OLG Celle, Beschluss vom 03.11.2015, Az. 2 Ss (OWi) 313/15
§ 23 Abs. 1b S.1 StVO
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Oberlandesgericht Celle
Beschluss
In der Bußgeldsache
gegen pp.
wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit
hat der 2. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Celle auf die Rechtsbeschwerde der Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Winsen/Luhe vom 29.06.2015 auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft durch … am 03.11.2015 einstimmig beschlossen:
1.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
2.
Die Sache wird auf den Senat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen.
3.
Die Rechtsbeschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass der Betroffene des vorsätzlichen Führens eines Kraftfahrzeuges bei gleichzeitigem betriebsbereiten Mitsichführen eines für die Anzeige von Verkehrsüberwachungsmaßnahmen bestimmten technischen Gerätes schuldig ist.
4.
Der Betroffene hat die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Winsen/Luhe hat den Betroffenen mit dem angefochtenen Urteil vom 29.06.2015 wegen fahrlässigen Führens eines Kraftfahrzeuges bei gleichzeitigem betriebsbereitem Mitsichführen eines für die Anzeige von Verkehrsüberwachungsmaßnahmen bestimmten technischen Geräts in Tateinheit mit fahrlässiger Behinderung eines anderen im Straßenverkehr und in Tateinheit mit dem fahrlässigen Nichtanzeigen eines Fahrstreifenwechsel mitttels Fahrrichtungsanzeigers zu einer Geldbuße in Höhe von 75,00 Euro verurteilt.
In verkehrsrechtlicher Hinsicht ist der Betroffene einmal vorbelastet: Im Mai 2014 verhängte die Zentrale Bußgeldstelle M. wegen fahrlässigen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaft um 37 km/h eine Geldbuße von 120 Euro und ein einmonatiges Fahrverbot.
Nach den getroffenen Feststellungen zur Sache fuhr der Betroffene am 15. November 2014 gegen 9:45 Uhr mit seinem Pkw Mercedes-Benz, amtliches Kennzeichen xxxxxx, in der Gemarkung W. bei der Anschlussstelle W./West auf die Bundesautobahn 39 in Fahrtrichtung H. auf. Beim Wechsel von der Beschleunigungsspur auf den rechten Fahrstreifen betätigte der Betroffene nicht den Fahrtrichtungsanzeiger und zog sofort auf die linke Fahrbahn herüber. Hierdurch wurde ein auf dem linken Fahrstreifen von hinten herannahendes Fahrzeug zum Abbremsen gezwungen. Während der Fahrt führte der Betroffene sein internetfähiges Smartphone bei sich. Dieses war am Armaturenbrett in einer gesonderten Halterung befestigt und auf dem Gerät war eine sog. „Blitzer-App“ – Blitzer.de – der Firma C. installiert. Diese App dient dazu, Autofahrer während der Fahrt vor stationären und mobilen Geschwindigkeitsmessgeräten zu warnen. Hierfür ist eine GPS-Verbindung erforderlich, die nach dem Starten der App mit dem Smartphone herzustellen ist. Ist dies geschehen, zeigt das Gerät vor dem Passieren einer Messstelle die bei dem Betreiber hinterlegten Geschwindigkeitsmessanlagen an. Der Betroffene hatte die App während der Fahrt aufgerufen und eine GPS-Verbindung hergestellt, so dass sich die App in Betrieb befand.
Im Rahmen der Beweiswürdigung führt das Gericht aus, der Betroffene habe die Fahrereigenschaft eingeräumt. Der als Zeuge vernommene Polizeibeamte K. habe den Sachverhalt wie festgestellt bekundet. Der Zeuge habe angegeben, mit seiner Kollegin bereits auf der BAB 39 gefahren zu sein, als der Betroffene ohne Betätigung des Fahrtrichtungsanzeigers an der Anschlussstelle W./West in Fahrtrichtung H. auf die Autobahn aufgefahren sei. Der Betroffene sei in einem Zug auf den linken Fahrstreifen gewechselt, wodurch ein nachfolgender Pkw mäßig bremsen musste. Aus diesem Grund hätten sich seine Kollegin und er zur Verkehrskontrolle entschieden und den Betroffenen auf einem nahe gelegenen Parkplatz angehalten. Hierbei bemerkten sie das Smartphone des Betroffenen in einer Halterung am Armaturenbrett. Der Zeuge habe auf dem Display eine Blitzer-App erkannt, die er selbst – allerdings nur als Beifahrer – benutze und daher in ihrer Handhabung kenne. Die Oberfläche der App, die er gesehen habe, werde nur dann erzeugt, wenn die App in Betrieb sei, also nach Herstellung einer GPS-Verbindung. Befahre das Fahrzeug dann eine Strecke, für die bei dem Betreiber ein stationäres oder mobiles Geschwindigkeitsmessgerät hinterlegt sei, werde vom Smartphone ein Warnsignal ausgegeben. Auch wenn er nicht sagen könne, wie der Betreiber die Daten der Geschwindigkeitsmessgeräte konkret sammle, sei er sich der geschilderten Funktionsweise sicher. Der Zeuge K. habe weiter erklärt, nach der Sachverhaltsaufnahme zu Hause noch einmal überprüft zu haben, ob die App mit seiner App identisch sei. Dies sei der Fall gewesen.
