OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 16.09.2015, Az. 16 W 47/15
§ 823 BGB, § 1004 BGB; § 10 TMG
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Oberlandesgericht Frankfurt am Main
Beschluss
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landgerichts Frankfurt am Main – einstweilige Verfügung – vom 5.8.2015 – Az. 2/3 O 306/15 – wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Der Beschwerdewert wird auf € 100.000,– festgesetzt.
Gründe
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist gemäß § 576 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 569 ZPO). In der Sache ist sie jedoch nicht begründet.
Zu Recht hat das Landgericht eine Haftung der Antragsgegnerin auf Unterlassung des Bereithaltens, Verlinkens, Verbreitens oder Zugänglichmachung der angegriffenen Äußerungen in dem unter der von ihr registrierten und verwalteten Domain www…..com erreichbaren Beitrag verneint.
1.
Dem Landgericht ist darin zu folgen, dass die vom BGH in der Entscheidung Blog-Eintrag aufgestellten Regelungen zur Störerhaftung des Host-Providers [vgl. Urt. v. 25.10.2011 – VI ZR 93/10] auf den Domain-Registrar nicht uneingeschränkt übertragbar sind. Den Registrar hinsichtlich der Verantwortlichkeit für die unter einer Domain abrufbaren Inhalte einem Host-Provider gleich zu setzen, wird der vom BGH aufgestellten Anforderung zur „Berücksichtigung seiner Funktion und Aufgabenstellung“ [Rn. 22] nicht gerecht.
a.
Domain-Registrare sind technische Registrierungsstellen, deren Aufgabe es ist, die Second-Level-Domains unterhalb generischer Top-Level-Domains zu vergeben und zu verwalten. Der Registrar konnektiert die von dem Kunden gewünschte SubLevel-Domain und trägt sie in den primären Name-Server der Registry für das sog. Domain-Name-System (DNS) ein.
aa.
Durch die Registrierung und Zuweisung der Domain www…..com hat die Antragsgegnerin zwar in adäquat kausaler Weise dazu beigetragen, dass der Registrant und die Besucher dieser Domain mithilfe dieser Domain Persönlichkeitsrechtsverletzungen begehen können und durch Internetnutzer der dort erschienene Beitrag mit den beanstandeten Äußerungen unter Angabe des Domainnamens erheblich einfacher und leichter abrufbar ist als durch Eingabe der IP-Adresse.
Der Verursachungsbeitrag der Antragsgegnerin beschränkt sich mithin darin, den Eintrag im DNS gesetzt zu haben, der des dem Betreiber der Domain ermöglicht, auf dieser Inhalte über das Internet verfügbar zu machen.
bb.
An der Speicherung der Information und dem eigentlichen Übermittlungsvorgang der Daten ist der Domain-Registrar indes nicht beteiligt.
Dass die Antragsgegnerin hier – wie von der Antragstellerin behauptet – den für die Speicherung erforderlichen Server bereitstellt, ist nicht glaubhaft gemacht. Insoweit wird zunächst auf die ausführlichen Ausführungen des Landgerichts sowohl in dem Beschluss vom 5.8.2015 (Seite 5/6) als auch dem Nichtabhilfebeschluss vom 24.8.2015 verwiesen. Vielmehr stehen die mit der Beschwerdeschrift vorgelegten Unterlagen (GA 70 – 81) der Behauptung der Antragstellerin entgegen, dass die Bezeichnung „A“ immer gleichbedeutend mit der Antragstellerin verwendet werde. Ebenso wenig belegt die in der Antragschrift wiedergegebene Whois-Abfrage (GA 3) die Identität der Telefon- und Faxnummer.
Auch das von der Antragstellerin nunmehr vorgelegte (negative) Ergebnis ihrer Einsicht im italienischen Handelsregister hinsichtlich der „A“ (GA 110 – 112) widerlegt nicht die vom Landgericht angestellte Überlegung, bei dieser könne es sich um eine eigenständige Rechtspersönlichkeit handeln. Weder aus der Whois-Anfrage noch den mit der Beschwerdeschrift eingereichten Unterlagen sind Angaben zu der Rechtsform dieser Gesellschaft zu entnehmen. Dass eine Eintragung im italienischen Handelsregister konstituierend für die Entstehung dieser Gesellschaft wäre, lässt sich demnach nicht feststellen.
b.
