BGH: Auch das Bereithalten der Testversion eines fremden Software zum Download von einem eigenen Rechner ist urheberrechtswidrig

veröffentlicht am 9. August 2019

BGH, Urteil vom 28.03.2019, Az. I ZR 132/17
Art. 3 Abs. 1 EU-RL 2001/29/EG, § 15 Abs. 2 Nr. 2 UrhG, § 15 Abs. 3 UrhG, § 19a UrhG, § 69c Nr. 4 UrhG

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Bundesgerichtshof


Urteil


Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 28.03.2019 durch … für Recht erkannt:

Die Revision gegen das Urteil des 29. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 1. Juni 2017 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.

Tatbestand:

Die Klägerin ist die in den Vereinigten Staaten von Amerika ansässige Microsoft Corporation. Sie entwickelt und vertreibt das Computerprogrammpaket „Microsoft Office Professional Plus 2013“.

Der Beklagte bot über seine Website, einen Webshop und die Internet-Handelsplattform eBay bundesweit Microsoft-Computerprogramme zum Kauf an. Im September und Oktober 2013 sowie im August 2014 erwarben Testkäufer bei ihm jeweils Exemplare des Programmpakets „Microsoft Office 2013 Professional Plus Vollversion Deutsch“. Der Beklagte übersandte den Testkäufern in allen drei Fällen E-Mails, in denen ein als „Lizenzschlüssel“ bezeichneter Product-Key sowie ein Download-Link auf die Website des Beklagten mitgeteilt wurden. Der vom Beklagten mitgeteilte Download-Link führte jeweils zu einem vom Beklagten betriebenen Portal, auf dem das Programm „Microsoft Office Professional Plus 2013“ zum Download bereitgehalten wurde. Das Programm konnte von sämtlichen Besuchern dieser Internetseite ohne Product-Key als 30-Tage-Testversion genutzt werden.

Die Klägerin sieht durch das Verhalten des Beklagten ihr Urheberrecht an dem Computerprogramm verletzt. Sie hat den Beklagten – soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung – auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Rechnungslegung in Anspruch genommen sowie die Feststellung seiner Schadensersatzpflicht beantragt.

Das Landgericht hat der Klage mit diesen Anträgen stattgegeben. Die Berufung des Beklagten ist im Wesentlichen ohne Erfolg geblieben. Soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung, hat das Berufungsgericht es dem Beklagten gemäß dem zuletzt gestellten Berufungsantrag zu I 1 unter Androhung von Ordnungsmitteln verboten, ohne Einwilligung der Klägerin das Microsoft Computerprogramm „Microsoft Office Professional Plus 2013“ über das Internet öffentlich zum Abruf per Download durch Dritte bereitzuhalten.

Außerdem hat das Berufungsgericht den Beklagten im Hinblick auf die insoweit verbotene Handlung zur Auskunftserteilung und Rechnungslegung verurteilt und seine Pflicht zur Leistung von Schadensersatz festgestellt (OLG München, GRUR 2017, 1034).

Der Beklagte verfolgt mit seiner vom Berufungsgericht in Bezug auf den wiedergegebenen Verbotsausspruch zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, seinen Antrag auf Abweisung des Unterlassungsantrags zu I 1 und der auf diesen bezogenen Anträge auf Auskunftserteilung, Rechnungslegung und Feststellung seiner Schadensersatzpflicht weiter.

Entscheidungsgründe:

A.
Das Berufungsgericht hat angenommen, der Klägerin stünden der mit dem Antrag zu I 1 geltend gemachte Unterlassungsanspruch und die darauf bezogenen Annexansprüche gemäß § 97 Abs. 1 und 2, § 101 Abs. 1 und 3 UrhG zu. Zur Begründung hat es ausgeführt:

