verfügungskläger das von ihm beanstandete Vorgehen der Verfügungsbeklagten existenzgefährdend ist. Allerdings hat der Verfahrensbevollmächtigte der Verfügungsbeklagten im Termin sogleich die Richtigkeit der Angaben des Verfügungsklägers bezweifelt und den diesbezüglichen Vortrag im Ergebnis mit Nichtwissen bestritten. Ob der Verfügungskläger auch vor diesem Hintergrund hinreichend glaubhaft gemacht hat, in seiner wirtschaftlichen Existenz bedroht zu sein, kann auf sich beruhen. Denn an einem Verfügungsgrund fehlt es – wie unter 2 a) ausführlich dargestellt – jedenfalls unter dem Gesichtspunkt der Selbstwiderlegung.

bb)

Hinsichtlich des vom Verfügungskläger angebrachten Hilfsantrags sind dieselben Überlegungen anzustellen. Dabei kommt es hier noch nicht auf die mit der Streitwertbeschwerde aufgeworfene Frage an, ob es sich lediglich um ein „Minus“ im Vergleich zum Hauptantrag handelt. Jedenfalls würde auch die Stattgabe des Hilfsantrags eine Vorwegnahme der Hauptsache zur Folge haben. Zwar ist der Antrag dahin formuliert, dass die erstrebten Anordnungen nur bis zum rechtskräftigen Abschluss eines etwaigen Hauptsacheverfahrens gelten sollen. In der Sache ergibt sich daraus aber keine wirkliche Begrenzung. Denn ob und ggf. wann ein Hauptsacheverfahren geführt wird, ist nicht Gegenstand des Antrags. Damit würde sich eine Stattgabe des Hilfsantrags nicht anders auswirken als die Stattgabe des Hauptantrags.

c)

Ebenfalls kann auf sich beruhen, welche Auswirkungen die unstreitig durch die Verfügungsbeklagte ausgesprochene Kündigung des Vertragsverhältnisses am 25.03.2022 mit Wirkung zum 30.04.2022 auf das Vorliegen eines Verfügungsgrundes hat.

aa)

Sollte die Kündigung allerdings wirksam sein, bestände kein dringendes Bedürfnis mehr für eine vorläufige Regelung dahin, dass die Verfügungsbeklagte die Sperrung der Konten des Verfügungsklägers rückgängig zu machen hätte.

bb)

Anders könnte es liegen, wenn die ausgesprochene Kündigung nicht wirksam ist. Dies bedarf aber keiner abschließenden Entscheidung.

(1)

Der Verfügungskläger hat allerdings die Unwirksamkeit der Kündigung bzw. der mehrfachen Kündigungserklärungen (vgl. Bl. 468) aus formalen Gründen gerügt. Die Verfügungsbeklagte könne als juristische Person nur durch ihr rechtliches Vertretungsorgan, hier den Geschäftsführer der GmbH, rechtswirksam handeln. Den Kündigungsschreiben lasse sich jedoch nicht entnehmen, welche berechtigten bzw. bevollmächtigten natürlichen Personen Urheber der betreffenden Erklärungen seien. Mithin seien die Erklärungen nicht rechtswirksam (Bl. 468 R). Auch inhaltlich hat der Verfügungskläger die Kündigung beanstandet. Diese werde zu Unrecht auf einen Vertrauensverlust im Hinblick auf seine Erklärung in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht vom 23.02.2022 gestützt. Dabei seien seine erfolglosen Bemühungen zu berücksichtigen, die Legalität der von ihm zum Weiterverkauf erworbenen Ware zu überprüfen. Insoweit habe er sich als langjähriger Kunde „alleingelassen gefühlt“.

Der Verfügungskläger hat hierzu vorgetragen, die Verfügungsbeklagte habe mit drei E-Mail-Schreiben und einem weiteren Papier-Schreiben – jeweils vom 25.03.2022 – die Kündigung des dem vorliegenden Streitfall zugrunde liegende Nutzungs- bzw. Dienstleistungsverhältnisses ausgesprochen (Bl. 367) und dabei auf die Anlage K 22 verwiesen (Bl. 368).

Nicht ganz eindeutig ist, auf welche Äußerungen der Verfügungsbeklagten sich der Verfügungskläger bezieht. Die Anlage K 22 enthält nämlich nur insgesamt drei Schreiben (Bl. 408 ff.). Dabei handelt es sich zunächst um eine E-Mail, in der darum gebeten wird, ein Schreiben im Anhang zu beachten (Bl. 408). Es folgen zwei jeweils als „Einschreiben-Einwurf“ bezeichnete Schreiben, mit denen die ordentliche Kündigung der Nutzerkonten „…“, „…“ und „…“ „(Aufzählung nicht abschließend)“ unter Bezugnahme auf § 5 Abs. 4 und Abs. 2.5 der … AGB (Bl. 409, 411) erklärt wird. Die Schreiben enden jeweils:

„Mit freundlichen Grüßen … GmbH Dieses Schreiben wurde maschinell erstellt und ist ohne Unterschrift gültig.“ (Bl. 410, 412).