Ferner hat das Landgericht zu Recht darauf hingewiesen, dass es dem Domain-Registrar – anders als dem Host-Provider – auch nicht möglich ist, einzelne (persönlichkeitsrechtsverletzende) Inhalte einer Internetseite selektiv zu sperren oder zu löschen. Vielmehr kann der Domain-Registrar die Rechteverletzung nur durch vollständige Dekonnektierung der Domain deren Auflösung über das DNS unterbinden. Eine solche Dekonnektierung einer bestimmten Domain hat jedoch zur Folge, dass diese für keinerlei Dienste mehr nutzbar ist, d.h. die Domain und alle unter ihr angelegten Subdomains sind nicht mehr erreichbar. Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, sind hiervon auch automatisch alle rechtmäßigen Inhalte sowie Inhalte von unbeteiligten Dritten betroffen. Andererseits bleiben die beanstandeten Inhalte der Domain in der Regel weiterhin durch Eingabe der IP-Adresse des Host-Servers für Internetnutzer als auch Suchmaschinen zugänglich [vgl. Anmerkung Bertermann, MMR 2015, 524 (525)] Auch von einer manuellen Teillöschung bestimmter Einträge im sog. Zone-File seitens des Domain-Registrars werden stets sämtliche Inhalte der über die Domain erreichbaren Webseiten betroffen und nicht lediglich einzelne Dateien, mithin also auch solche Inhalte, die mit der beanstandeten Rechtsverletzung nichts zu tun haben [Bertermann aaO.].
2.
Aufgrund der vorstehend dargelegten Umstände teilt der Senat die Rechtsansicht des Landgerichts, dass den Domain-Registrar nur eingeschränkte Prüfpflichten treffen, die eine Handlungspflicht nur dann auslösen, wenn die Verletzung Persönlichkeitsrechte Dritte offenkundig und für sie unschwer feststellbar ist [ebenso für Urheberrechtsverletzungen OLG Saarbrücken Urt. v. 22.10.2014 – 1 U 25/14].
a.
Als rein technische Registrierungsstelle ist die Antragsgegnerin nicht ohne Weiteres in der Lage, zu beurteilen, ob behauptete Rechtsverstöße vorliegen. Das gilt insbesondere dann, wenn schwierige rechtliche Wertungen vorzunehmen und komplexe Abwägungen zu treffen sind, wie dies regelmäßig bei der Bewertung von Persönlichkeitsrechtsverletzungen der Fall ist. Insoweit nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf die ausführlichen Ausführungen des Landgerichts in dem angefochtenen Beschluss (Seite 13/14) Bezug.
b.
Nicht zu beanstanden ist die Würdigung des Landgerichts, dass die streitgegenständlichen Persönlichkeitsrechtsverletzungen für die Antragsgegnerin nicht offenkundig und ohne Weiteres feststellbar war.
aa.
Zwar hat die Antragstellerin in ihrem Abmahnschreiben vom 22.7.2015 (GA 16 -21) angegeben, gegen welche Äußerungen in dem Beitrag sie sich wendet. Die Antragstellerin hat jedoch nicht aufgezeigt, aus welchem Grund sie sich jeweils gegen die einzelne Äußerung wendet. Sie hat lediglich pauschal alle darin enthaltenen Tatsachenbehauptungen als unwahr, „ehrverletzend“ und „verleumderisch“ sowie alle zitierten Wertungen als „schmähend“ und „grob beleidigend“ bezeichnet, welche sich „weit außerhalb eines politischen Meinungskampfes“ bewegten und die Kriterien der Schmähkritik erfüllten. Weder hat sie eine eindeutige Zuordnung in Bezug auf jede beanstandete Äußerung unter Berücksichtigung des Gesamtkontexts getroffen noch näher dargelegt, aus welchem Grund die beanstandeten Meinungsäußerungen und Werturteile die Grenze zur Schmähkritik überschritten.
bb.
Darüber hinaus erschöpft sich die Antragstellerin in der pauschalen Behauptung, dass die gegen sie gerichteten Tatsachenbehauptungen unwahr seien und damit auch die bewertenden Elemente jeder Sachgrundlage entbehrten, ohne dies in Bezug auf die einzelnen Äußerungen nachvollziehbar darzulegen.
cc.
Demnach musste sich der Antragsgegnerin aufgrund der in dem Abmahnschreiben enthaltenen Informationen nicht der Schluss aufdrängen, dass hier die Persönlichkeitsrechte der Antragstellerin verletzt werden Entgegen der Auffassung der Antragstellerin sind auch Bezeichnungen wie „Ratte“ , „glühende Rassistin“, „Religionshetzerin“ „Teil des braunen Gifts“ nicht per se als Schmähkritik einzustufen. Um Schmähkritik handelt es sich erst dann, wenn die Absicht zu verletzen stärker hervortritt als die Absicht zur Äußerung der eigenen Meinung, wenn der Angriff auf den Betroffenen selbst vom Standpunkt des Kritikers und unter Berücksichtigung seines Engagements für die Sache nicht mehr verständlich ist. Auschlaggebend wird dabei häufig sein, ob die streitige Äußerung Sachnähe zu einem ihr zu Grunde liegenden Tatbestand hat oder tatsächliche Bezugspunkte fehlen. Dies lässt sich jedoch nur unter Würdigung des gesamten Kontextes beurteilen, in dem die Äußerungen aufgestellt sind [vgl. BVerwG Urt. vom 29.6.2006 – 2 WD 26/05 – Rn. 61 ff; BVerfG Beschl. v. 17.12.2002 – I BvR 755/99 -Rn. 19 ff; OLG Düsseldorf Urt. v. 8.11.2006 – 15 U 100/06 – Rn. 18 ff; OLK Köln Urt. v. 17.5.2005 – 15 U 211/04 – Rn- 19 ff; OLG Hamburg Beschl. v. 3.3.2000 – 7 U 69/99].