Der Beklagte habe dadurch, dass er das Computerprogrammpaket „Microsoft Office Professional Plus 2013“ ohne Zustimmung der Klägerin in der 30-Tage-Testversion für sämtliche Besucher seiner Internetseite zum Abruf bereitgehalten habe, das Recht der Klägerin zur öffentlichen Zugänglichmachung verletzt.
Der Annahme einer Rechtsverletzung stehe nicht entgegen, dass das vom Beklagten im Internet bereitgehaltene Computerprogramm ohne Product-Key nur als 30-Tage-Testversion verwendet werden könne. Es könne dahinstehen, ob die Klägerin ihrerseits – wie vom Beklagten behauptet – das Programmpaket „Microsoft Office Professional Plus 2013“ der Öffentlichkeit mit einer Nutzungseinschränkung auf 30 Tage frei zugänglich im Internet zur Verfügung gestellt habe. Dieser Umstand ändere nichts daran, dass das Verhalten des Beklagten die Voraussetzungen einer öffentlichen Wiedergabe gemäß § 69c Nr. 4 UrhG erfülle. Entgegen der Ansicht des Beklagten sei die Wiedergabe gegenüber einem „neuen Publikum“ im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union erfolgt.

B.
Die hiergegen gerichtete Revision des Beklagten hat keinen Erfolg.

I.
Die Revision ist nicht nur hinsichtlich der Verurteilung zur Unterlassung, sondern auch hinsichtlich der darauf bezogenen Verurteilungen zu Auskunftserteilung und Rechnungslegung sowie Feststellung der Schadensersatzpflicht zulässig.

1.
Allerdings hat das Berufungsgericht die Revision des Beklagten in seinem Entscheidungssatz lediglich auf seinen Verbotstenor zu I 1 beschränkt zugelassen und dazu ausgeführt, insoweit sei die Frage der öffentlichen Zugänglichmachung mit Blick auf die Vorlageentscheidung des Bundesgerichtshofs in der Sache „Cordoba“ (Beschluss vom 23. Februar 2017 – I ZR 267/15, GRUR 2017, 514 = WRP 2017, 569) von grundsätzlicher Bedeutung.

2.
Diese Beschränkung der Zulassung ist aber unwirksam, soweit die auf den Verbotstenor zu I 1 bezogenen Annexanträge in Rede stehen.

a)
Eine Beschränkung der Revisionszulassung ist nur wirksam, wenn die Zulassung sich auf einen tatsächlich und rechtlich selbständigen Teil des Gesamtstreitstoffs bezieht und auch im Falle der Zurückverweisung kein Widerspruch zum nicht anfechtbaren Teil des Streitstoffs auftreten kann (BGH, Beschluss vom 10. April 2018 – VIII ZR 247/17, WRP 2018, 710 Rn. 21; Urteil vom 26. Juli 2018 – I ZR 226/14, GRUR 2018, 1246 Rn. 17 = WRP 2019, 82 – Kraftfahrzeugfelgen II, jeweils mwN).
b) Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor. Die vom Berufungsgericht vorgenommene Beschränkung der Zulassung der Revision begründet die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen. Der Unterlassungsantrag zu I 1 und die auf diesen Antrag bezogenen Anträge auf Auskunftserteilung, Rechnungslegung und Feststellung der Schadensersatzpflicht setzen jeweils voraus, dass das Urheberrecht der Klägerin durch das Bereithalten von Programmkopien zum Download verletzt wird. Dies wiederum ist davon abhängig, ob dieses Verhalten die Voraussetzungen einer öffentlichen Wiedergabe im Sinne von § 69c Nr. 4 UrhG erfüllt.

II.
Die Revision ist unbegründet. Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, der Beklagte habe dadurch, dass er ohne Einwilligung der Klägerin das Computerprogramm „Microsoft Office Professional Plus 2013“ über das Internet auf seinem Downloadportal zum Abruf durch Dritte bereitgehalten hat, das ausschließliche Recht der Klägerin zur öffentlichen Zugänglichmachung gemäß § 69c Nr. 4 UrhG verletzt.

1.
Nach § 69c Nr. 4 UrhG steht dem Rechtsinhaber das ausschließliche Recht zu, die drahtgebundene oder drahtlose öffentliche Wiedergabe eines Computerprogramms einschließlich der öffentlichen Zugänglichmachung in der Weise, dass es Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich ist, vorzunehmen oder zu gestatten.