Es ist denkbar, dass der Verfügungskläger eines der beiden Schreiben in Papierform erhalten hat. Dann hätte er aber womöglich nur zwei E-Mail-Schreiben erhalten oder aber die Anlage K 22 ist unvollständig. Dies kann aber offenbleiben.

(2)

Die Verfügungsbeklagte hält die ausgesprochene Kündigung für rechtswirksam (Bl. 527 R ff.), legt aber ihrerseits keine Kündigungserklärung als Anlage vor. Die Verfügungsbeklagte bezieht sich auf § 11 Nr. 5 ihrer AGB, wonach sämtliche Erklärungen, die im Rahmen des mit ihr abgeschlossenen Nutzungsvertrages übermittelt werden, in Schriftform oder Textform (z.B. per E-Mail) erfolgen müssen (Bl. 74).

Ist durch Gesetz Textform vorgeschrieben, so muss gemäß § 126b S. 1 BGB eine lesbare Erklärung, in der die Person des Erklärenden genannt ist, auf einem dauerhaften Datenträger abgegeben werden. Ein dauerhafter Datenträger ist jedes Medium, das

1. es dem Empfänger ermöglicht, eine auf dem Datenträger befindliche, an ihn persönlich gerichtete Erklärung so aufzubewahren oder zu speichern, dass sie ihm während eines für ihren Zweck angemessenen Zeitraums zugänglich ist, und 2. geeignet ist, die Erklärung unverändert wiederzugeben, § 126b S. 2 BGB. Diese Vorschriften gelten im Hinblick auf § 127 Abs. 1 BGB im Zweifel auch für die durch Rechtsgeschäft bestimmte Form (vgl. BeckOGK/Primaczenko/Frohn, Stand 01.05.2020, BGB § 126b Rn. 4).

Zur Wirksamkeit der Kündigungserklärung bezieht sich die Verfügungsbeklagte auf die Rechtsprechung des BGH (Bl. 597 R ff.). Danach ist die maschinelle Unterschrift ebenso wie die Angabe der „Person des Erklärenden” bei einer Erklärung in Textform (§ 126b BGB) – erforderlich, damit der Empfänger überhaupt weiß, von wem das Schreiben stammt. Für diesen Zweck reicht aber bei einer maschinell oder in Textform abgegebenen Erklärung einer juristischen Person die Angabe des Namens der juristischen Person aus. Es wäre eine leere Förmelei, darüber hinaus die Angabe des Namens der natürlichen Person zu verlangen, die das Schreiben unterzeichnet hätte, wenn nicht die Unterschrift wegen der vom Gesetz aus Gründen der Vereinfachung erlaubten Textform oder maschinellen Unterschrift entbehrlich wäre. Die erleichterte Form dient dem Zweck, den Rechtsverkehr in den Fällen zu vereinfachen, in denen eine Erklärung – etwa aus Informations- oder Dokumentationsgründen – zwar einer textlichen Niederlegung bedarf, aber die Einhaltung der strengeren Schriftform wegen des Erfordernisses der eigenen Unterschrift unangemessen verkehrserschwerend ist. Dies kommt insbesondere bei Vorgängen in Betracht, bei denen die Beweis- und Warnfunktion der Schriftform allenfalls geringe Bedeutung hat und bei denen keiner der Beteiligten und auch kein Dritter ein ernsthaftes Interesse an einer Fälschung der Erklärung haben kann (BGH, Urteil vom 07.07.2010 – VIII ZR 321/09, NJW 2010, 2945, beck-online Rn. 16 unter Bezugnahme auf BT-Dr 14/4987, S. 18f.). Dass diese Rechtsprechung überholt ist, dürfte entgegen der Auffassung des Verfügungsklägers nicht anzunehmen sein (vgl. BeckOK BGB/Wendtland, 61. Ed. 1.2.2022, BGB § 126b Rn. 6; s.a. BeckOGK/Primaczenko/Frohn, 1.5.2020, BGB § 126b Rn. 14). Gleiches gilt hinsichtlich der Rechtsprechung, wonach der gemäß § 126b BGB erforderliche Abschluss der Erklärung durch die Formulierung: „Dieses Schreiben wurde maschinell erstellt und bedarf keiner Unterschrift“ gewahrt ist (BGH, Beschluss vom 01.07.2014 – VIII ZR 72/14, BeckRS 2014, 17302, beck-online). Dies spricht jedenfalls bei individualvertraglich vereinbarter Textform dafür, dass formelle Bedenken nicht bestehen. Dies bedarf aber keiner Entscheidung.