In diesem Zusammenhang fällt auch ins Gewicht, dass von der Antragstellerin 27 Äußerungen angegriffen werden, die, worauf das Landgericht zutreffend hingewiesen hat, nicht aus dem sie betreffenden Kontext herausgelöst und einer rein isolierten Betrachtung zugeführt werden dürfen, sondern eine Berücksichtigung des Kontexts des immerhin sechsseitigen in Kleindruck gefassten Gesamtbeitrags (GA 10 – 15) erforderten. Allein dies steht der Offenkundigkeit der Rechtverletzung entgegen.
c.
Des Weiteren ist auch nicht glaubhaft gemacht, dass das an die A … S.p.A. adressierte Abmahnschreiben der Antragsgegnerin zugegangen ist. Wie vorstehend dargelegt, verbleiben begründete Zweifel an der Behauptung der Antragstellerin, die Antragsgegnerin trete auch unter dieser Bezeichnung auf.
3.
Schließlich hat das Landgericht im Hinblick auf die vorstehend unter Ziff. 1. b. aufgezeigten nur sehr eingeschränkten, aber gleichwohl mit sehr weitreichenden Folgen verbundenen Eingriffsmöglichkeiten des Domain-Registrars im Rahmen der Prüfung der in Rede stehenden Maßnahmen zur Unterbindung des Zugangs der Nutzer zu dem (unterstellt) rechtsverletzenden Beitrag auf der Domain Erwägungen zu der Verhältnismäßigkeit getroffen.
a.
Nach Funktion und Aufgabenstellung ist der Domain-Registrar eher mit dem Zugangsprovider (Access-Provider) vergleichbar als mit dem Host-Provider. Insoweit folgt der Senat der Auffassung des OLG Köln, welches mit überzeugenden Argumenten dargelegt hat, dass die Inanspruchnahme des Zugangsvermittlers im Wege der Störerhaftung voraussetzt, dass er den Zugang zu rechtsverletzenden Inhalten durch zumutbare Maßnahmen unterbinden kann. Als unzumutbar sind dabei solche Sperrmaßnahmen anzusehen, wenn durch sie in erheblichem Umfang auch der Zugang zu anderen und legitimen Inhalten betroffen wird oder der Zugang zu rechtsverletzenden Inhalten nicht effektiv unterbunden werden kann [Urt. v. 18.7.2014 – 6 U 192/11 – Goldesel].
b.
Vor diesem Hintergrund hätte es jedoch, wie vom Landgericht gefordert, näherer Darlegung zu den übrigen unter der streitgegenständlichen Domain abgelegten Inhalten seitens der Antragstellerin bedurft, die durch die begehrte Anordnung ebenfalls betroffen wären.
4.
Soweit mit der Beschwerde schließlich eine Verletzung des rechtlichen Gehörs gerügt wird, hat das Landgericht in seinem Nichtabhilfebeschluss das in der Beschwerdeschrift enthaltene weitere Vorbringen der Antragstellerin umfassend gewürdigt.
5.
Der Beschwerdewert war auf 100.000,- Euro festzusetzen, da die Antragstellerin die Unterlassung von insgesamt 27 Äußerungen begehrt, von denen sich 20 nicht überschneiden. In der Hauptsache wäre daher für jede Äußerung ein Betrag von 10.000 Euro festzusetzen, so dass sich der Gesamtwert auf 200.000 Euro beliefe, der aber im Hinblick auf das einstweilige Verfügungsverfahren auf 100.000 Euro zu reduzieren war (§ 3 ZPO).
6.
Für die Durchführung einer mündlichen Verhandlung bestand nach der Sachlage kein Anlass.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Ein Rechtsmittel gegen diesen Beschluss findet nach der Wertung der §§ 574 Abs. 1 S. 2, 542 Abs. 2 ZPO nicht statt.
Vorinstanz:
LG Frankfurt a.M., Az. 2-3 O 306/15