2.
Das Berufungsgericht hat angenommen, dass der Klägerin die urheberrechtlichen Verwertungsrechte an den Computerprogrammen „Microsoft Office Professional Plus 2013“ zustehen und sie dem Beklagten keine Zustimmung zur öffentlichen Zugänglichmachung dieser Programme erteilt hat. Gegen diese Beurteilung wendet sich die Revision nicht; sie lässt auch keinen Rechtsfehler erkennen.

3.
Das Berufungsgericht hat weiter festgestellt, dass der Beklagte das Computerprogramm „Microsoft Office Professional Plus 2013“ über das Internet auf seinem Downloadportal zum Abruf durch Dritte bereitgehalten hat. Dieses Verhalten verletzt das Recht zum öffentlichen Zugänglichmachen gemäß §§ 19a, 69c Nr. 4 UrhG.

a)
Bei der Auslegung des Begriffs der öffentlichen Wiedergabe eines Computerprogramms einschließlich der öffentlichen Zugänglichmachung gemäß § 69c Nr. 4 UrhG gelten unionsrechtliche Maßstäbe.

aa)
Bei dem Recht der öffentlichen Zugänglichmachung handelt es sich um ein besonderes Recht der öffentlichen Wiedergabe (vgl. § 15 Abs. 2 und 3 UrhG). Da es sich bei den Rechten des Urhebers zur öffentlichen Wiedergabe in Form der öffentlichen Zugänglichmachung um nach Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG harmonisiertes Recht handelt, sind die entsprechenden Bestimmungen des deutschen Urheberrechtsgesetzes richtlinienkonform auszulegen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG diese Rechte in seinem Anwendungsbereich vollständig harmonisiert und die Mitgliedstaaten das durch diese Vorschrift begründete Schutzniveau daher weder unterschreiten noch überschreiten dürfen (vgl. EuGH, Urteil vom 13. Februar 2014 – C-466/12, GRUR 2014, 360 Rn. 33 bis 41 = WRP 2014, 414 – Svensson/Retriever Sverige; BGH, GRUR 2017, 514 Rn. 17 – Cordoba I; BGH, Beschluss vom 20. September 2018 I ZR 53/17, GRUR 2018, 1239 Rn. 15 = WRP 2018, 1480 – uploaded).

bb)
Allerdings sieht die Richtlinie 2009/24/EG über den Rechtsschutz von Computerprogrammen kein eigenständiges Recht zur öffentlichen Wiedergabe vor. Dieser Umstand steht einer einheitlichen Auslegung dieses Rechtsbegriffs in Übereinstimmung mit Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG aber nicht entgegen.

(1)
Dies gilt zum einen, wenn man davon ausgeht, es liege hinsichtlich des Rechts zur öffentlichen Wiedergabe von Computerprogrammen eine Lücke im Unionsrecht vor, die für das deutsche Recht durch das Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft vom 10. September 2003 (BGBl. I 1774, 1777) im Wege der klarstellenden Hinzufügung von § 69c Nr. 4 UrhG geschlossen worden sei, ohne dass dies durch die Richtlinie 2001/29/EG veranlasst gewesen wäre (Dreier in Dreier/Schulze, UrhG, 6. Aufl., § 69c Rn. 27). Es handelte sich dann lediglich um eine Klarstellung der bereits zuvor geltenden Rechtslage (vgl. Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 15/38, S. 22; BGH, Urteil vom 20. Mai 2009 I ZR 239/06, GRUR 2009, 864 Rn. 16 = WRP 2009, 1143 – CAD-Software). In diesem Fall erforderte der Grundsatz der einheitlichen Auslegung des nationalen Rechts, den Begriff der öffentlichen Wiedergabe einschließlich des Begriffs der öffentlichen Zugänglichmachung in § 69c Nr. 4 UrhG wie die entsprechenden Begriffe in § 15 Abs. 2 Satz 1 und 2, § 19a UrhG in Übereinstimmung mit den entsprechenden Begriffen in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG auszulegen (vgl. Czychowski in Fromm/Nordemann/Czychowski, Urheberrecht, 12. Aufl., § 69c UrhG Rn. 34). Nach diesem Grundsatz kann nach dem innerstaatlichen Recht eine für bestimmte Sachverhalte gebotene richtlinienkonforme Auslegung auf nicht von der Richtlinie erfasste Konstellationen zu erstrecken sein, wenn der nationale Gesetzgeber beide Fallgestaltungen parallel regeln wollte (vgl. BGH, Urteil vom 17. September 2015 – I ZR 228/14, BGHZ 206, 365 Rn. 38 – Ramses, mwN). So verhielte es sich hier. Es gibt keine Anhaltspunkte für die Annahme, der nationale Gesetzgeber habe in § 69c Nr. 4 UrhG einen anderen Begriff der öffentlichen Wiedergabe einschließlich des Begriffs der öffentlichen Zugänglichmachung als in § 15 Abs. 2 Satz 1 und 2, § 19a UrhG zugrunde legen wollen.