(3)

Da die Verfügungsbeklagte sich bezüglich der vereinbarten Textform auf ihre AGB beruft, müsste § 11 Nr. 5 der AGB noch mit §§ 305 ff. BGB in Einklang stehen. Auch dies muss nicht abschließend entschieden werden.

Das Landgericht hat unwidersprochen festgestellt, dass mangels entgegenstehenden Vortrags des Verfügungsklägers die AGB als wirksam in den Nutzungsvertrag einbezogen anzusehen seien (Seite 11 des Urteils), was schon deshalb naheliegt, weil der Verfügungskläger selbst auf Seite 6 der Antragsschrift (Bl. 6) die AGB als Anlage K 12 (Bl. 66 ff.) in das Verfahren eingeführt hat.

Es kann dahinstehen, ob es sich bei der Vereinbarung der Textform um eine überraschende Klausel im Sinn von § 305c Abs. 1 BGB handelt. Dies gilt auch für die Frage, ob hinsichtlich der Form von Anzeigen und Erklärungen in § 309 Nr. 13 BGB eine Spezialvorschrift zu sehen ist. Allerdings betrifft diese Vorschrift nur Erklärungen, die dem Verwender oder einem Dritten gegenüber abzugeben sind. Im vorliegenden Fall geht es aber um die vom Verwender abgegebene Kündigungserklärung.

(4)

Ob dann, wenn man zugunsten der Verfügungsbeklagten davon ausginge, dass die Kündigung formal wirksam ist, auch ein Kündigungsgrund gegeben ist, muss ebenfalls nicht entschieden werden.

Die Verfügungsbeklagte stützt die Kündigung auf § 5 Abs. 4 und Abs. 2 Punkt 5 ihrer AGB. In § 5 Abs. 4 der AGB ist die ordentliche Kündigung vorgesehen. Nach S. 2 der Bestimmung wird die Verfügungsbeklagte gegenüber gewerblichen Verkäufern die ordentliche Kündigung begründen, wobei sich die möglichen Gründe aus § 5 Abs. 1 und Abs. 2 der AGB ergeben (Bl. 72). Aus dieser Formulierung in § 5 Abs. 4 S. 2 der AGB ergibt sich nicht zweifelsfrei, ob für die ordentliche Kündigung tatsächlich ein Kündigungsgrund gegeben sein muss oder ob die fehlende Angabe eines Kündigungsgrundes die Wirksamkeit der Kündigung nicht berührt. Unterstellt man, dass es für die Wirksamkeit eines Kündigungsgrundes bedarf, so stützt sich die Verfügungsbeklagte hier darauf, dass der Verfügungskläger wiederholt gegen die ihre Grundsätze verstoßen habe. Die Grundsätze sind zu Beginn der AGB in einer Übersicht aufgeführt (Bl. 66). Der Grundsatz, auf den sich die Verfügungsbeklagte im vorliegenden Fall beruft, der Grundsatz zu geistigem Eigentum und dem sog. VeRi-Programm, ist schon von dem Verfügungskläger selbst mit der Antragsschrift vorgelegt worden (Bl. 20 ff.).

Bei der Frage des Verstoßes gegen Grundsätze geht es um die auch für das Vorliegen eines Verfügungsanspruchs bedeutsame Frage, inwieweit die Angebote des Verfügungsklägers wettbewerbswidrig sind bzw. Urheberrechtsverletzungen beinhalten. Ob eine etwa unwirksame Kündigung Auswirkungen auf den Verfügungsgrund hat, kann auf sich beruhen, da es hier schon unter dem Gesichtspunkt der Selbstwiderlegung an einem Verfügungsgrund fehlt.

Jedenfalls begründet die nun ausgesprochene Kündigung auch bei angenommener Unwirksamkeit nicht einen bislang fehlenden Verfügungsgrund. Bei Unwirksamkeit der Kündigung würde sich ein etwaiges Hauptsacheverfahren auf den gesamten zwischen den Parteien geschlossenen Nutzungsvertrag beziehen, nicht allein auf zwei von drei Nutzerkonten. Zur Sicherung des Anspruchs, der in einem solchen Hauptsacheverfahren zu verfolgen wäre, reichte aber der Erlass einer einstweiligen Verfügung, bezogen auf die beiden digitalen Nutzerkonten, nicht aus.