Ferner hat das Gericht die von dem Zeugen K. bei der Anzeigenaufnahme gefertigten Lichtbilder, die das Smartphone mit gut erkennbarem Display in der Halterung am Armaturenbrett zeigen, und die Lichtbilder der Herstellerseite der Firma C. in Augenschein genommen und in den schriftlichen Urteilsgründen auf diese Abbildungen verwiesen gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO i. V. m. § 46 OWiG. Das auf dem Display des Smartphones erkennbare Symbol stimme mit dem Symbol auf der Homepage des Herstellers für diese Blitzer App überein.
Nach den weiteren Urteilsausführungen habe der Betroffene zumindest fahrlässig gehandelt, wenn er sein Smartphone mit der aufgerufenen App am Armaturenbrett mit sich führe und ihm dies nicht auffalle. Angesichts des Umstandes, dass es keine Erkenntnisse dazu gäbe, ob der Betroffene sein Smartphone bei Antritt der aktuellen Fahrt oder schon anlässlich einer früheren Fahrt an dem Armaturenbrett befestigt und die GPS-Verbindung hergestellt habe, sei nur von einem fahrlässigen und nicht von einem – allerdings naheliegenden – vorsätzlichen Verstoß gegen § 23 Abs. 1b StVO auszugehen.
Das Gericht erkannte wegen des fahrlässigen Verkehrsverstoßes gemäß § 24 StVG i. V. m. § 49 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 7 und Nr. 22, §§ 23 Abs. 1b, 7 Abs. 5 Satz 2, 1 Abs. 2 StVO i. V. m. § 19 OWiG auf eine Geldbuße von 75,00 Euro. Insoweit ist es von der Regelbuße nach der lfd. Nr. 247 des Abschnitts II zu § 1 BKatV ausgegangen.
Gegen dieses Urteil hat der Betroffene mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 30. Juni 2015 die Zulassung der Rechtsbeschwerde beantragt und den Antrag nach Zustellung der schriftlichen Urteilsgründe am 3. August 2015 mit Schriftsatz vom 26. August 2015 näher begründet. Er rügt im Hinblick auf die Verurteilung wegen Verstoßes gegen § 23 Abs. 1b StVO die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Die ebenfalls ausgeurteilten fahrlässigen Verkehrsordnungswidrigkeiten wegen Verletzung von § 1 Abs. 2 und § 7 Abs. 5 StVO nimmt der Betroffene nicht Abrede.
Mit der Verfahrensrüge beanstandet er die Ablehnung seines in der Hauptverhandlung gestellten Beweisantrages auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis der Tatsache, dass die Fotografien aus dem Bildbericht der Polizei keine funktionierende Blitzer-App zeigten. Diesen Antrag habe das Gericht rechtsfehlerhaft mit der Begründung abgelehnt, die Einholung eines Sachverständigengutachtens sei zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich gemäß § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG. Dieser Verfahrensverstoß stelle auch eine Verletzung der Aufklärungspflicht dar. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass die von dem Zeugen mutmaßlich erkannte App zum Zeitpunkt des Tatvorwurfs gar nicht funktioniert habe. Die erhobene Sachrüge führt der Betroffene dahingehend näher aus, der Betrieb einer sog. „Blitzer-App“ auf einem Smartphone stelle keinen Verstoß gegen § 23 Abs. 1b Satz 1 StVO dar, denn ein Smartphone sei nicht dazu bestimmt, Verkehrsüberwachungsmaßnahmen anzuzeigen oder zu stören. Es diene vornehmlich der Kommunikation und der Informationsbeschaffung. Diese Zweckrichtung des Geräts werde auch nicht durch die Installation einer bestimmten App geändert.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, den Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde als unbegründet zu verwerfen. Im Falle der Zulassung hat sie beantragt, die Rechtsbeschwerde aus den vom Amtsgericht angeführten sehr beachtlichen Gründen als unbegründet zu verwerfen.
II.
1.