(2)
Es ist allerdings fraglich, ob im Hinblick auf das Recht der öffentlichen Wiedergabe von Computerprogrammen tatsächlich eine Lücke im Unionsrecht vorliegt und diese durch das nationale Recht geschlossen werden könnte. Für den Fall, dass die Richtlinie 2009/24/EG abschließend festlegt, welche Ausschließlichkeitsrechte die Schutzberechtigten geltend machen können, um bestimmte Handlungen zu erlauben oder zu verbieten (vgl. Erwägungsgründe 4 bis 6 der Richtlinie 2009/24/EG), könnte Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG ein ausschließliches Recht des Urhebers eines Computerprogramms zur öffentlichen Wiedergabe einschließlich der öffentlichen Zugänglichmachung begründen. Dafür spricht, dass die Richtlinie 2001/29/EG gemäß ihrem Erwägungsgrund 15 auch der Umsetzung des WIPO-Urheberrechtsvertrags (WTC) vom 20. Dezember 1996 dient, der in seinen Artikeln 4 und 8 für Urheber von Com-puterprogrammen ein ausschließliches Recht der öffentlichen Wiedergabe ein-schließlich der öffentlichen Zugänglichmachung vorsieht (vgl. Jaeger, CR 2002, 309, 311; Dreier, ZUM 2002, 28, 29; vgl. auch Grützmacher in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, 4. Aufl., § 69c UrhG Rn. 1). Dem stünde nicht entgegen, dass die Richtlinie 2001/29/EG die unionsrechtlichen Bestimmungen über den rechtlichen Schutz von Computerprogrammen unberührt lässt und sie in keiner Weise beeinträchtigt (Art. 1 Abs. 2 Buchst. 1 der Richtlinie 2001/29/EG). Damit ist die Annahme vereinbar, dass die Richtlinie 2009/24/EG durch die Richtlinie 2001/29/EG um ein Recht der öffentlichen Wiedergabe einschließlich der öffentlichen Zugänglichmachung ergänzt wird. Unter dieser Prämisse wäre § 69c Nr. 4 UrhG nach dem Grundsatz der richtlinienkonformen Auslegung nationalen Rechts und nicht nach dem Grundsatz der einheitlichen Auslegung des nationalen Rechts in Übereinstimmung mit Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG auszulegen.