Die Kündigung des gesamten Nutzungsvertrags hat der Verfügungskläger nicht zum Anlass genommen, auch insoweit einstweiligen Rechtsschutz zu beantragen. Warum dies nicht geschehen ist, erschließt sich nicht. Dies gilt umso mehr, als der Verfügungskläger im nicht nachgelassenen Schriftsatz seines Beistands vom 13.06.2022 im Hinblick auf die inzwischen erfolgte Sperrung eines von ihm neu gegründeten Nutzerkontos einen unter dem 03.06.2022 beim Amtsgericht Potsdam eingereichten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vorgelegt hat. Jedenfalls verhilft dieser Umstand dem Verfügungskläger nun nicht zu einem zuvor wegen Selbstwiderlegung nicht gegebenen Verfügungsgrund, allein bezogen auf die beiden ursprünglich allein betroffenen Nutzerkonten.

3.

Da es für die begehrte einstweilige Verfügung an einem Verfügungsgrund fehlt, bedarf es keiner Auseinandersetzung mit der Frage, ob ein Verfügungsanspruch besteht. Es liegen allerdings Anhaltspunkte für das Fehlen eines Verfügungsanspruchs vor.

a)

Nach dem Wortlaut von § 935 ZPO kann jedes Recht einer Partei Verfügungsanspruch sein. Damit erfasst die Vorschrift alle auf die Leistung oder Herausgabe einer Sache, auf eine sonstige Handlung oder auf eine Duldung oder Unterlassung gerichteten Individualansprüche, d.h. diejenigen Ansprüche, die nach den Regeln über die Erwirkung der Herausgabe von Sachen und die Erwirkung von Handlungen oder Unterlassungen zu vollstrecken sind (BeckOK ZPO/Mayer, 44. Edition 01.03.2022, ZPO § 935 Rn. 9).

Der dogmatischen Abgrenzung zwischen § 935 ZPO und § 940 ZPO bzw. zwischen drei Grundtypen der einstweiligen Verfügung, der Sicherungsverfügung, der Regelungsverfügung und der Leistungsverfügung, bedarf es bei der gebotenen Einzelfallentscheidung regelmäßig nicht (vgl. dazu BeckOK ZPO/Mayer, 44. Edition 01.03.2022, ZPO § 935 Rn. 3 ff.). Denn § 938 Abs. 1 ZPO ist so zu verstehen, dass der Antrag lediglich das Rechtsschutzziel zu bezeichnen hat, sich aber nicht auf eine bestimmte Art der einstweiligen Verfügung festlegen muss (BeckOK ZPO/Mayer, 44. Edition 01.03.2022, ZPO § 935 Rn. 7).

b)

Offen bleiben kann, ob sich der Verfügungskläger zu Recht auf einen Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch analog §§ 1004, 823 Abs. 1 BGB beruft.

Durch § 1004 BGB werden neben dem Eigentum auch die anderen absoluten Rechte geschützt, darunter auch das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (Grüneberg/Herrler, BGB, 81. Aufl., § 1004 Rn. 4). Unmittelbare Eingriffe in das Recht am bestehenden Gewerbebetrieb, gegen welche § 823 Abs. 1 BGB Schutz gewährt, sind nur diejenigen, die irgendwie gegen den Betrieb als solchen gerichtet, also betriebsbezogen sind und nicht vom Gewerbebetrieb ohne weiteres ablösbare Rechte oder Rechtsgüter betreffen. Dies kann auch dann der Fall sein, wenn nur einzelne Geschäftsaktivitäten des Unternehmens beeinträchtigt werden (BGH, Urteil vom 15.05.2012 − VI ZR 117/11, NJW 2012, 2579 Rn. 21, beck-online).

Danach bestehen hier Zweifel an der Betriebsbezogenheit des Eingriffs, denn der Verfügungskläger rügt nur eine Vertragsverletzung seitens der Verfügungsbeklagten, und die von dieser vorgenommene Sperrung betraf auch nur zwei von drei Nutzerkonten. Das kann aber dahinstehen.

c)

Ebenfalls entbehrlich ist eine abschließende Klärung der Frage, ob der Verfügungskläger gegen die Verfügungsbeklagte einen vertraglichen Unterlassungsanspruch hat.