(3)
Der Senat ist deshalb in ständiger Rechtsprechung davon ausgegangen, dass der Begriff der öffentlichen Zugänglichmachung im Sinne von § 69c Nr. 4 UrhG demjenigen in § 19a UrhG entspricht und in Übereinstimmung mit Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG auszulegen ist (vgl. BGH, GRUR 2009, 864 Rn. 16 CAD-Software; BGH, Urteil vom 6. Oktober 2016 – I ZR 97/15, ZUM-RD 2017, 390 Rn. 16; Urteil vom 13. Juli 2017 – I ZR 193/16, GRUR 2018, 189 Rn. 11 = WRP 2018, 210 – Benutzerkennung; Urteil vom 27. Juli 2017 – I ZR 68/16, GRUR-RR 2017, 484 Rn. 10 = WRP 2017, 1222 Ego-Shooter; Urteil vom 22. März 2018 I ZR 265/16, GRUR 2018, 914 Rn. 14 = WRP 2018, 1087 – Riptide; Urteil vom 26. Juli 2018 – I ZR 64/17, GRUR 2018, 1044 Rn. 12 = WRP 2018, 1202 – Dead Island).

b)
Der Begriff der „öffentlichen Wiedergabe“ gemäß Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG hat zwei Tatbestandsmerkmale, nämlich eine Handlung der Wiedergabe und die Öffentlichkeit dieser Wiedergabe. Ferner erfordert dieser Begriff eine individuelle Beurteilung. Im Rahmen einer derartigen Beurteilung sind eine Reihe weiterer Kriterien zu berücksichtigen, die unselbständig und miteinander verflochten sind. Da diese Kriterien im jeweiligen Einzelfall in sehr unterschiedlichem Maß vorliegen können, sind sie einzeln und in ihrem Zusammenwirken mit den anderen Kriterien anzuwenden (BGH, Urteil vom 11. Januar 2018 – I ZR 85/17, GRUR 2018, 608 Rn. 27 = WRP 2018, 701 – Krankenhausradio; BGH, GRUR 2018, 1239 Rn. 17 – uploaded, jeweils mwN).

aa)
Das Bereithalten eines Computerprogramms auf einem Downloadportal im Internet stellt eine Handlung der Wiedergabe dar.
Der Begriff der Wiedergabe ist mit Blick auf das Hauptziel der Richtlinie 2001/29/EG, ein hohes Schutzniveau für die Urheber sicherzustellen, weit zu verstehen, und zwar dahin, dass er jede Übertragung geschützter Werke unabhängig vom eingesetzten technischen Mittel oder Verfahren umfasst. Eine „Wiedergabe“ setzt voraus, dass der Nutzer in voller Kenntnis der Folgen seines Verhaltens – also absichtlich und gezielt – tätig wird, um Dritten einen Zugang zum geschützten Werk zu verschaffen, den diese ohne sein Tätigwerden nicht hätten. Dabei reicht es aus, wenn Dritte einen Zugang zum geschützten Werk haben, ohne dass es darauf ankommt, ob sie diesen nutzen (BGH, GRUR 2018, 608 Rn. 29 – Krankenhausradio, mwN).

Danach ist das hier in Rede stehende Bereithalten eines Computerprogramms zum Download auf einem Internetportal eine Handlung der Wiedergabe. Der Beklagte verschafft dadurch Dritten durch technische Mittel in voller Kenntnis der Folgen seines Verhaltens – also absichtlich und gezielt – die Möglichkeit des Zugriffs auf urheberrechtlich geschützte Werke, die sie ohne sein Tätigwerden in dieser Form nicht hätten. Die Revision stellt auch nicht in Abrede, dass im Streitfall eine Handlung der Wiedergabe vorliegt.

bb)
Im Streitfall liegt auch eine Öffentlichkeit der Wiedergabe vor.

Der Begriff der Öffentlichkeit ist nur bei einer unbestimmten Zahl potentieller Adressaten und recht vielen Personen erfüllt.
Um eine „unbestimmte Zahl potentieller Adressaten“ handelt es sich, wenn die Wiedergabe für Personen allgemein erfolgt, also nicht auf besondere Personen beschränkt ist, die einer privaten Gruppe angehören. Hinsichtlich des Kriteriums „recht viele Personen“ ist die kumulative Wirkung zu beachten, die sich aus der Zugänglichmachung der Werke bei den potentiellen Adressaten ergibt. Dabei kommt es darauf an, wie viele Personen gleichzeitig und nacheinander Zugang zu demselben Werk haben (BGH, GRUR 2018, 608 Rn. 33 f. Krankenhausradio, mwN).

Das Berufungsgericht hat angenommen, das Computerprogramm sei sämtlichen potentiellen Nutzern der Internetseite des Beklagten und damit einer unbestimmten und ziemlich großen Zahl von Adressaten zugänglich. Diese Beurteilung lässt keinen Rechtsfehler erkennen und wird von der Revision auch nicht angegriffen.

cc)
Die Einstufung als „öffentliche Wiedergabe“ erfordert weiterhin, dass ein geschütztes Werk unter Verwendung eines technischen Verfahrens, das sich von dem bisher verwendeten unterscheidet, oder – ansonsten – für ein neues Publikum wiedergegeben wird, also für ein Publikum, an das der Inhaber des Urheberrechts nicht dachte, als er die ursprüngliche öffentliche Wiedergabe erlaubte. Erfolgt die nachfolgende Wiedergabe nach einem spezifischen technischen Verfahren, das sich von demjenigen der ursprünglichen Wiedergabe unterscheidet, braucht nicht geprüft zu werden, ob das Werk für ein neues Publikum wiedergegeben wird; in einem solchen Fall bedarf die Wiedergabe ohne Weiteres der Erlaubnis des Urhebers (BGH, GRUR 2018, 608 Rn. 37 – Krankenhausradio, mwN; vgl. aber auch [zur Kabelweitersendung] EuGH, Urteil vom 16. März 2017 C138/16, GRUR 2017, 510 Rn. 26 f. = WRP 2017, 682 – AKM/Zürs.net; Malenovský, medien und recht 3/18 – Beilage, S. 14, 17 f.).

(1)
Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass das Computerprogramm „Microsoft Office Professional Plus 2013“ sowohl von der Klägerin als auch vom Beklagten im Internet zum Download bereitgehalten und damit nach demselben spezifischen technischen Verfahren öffentlich wiedergegeben wurde. Diese zutreffende Beurteilung wird von der Revision als für sie günstig hingenommen.

(2)
Das Berufungsgericht hat ferner angenommen, dass der Beklagte das Computerprogramm der Klägerin auf seiner Internetseite für ein neues Publikum wiedergegeben hat. Es hat dabei offengelassen, ob die Klägerin – wie der Beklagte behauptet – das von ihm zum Download bereitgehaltene Programmpaket „Microsoft Office Professional Plus 2013“ ihrerseits der Öffentlichkeit mit einer Nutzungseinschränkung auf 30 Tage frei zugänglich im Internet zur Verfügung gestellt hat. Das Berufungsgericht hat angenommen, dass auch in diesem Fall die Voraussetzungen der Wiedergabe für ein neues Publikum vorlägen. Gegen diese Beurteilung wendet sich die Revision ohne Erfolg.

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist ein neues Publikum ein solches, an das der Inhaber des Urheberrechts nicht gedacht hatte, als er die ursprüngliche öffentliche Wiedergabe erlaubte (EuGH, Urteil vom 7. August 2018 – C-161/17, GRUR 2018, 911 Rn. 24 = WRP 2018, 1052 – Land Nordrhein-Westfalen/Renckhoff, mwN). Bei der näheren Bestimmung des Merkmals des „neuen Publikums“ unterscheidet der Gerichtshof der Europäischen Union danach, ob das wiedergegebene Werk auf eine andere Website als die, auf der die ursprüngliche Wiedergabe erfolgte, eingestellt wird oder ob die Wiedergabe dergestalt erfolgt, dass auf der Website ein Hyperlink eingestellt wird, der auf eine andere Website verweist, auf der das betreffende Werk ursprünglich ohne beschränkende Maßnahmen und mit Zustimmung des Urheberrechtsinhabers wiedergegeben worden ist.