Anspruchsgrundlage für den Anspruch des (angemeldeten) Nutzers einer Internet-Plattform gegen den Plattformbetreiber auf Unterlassung der rechtswidrigen Löschung eines auf der Plattform eingestellten Beitrags oder auf Unterlassung der rechtswidrigen Entziehung der vom Plattformbetreiber bereitgestellten Kommunikationsmöglichkeiten („Sperrung“) ist der vertragliche Erfüllungsanspruch i.V.m. § 241 Abs. 2 BGB (OLG München, Beschluss vom 17.07.2018 – 18 W 858/18, MMR 2018, 760, beck-online). Um entsprechende vertragswidrige Eingriffe ggf. wirksam abwehren zu können, bedarf es eines rechtsdogmatischen Rückgriffs auf § 1004 BGB analog nicht (LG Cottbus, Urteil vom 07.10.2020 – 1 O 229/20, GRUR-RS 2020, 47529 Rn. 17, beck-online).

Vertragswidrig waren die von der Verfügungsbeklagten vorgenommenen Sperrungen aber grundsätzlich nur dann, wenn der Verfügungskläger nicht seinerseits gegen vertragliche Vereinbarungen von erheblichem Gewicht verstoßen hat. Dies macht die Verfügungsbeklagte hier im Hinblick auf vom Verfügungskläger in der Vergangenheit auf ihrer Plattform eingestellte Angebote von Gebraucht-Software der Firma … geltend.

Der Antragsteller muss den Verfügungsanspruch glaubhaft machen, §§ 936, 920 Abs. 2 ZPO. Mithin hat der Verfügungskläger die Vertragsverletzung durch die Verfügungsbeklagte, auf die allein er sein Beseitigungs- und Unterlassungsbegehren stützen kann, glaubhaft zu machen.

Die Verfügungsbeklagte hat im Schriftsatz vom 16.05.2022 (Bl. 526 R ff.) noch einmal im Einzelnen die von der Firma … erhobenen Beanstandungen genannt. Die Meldung der Firma … vom 10.10.2021 hat die Verfügungsbeklagte vorgelegt (Bl. 35), ebenso eine zusammenfassende Darstellung der Rechtsvertreter der Firma … vom 11.05.2022 (Bl. 532 ff.). Diese Rechtsvertreter hatten schon im vorprozessualen Austausch mit dem Verfügungskläger (vgl. Bl. 53 ff.) die Rechtslage aus ihrer Sicht umfangreich dargestellt (Bl. 27 ff.). Der Verfügungskläger hat sich in diesem Zusammenhang darauf berufen, dass ihm die Voraussetzungen für eine in jeder Hinsicht urheberrechtlich legitime (gewerbliche) Verwendung von Gebraucht-Software, die sich aus den maßgeblichen Entscheidungen des EuGH und der ihr nachfolgenden einschlägigen Rechtsprechung des BGH ergäben, sehr wohl bekannt seien (Bl. 53). Ob das Verhalten des Verfügungsklägers vor diesem Hintergrund nicht rechtskonform war und für die Verfügungsbeklagte keinen Anlass zur Beanstandung hätte bieten dürfen, ist nicht zweifelsfrei, kann aber offenbleiben.

Dies gilt auch unter Berücksichtigung der vom Verfügungskläger herangezogenen Rechtsprechung des BGH.

In einer Auseinandersetzung zwischen dem Urheberrechtsinhaber und … hat der BGH entschieden, dass es dem Betreiber einer Internethandelsplattform grundsätzlich nicht zuzumuten ist, jedes Angebot vor Veröffentlichung im Internet auf eine mögliche Rechtsverletzung hin zu untersuchen. Wird er allerdings auf eine klare Rechtsverletzung hingewiesen, muss er nicht nur das konkrete Angebot unverzüglich sperren, sondern auch Vorsorge treffen, dass es möglichst nicht zu weiteren derartigen Markenverletzungen kommt (BGH, Urteil vom 17.08.2011 – I ZR 57/09, GRUR 2011, 1038 Rn. 21, beck-online).

Unabhängig von der Frage, ob diese Rechtsprechung auf den vorliegenden Fall anzuwenden ist, kommt es nach Auffassung des Senats auf das Schreiben der Verfügungsbeklagten vom 15.12.2021 (Bl. 65), mit dem sich das Landgericht ausführlich auseinandergesetzt hat, nicht an. Zwar ist dort von einer „angeblichen“ Rechtsverletzung die Rede. Das Schreiben ist aber zu einem Zeitpunkt abgefasst, als die Nutzerkonten des Verfügungsklägers bereits gesperrt waren, stellt also lediglich eine nachträgliche rechtliche Würdigung dar. Entscheidend ist die Meldung der Firma … vom 10.10.2021 (Bl. 530). Wenn diese Meldung eine hinreichend klare Rechtsverletzung zum Ausdruck gebracht hat und im Anschluss daran die Mitteilungen der Verfügungsbeklagten über die Sperrungen der Konten erfolgt sind (Bl. 13 ff.), dürfte dies nicht zu beanstanden sein.