Keine Wiedergabe für ein neues Publikum liegt vor, wenn auf einer Internetseite anklickbare Links zu Werken bereitgestellt werden, die auf einer anderen Internetseite mit Erlaubnis der Urheberrechtsinhaber für alle Internetnutzer frei zugänglich sind. Unterlag der Zugang zu den Werken auf der anderen Internetseite keiner beschränkenden Maßnahme, waren die Werke für sämtliche Internetnutzer frei zugänglich. Werden die betreffenden Werke den Nutzern einer Internetseite über einen anklickbaren Hyperlink zugänglich gemacht, sind diese Nutzer potentielle Adressaten der ursprünglichen Wiedergabe. Sie sind Mitglieder der Öffentlichkeit, die die Inhaber des Urheberrechts erfassen wollten, als sie die ursprüngliche Wiedergabe erlaubten. Eine solche Wiedergabe erfolgt nicht gegenüber einem neuen Publikum. Sie ist daher keine öffentliche Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG und bedarf keiner Erlaubnis der Urheberrechtsinhaber (vgl. EuGH, GRUR 2014, 360 Rn. 25 bis 28 – Svensson/Retriever Sverige; GRUR 2014, 1196 Rn. 15 und 16 BestWater International/Mebes und Potsch; GRUR 2016, 1152 Rn. 40 bis 42 GS Media BV/Sanoma u.a.; GRUR 2018, 911 Rn. 37 – Land Nordrhein-Westfalen/Renckhoff).

Diese Rechtsprechung beruht auf den Besonderheiten der Wiedergabe durch Hyperlinks. Diese tragen zum guten Funktionieren des Internets bei, indem sie die Verbreitung von Informationen im Internet ermöglichen, das sich durch die Verfügbarkeit immenser Informationsmengen auszeichnet (EuGH, GRUR 2018, 911 Rn. 40 – Land Nordrhein-Westfalen/Renckhoff). Außerdem wird bei der Wiedergabe durch Hyperlinks der vorbeugende Charakter der Rechte des Rechteinhabers gewahrt, da der Urheber sein Werk, wenn er es auf der betreffenden Website nicht mehr wiedergeben möchte, von der Website entfernen kann, auf der er es ursprünglich wiedergegeben hat, wodurch jeder Hyperlink, der auf es verweist, hinfällig wird (EuGH, GRUR 2018, 911 Rn. 44 – Land Nordrhein-Westfalen/Renckhoff). Zudem ist das mangelnde Zutun des Betreibers der Website zu berücksichtigen, auf der der anklickbare Link eingefügt worden war, der den Zugang zu den betreffenden Werken auf der Website ermöglichte, auf der sie ursprünglich mit der Zustimmung des Urheberrechtsinhabers wiedergegeben worden waren (EuGH, GRUR 2018, 911 Rn. 45 – Land Nordrhein-Westfalen/Renckhoff).
Dagegen erfolgt die Wiedergabe für ein neues Publikum, wenn ein urheberrechtlich geschütztes Werk auf eine andere Website eingestellt wird als die, auf der die ursprüngliche Wiedergabe mit der Zustimmung des Urheberrechtsinhabers erfolgt ist. Unter solchen Umständen besteht das Publikum, an das der Urheberrechtsinhaber gedacht hatte, als er der Wiedergabe seines Werkes auf der Website zugestimmt hatte, auf der es ursprünglich veröffentlicht wurde, nur aus den Nutzern dieser Website und nicht aus den Nutzern der Website, auf der das Werk später ohne Zustimmung des Urheberrechtsinhabers eingestellt worden ist, oder sonstigen Internetnutzern (EuGH, GRUR 2018, 911 Rn. 35 – Land Nordrhein-Westfalen/Renckhoff). Der Umstand, dass der Urheberrechtsinhaber die Möglichkeiten der Internetnutzer zur Nutzung seines Werkes auf der Website, auf der die ursprüngliche Wiedergabe mit seiner Zustimmung erfolgt ist, nicht eingeschränkt hat, ist insoweit unerheblich (EuGH, GRUR 2018, 911 Rn. 36 Land Nordrhein-Westfalen/Renckhoff).