Das gilt auch für die Übertragbarkeit weiterer vom Verfügungskläger angeführter Entscheidungen des BGH auf den vorliegenden Fall. Der BGH hat zwar in seinem Urteil vom 17.07.2013 (vorläufig) zugunsten des auf Unterlassung wegen Urheberrechtsverletzung in Anspruch genommenen Unternehmens entschieden, dabei aber klargestellt, dass derjenige, der sich darauf beruft, dass die Vervielfältigung der Computerprogramme nach § 69d Abs. 1 UrhG nicht der Zustimmung des Rechtsinhabers bedarf, nach allgemeinen Grundsätzen die Darlegungs- und Beweislast dafür trägt, dass die Voraussetzungen dieser Bestimmung erfüllt sind (BGH, Urteil vom 17.07.2013 – I ZR 129/08, MMR 2014, 232 beck-online Rn. 56, vgl. auch Rn. 64, 68, beck-online). Die weitere vom Verfügungskläger angeführte Entscheidung des BGH (Urteil vom 11.12.2014 – I ZR 8/13, MMR 2015, 530, beck-online) betraf keine „gebrauchte” Software, sondern „neue” Software (Anmerkung Truiken, Heydn, MMR 2015, 530, 535 beck-online). Schon vor diesem Hintergrund ist zweifelhaft, ob die Entscheidung im vorliegenden Fall einschlägig ist.

Eine abschließende Prüfung ist aber entbehrlich, weil es ohnehin am Verfügungsgrund fehlt. Dies gilt auch für die Auffassung der Verfügungsbeklagten, der Verfügungskläger habe die Möglichkeit, sich an seine Lieferanten zu wenden, die ihm die lückenlose Rechtekette darlegen müssten, und sei daher sehr wohl in der Lage, die Rechtmäßigkeit des Vertriebs zu prüfen.

4.

Soweit mit der Berufung nochmals die Rüge erhoben worden ist auf Verfügungsbeklagtenseite sei erstinstanzlich eine Anwaltsvollmacht nicht vorgelegt worden, kann der Verfügungskläger damit nicht durchdringen. Das Landgericht ist darauf schon mit zutreffenden rechtlichen Erwägungen eingegangen. Im Übrigen kommt es darauf nun im Berufungsverfahren auch nicht mehr an, da die Vertretungsbefugnis des Beklagtenvertreters für die zweite Instanz nicht in Zweifel gezogen worden ist.

III.

Die vom Beistand des Verfügungsklägers mit Schreiben vom 01.06.2022 erhobene Gegenvorstellung ist nicht gesondert und insbesondere nicht vorab vor Verkündung dieses Urteils zu bescheiden.

1.

Dabei kann dahinstehen, ob die Gegenvorstellung als Rechtsbehelf hier überhaupt zulässig ist.

Eine Gegenvorstellung ist gesetzlich nicht geregelt; sie stellt eine Anregung an das Gericht dar, eine für die Partei unanfechtbare Entscheidung zu ändern. Deshalb kann sie nur dann in Betracht kommen, wenn das Gericht zu einer Änderung seiner Entscheidung befugt ist und diese auch von Amts wegen vornehmen dürfte. Dies trifft auf Urteile und andere Endentscheidungen im Zivilprozess mit Rücksicht auf die Bindungswirkung nach § 318 ZPO nicht zu (BGH, Beschluss vom 19.07.2018 – V ZB 6/18, NJW 2018, 3388 Rn. 9, beck-online).

Im vorliegenden Fall geht es dem Beistand des Verfügungsklägers aber nicht um eine Endentscheidung, sondern er beanstandet, dass durch die Anordnung des Vorsitzenden im Senatstermin vom 24.5.2022, eine Entscheidung ergehe am Schluss der Sitzung, die mündliche Verhandlung geschlossen worden sei, obwohl er noch weitere Ausführungen habe machen wollen.

Soweit es derartige prozessleitende Anordnungen betrifft, wird die Auffassung vertreten, diese seien einer Gegenvorstellung zugänglich (so Hunke, in Anders/Gehle, ZPO, 80. Aufl. 2022, vor § 567 Rn. 7; anders wohl Jacobs, in: Stein Jonas, ZPO, 23. Aufl., § 567 Rn. 30). Ob dem zu folgen ist, braucht hier nicht entschieden zu werden.

Ebenfalls offenbleiben kann, ob der Beistand des Verfügungsklägers befugt war, Gegenvorstellung zu erheben oder ob dies mit Rücksicht auf den Anwaltszwang gemäß § 78 ZPO nur dem Prozessbevollmächtigten des Verfügungsklägers möglich war. Es wird die Ansicht vertreten, jedenfalls bei Gegenvorstellungen, welche prozessleitende Anordnungen betreffen, bestehe kein Anwaltszwang (so Hunke, in Anders/Gehle, ZPO, 80. Aufl. 2022, vor § 567 Rn. 9). Es kann aber dahinstehen, ob dies zutrifft. Denn jedenfalls hat sich der Prozessbevollmächtigte des Verfügungsklägers durch Schriftsatz vom 21.06.2022 dem im Schriftsatz vom 01.06.2022 enthaltenen Antrag, die Berufungsverhandlung wiederzueröffnen, angeschlossen und sich damit auch den Rechtsbehelf der Gegenvorstellung zu Eigen gemacht.

Zweifel an der Zulässigkeit der Gegenvorstellung ergeben sich hier im konkreten Einzelfall aber im Hinblick darauf, dass es dem Verfügungskläger im Ergebnis um eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung geht. Eine solche Anordnung gemäß § 156 ZPO ist von Amts wegen zu prüfen. Anträge der Parteien auf Wiedereröffnung stellen lediglich Anregungen dar (BGH, Beschluss vom 07.04.2016 – I ZR 168/15, BeckRS 2016, 14157, beck-online; BeckOK ZPO/Wendtland, 44. Edition 01.03.2022, ZPO § 156 Rn. 13; Zöller/Greger, ZPO, 34. Aufl., § 156 Rn. 2). Angesichts dessen spricht viel dafür, dass im vorliegenden Fall für die Statthaftigkeit eines gesetzlich nicht geregelten Rechtsbehelfs kein Bedürfnis besteht. Der Zweck der Gegenvorstellung liegt nämlich darin, der Partei auch da noch einen „Rechtsbehelf“ zu verschaffen, wo das Gesetz einen solchen nicht mehr vorsieht, die Entscheidung also unanfechtbar ist. Dementsprechend stellt die Gegenvorstellung nur eine Anregung an das Gericht dar, seine Entscheidung zu überprüfen (MüKoZPO, ZPO vor § 567 Rn. 15, beck-online). Wenn die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gemäß § 156 ZPO ohnehin einer Anregung durch die Parteien zugänglich ist, bedarf es einer Gegenvorstellung insoweit nicht. Es kann aber offenbleiben, ob deshalb die hier erhobene Gegenvorstellung unzulässig ist.

2.

Denn jedenfalls wäre die Gegenvorstellung, wenn man ihre Zulässigkeit unterstellt, unbegründet. Der Beistand des Verfügungsklägers beanstandet, indem er einen zu frühzeitigen Schluss der mündlichen Verhandlung rügt, im Ergebnis, ihm sei nicht ausreichend rechtliches Gehör gewährt worden. Dies trifft aber nicht zu. Vielmehr hatten der Verfügungskläger selbst, dessen Prozessbevollmächtigter und dessen Beistand ausreichend Gelegenheit, ihren Rechtsstandpunkt darzulegen. Hiervon hat gerade der Beistand des Verfügungsklägers ausgiebig Gebrauch gemacht. Die mündliche Verhandlung hat für einen Zivilprozess eine eher ungewöhnlich lange Dauer gehabt. Der Senat ist daher nach erneuter Beratung einstimmig davon überzeugt, dass dem Verfügungskläger und seinen Vertretern ausreichend rechtliches Gehör gewährt worden ist.

Soweit der Beistand geltend macht, ihm sei durch den Schluss der mündlichen Verhandlung die Möglichkeit genommen worden, die aus seiner Sicht entscheidungserhebliche Entscheidung des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 12.11.2008 (Urteil vom 12.11.2008 – 6 W 183/08, juris) hinsichtlich der Problematik einer möglichen Vorwegnahme der Hauptsache in das Verfahren einzuführen, kann er damit nicht durchdringen. Mit dieser Entscheidung hat sich schon das Landgericht auf Seite 10 der angefochtenen Entscheidung gerade im Hinblick auf die vom Beistand angesprochene rechtliche Fragestellung auseinandergesetzt. Entsprechend hat auch der Senat schon in der Beratung zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung die Entscheidung erörtert. Sie ist aber auch nicht entscheidungserheblich. Denn auf die Problematik einer möglichen Vorwegnahme der Hauptsache kommt es – wie unter II 2 b) auch unter Heranziehung der genannten Entscheidung dargelegt – nicht an.

3.

Die Gegenvorstellung ist ebenso wie eine Anregung auf Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gemäß § 156 ZPO nicht gesondert zu bescheiden. Es reicht, wenn das Gericht die tragenden Erwägungen, auf denen die Ablehnung der Wiedereröffnung beruht, in den Urteilsgründen (kurz) darlegt (BeckOK ZPO/Wendtland, 44. Edition 01.03.2022, ZPO § 156 Rn. 13), wie hier soeben geschehen.