Nach diesen Maßstäben hat der Beklagte das Computerprogramm der Klägerin für ein neues Publikum wiedergegeben. Nach den von der Revision nicht beanstandeten Feststellungen des Berufungsgerichts hat der Beklagte auf seiner Internetseite keinen anklickbaren Link zu dem – unterstellt – von der Klägerin mit einer Nutzungseinschränkung auf 30 Tage für alle Internetnutzer frei zugänglich im Internet zur Verfügung gestellten Computerprogrammpaket „Microsoft Office Professional Plus 2013“ bereitgestellt; vielmehr hat er das Computerprogramm ohne Zustimmung der Klägerin auf sein Downloadportal eingestellt.

c)
Damit ist das Recht der öffentlichen Wiedergabe in seiner besonderen Erscheinungsform des Rechts der öffentlichen Zugänglichmachung verletzt.

Eine öffentliche Zugänglichmachung im Sinne von § 19a UrhG und damit auch im Sinne von § 64c Nr. 4 UrhG erfordert, dass Dritten der Zugriff auf ein urheberrechtlich geschütztes Werk eröffnet wird, das sich in der Zugriffssphäre des Vorhaltenden befindet (zu § 19a UrhG vgl. BGH, Urteil vom 29. April 2010 I ZR 69/08, BGHZ 185, 291 Rn. 19 – Vorschaubilder I; Urteil vom 29. April 2010 – I ZR 39/08, GRUR 2011, 56 Rn. 23 = WRP 2011, 88 – Session-ID; Beschluss vom 16. Mai 2013 – I ZR 46/12, GRUR 2013, 818 Rn. 8 = WRP 2013, 1047 – Die Realität I; Urteil vom 9. Juli 2015 – I ZR 46/12, GRUR 2016, 171 Rn. 13 = WRP 2016, 224 – Die Realität II).

Das Bereithalten eines Computerprogramms zum Abruf auf einem Downloadportal stellt eine eigene Nutzungshandlung des öffentlichen Zugänglichmachens dar, wenn der Betreiber des Downloadportals das Computerprogramm wie im Streitfall der Beklagte – auf einem eigenen Rechner und damit unabhängig von der ursprünglichen Quelle vorhält und auf diese Weise die Kontrolle über seine Bereithaltung ausübt (vgl. BGHZ 185, 291 Rn. 20 – Vorschaubilder I; BGH, Urteil vom 21. September 2017 – I ZR 11/16, GRUR 2018, 178 Rn. 19 = WRP 2018, 201 – Vorschaubilder III; Urteil vom 10. Januar 2019 – I ZR 267/15, juris Rn. 51 – Cordoba II).

III.
Eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union ist nicht veranlasst (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 – C-283/81, Slg. 1982, 3415 Rn. 21 = NJW 1983, 1257 – C.I.L.F.I.T.). Es besteht kein vernünftiger Zweifel daran, dass ein nationales Recht der öffentlichen Wiedergabe einschließlich der öffentlichen Zugänglichmachung von Computerprogrammen mit dem Unionsrecht vereinbar ist. Im Streitfall stellt sich keine entscheidungserhebliche Frage zur Auslegung von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG, die nicht bereits durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs geklärt oder zweifelsfrei zu beantworten ist. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist es grundsätzlich Sache der nationalen Gerichte, anhand der von ihm aufgestellten Kriterien aufgrund einer umfassenden Beurteilung der gegebenen Situation zu beurteilen, ob in einem konkreten Fall eine öffentliche Wiedergabe vorliegt (vgl. EuGH, Urteil vom 15. März 2012 C135/10, GRUR 2012, 593 Rn. 93 = WRP 2012, 1689 SCF/Del Corso; Urteil vom 15. März 2012 C162/10, GRUR 2012, 597 Rn. 39 PPL/Irland).

IV.
Danach ist die Revision gegen das Berufungsurteil auf Kosten des Beklagten (§ 97 Abs. 1 ZPO) zurückzuweisen.

Vorinstanzen:
LG München I, Urteil vom 03.05.2016, Az. 33 O 11469/15
OLG München, Urteil vom 01.06.2017, Az. 29 U 2554/16