IV.

1.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

2.

Gegen dieses Urteil ist ein Rechtsmittel nicht gegeben, vgl. § 542 Abs. 2 S. 1 ZPO. Aus diesem Grund ist eine Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit nicht veranlasst

(vgl. Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 10.11.2021 – 4 U 97/21, BeckRS 2021, 38270 Rn. 43, beck-online; OLG Stuttgart, Urteil vom 27.12.2016 – 10 U 97/16, BeckRS 2016, 111329 Rn. 87, beck-online; MüKoZPO/Götz, 6. Aufl. 2020, ZPO § 708 Rn. 13; Zöller/ Herget, ZPO, 34. Auflage 2022, § 708 ZPO Rn. 8).

3.

Grundlage für die Festsetzung des Berufungswerts sind die Ausführungen des Verfügungsklägers im Rahmen seiner Streitwertbeschwerde vom 08.04.2022. Insoweit erfolgt eine leichte Korrektur gegenüber der auf Anregung des Verfügungsklägers vorgenommenen vorläufigen Wertfestsetzung durch Senatsbeschluss vom 12.05.2022. Denn im Senatstermin ist die auf Seite 3 des Schriftsatzes vom 08.04.2022 dargestellte Differenz zwischen einem Bruttowert von 28.667 € und einem Nettowert von 24.089 € nachvollziehbar mit der abzuführende Umsatzsteuer begründet worden.

Im Rahmen der Streitwertbeschwerde hat der Verfügungskläger zu Recht ausgeführt, dass im Hinblick auf sein wirtschaftliches Interesse am Verfahren nur auf die ihm tatsächlich verbleibenden Beträge abgestellt werden kann. Maßgeblich ist insoweit der Jahreswert. Entgegen der von der Verfügungsbeklagten mit Schriftsatz vom 23.05.2022 geäußerten Auffassung ist nicht der dreieinhalbfache Wert des Jahresumsatzes maßgebend. Nach Auffassung des Senats entspricht es nicht der Billigkeit, insoweit die vorrangig für den Zuständigkeit- und Rechtsmittelstreitwert maßgebliche Vorschrift des § 9 ZPO heranzuziehen. Für den Gebührenstreitwert gilt § 9 ZPO nur, soweit nicht das GKG Regelungen bereithält, wozu auch § 53 GKG zählt (Zöller/Herget, ZPO, 34. Aufl., § 9 Rn. 1). Gemäß § 53 Abs. 1 Nr. 1 GKG bestimmt sich der Wert im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung nach § 3 ZPO. Die Vorschrift des § 3 ZPO wiederum bestimmt, dass der Wert von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt wird. Dieses Ermessen übt der Senat im Hinblick darauf, dass der Verfügungskläger ein Gewerbe von nur geringem Umfang betreibt, dahin aus, dass auf den Jahresertrag, und zwar auf den Nettojahresertrag, abzustellen ist.

Soweit der Verfügungskläger meint, der von ihm ermittelte Nettojahresertrag von 24.089 € sei wegen des besonderen Charakters des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens auf ein Drittel, mithin auf 8.030 € herabzusetzen, folgt dem der Senat nicht. Da es dem Verfügungskläger in der Sache – wie ausgeführt – um eine Vorwegnahme der Hauptsache geht, ist ein Abschlag wegen des vorläufigen Charakters des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens nicht gerechtfertigt (vgl. auch OLG Frankfurt, Beschluss vom 22.07.2019 – 6 W 52/19, NJOZ 2020, 630, beck-online; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 01.02.2021 – 6 W 55/20, GRUR-Prax 2021, 187, beck-online; OLG München, Urteil vom 20.06.2018 – 7 U 1079/18, BeckRS 2018, 13312; Zöller/Herget, ZPO, 34. Aufl., § 3 Rn. 16.63 und 16.85).

Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist ungeachtet der formalen Stellung der Anträge des Verfügungsklägers als Haupt- und Hilfsantrag keine Wertaddition gemäß § 45 Abs. 1 S. 2 GKG vorzunehmen. Der in erster Instanz gestellte Hilfsantrag war – wie ebenfalls bereits ausgeführt – lediglich ein „Minus“ gegenüber dem Hauptantrag, indem die Rückgängigmachung der Löschung bzw. Sperrung der Konten des Verfügungsklägers hilfsweise bis zum rechtskräftigen Abschluss eines etwaigen Hauptsacheverfahrens erfolgen sollte.