Die Rechtsbeschwerde war gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 1 OWiG zur Fortbildung des sachlichen Rechts zuzulassen. Die Frage, ob es sich bei einem Smartphone um ein technisches Gerät handelt, das dafür bestimmt ist, Verkehrsüberwachungsmaßnahmen anzuzeigen oder zu stören im Sinne von § 23 Abs. 1b Satz 1 StVO, ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung bislang – soweit ersichtlich – noch nicht entschieden worden.
2.
Nach § 80 a Abs. 3 Satz 2 i. V. m. Satz 1 OWiG war das Verfahren daher zugleich dem Senat in der Besetzung mit drei Richtern zu übertragen.
3.
Die Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils hat weder im Schuld-, noch im Rechtsfolgenausspruch einen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen aufgedeckt. Die Rechtsbeschwerde war deshalb gemäß § 79 Abs. 5 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 OWiG i. V. m. § 349 Abs. 2 StPO auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft als offensichtlich unbegründet zu verwerfen. Allerdings hatte auf die Sachrüge eine Schuldspruchänderung zu erfolgen.
a)
Die Verfahrensrüge einer Verletzung der Aufklärungspflicht durch die fehlerhafte Ablehnung eines Beweisantrages ist nicht entsprechend § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO ausgeführt und damit nicht zulässig erhoben.
Die rechtsfehlerhafte Ablehnung von Beweisanträgen kann – wie von dem Betroffenen zutreffend erkannt – im Bußgeldverfahren grundsätzlich nur im Rahmen einer Aufklärungsrüge beanstandet werden (vgl. OLG Köln NZV 2013, 459; Senat, Beschl. v. 26.05.2014 322 SsRs 55/14 ; Göhler Seitz, OWiG, 16. Aufl. § 77 Rdnr. 28). Eine ordnungsgemäße Aufklärungsrüge verlangt die Angabe der Beweistatsachen, des Beweismittels und der Tatsachen, die den Tatrichter zum Gebrauch des Beweismittels gedrängt haben sollen. Ferner ist mitzuteilen, welche – dem Betroffenen günstige – Tatsache die unterlassene Beweisaufnahme ergeben hätte, wobei es nicht genügt, ein günstiges Ergebnis lediglich als möglich hinzustellen. Wenn die fehlerhafte Ablehnung eines Beweisantrages im Rahmen der Aufklärungsrüge beanstandet wird, sind auch der gestellte Beweisantrag und der ablehnende Beschluss mitzuteilen. Das Rechtsbeschwerdegericht muss allein aufgrund der Begründungsschrift prüfen können, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, wenn das tatsächliche Vorbringen der Revision bzw. Rechtsbeschwerde zutrifft (KK-Gericke, StPO, 7. Aufl., § 344, Rn. 38ff. mwN.).
Diesen Anforderungen wird der Vortrag des Betroffenen in der Begründungsschrift in mehrerer Hinsicht nicht gerecht. Zum einen werden weder der vollständige und konkrete Wortlaut des Beweisantrages noch derjenige der ablehnenden gerichtlichen Entscheidung mitgeteilt. Ohne diese Mitteilung ist es dem Rechtsbeschwerdegericht allerdings nicht möglich, das tatsächliche Vorbringen auf den behaupteten Verfahrensverstoß hin zu überprüfen. Zum anderen stellt der Betroffene ein für ihn durch die unterlassene Beweisaufnahme günstigeres Ergebnis nur als möglich dar. Hierzu heißt es in der Begründungsschrift „es könne nach alledem nicht ausgeschlossen werden, dass die vom Zeugen mutmaßlich erkannte App zum Zeitpunkt des Vorwurfs gar nicht funktionierte“.
Die Aufklärungsrüge hätte indes auch in der Sache keinen Erfolg, weil ein Sachverständiger allein anhand der Lichtbilder auch keine Aussage dazu hätte treffen können, ob die Blitzer-App zum Zeitpunkt der Tat tatsächlich funktioniert hat. Auf diesen Umstand kommt es für einen Verstoß gegen § 23 Abs. 1b StVO auch nicht an, wie im Folgenden noch ausgeführt wird.
b)
Die vom Amtsgericht rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen tragen die Verurteilung wegen einer vorsätzlichen Verkehrsordnungswidrigkeit – vorsätzliches Führen eines Kraftfahrzeuges bei gleichzeitigem betriebsbereiten Mitsichführen eines für die Anzeige von Verkehrsüberwachungsmaßnahmen bestimmten technischen Geräts in Tateinheit mit fahrlässiger Behinderung eines anderen im Straßenverkehr und in Tateinheit mit dem fahrlässigen Nichtanzeigen eines Fahrstreifenwechsel mittels Fahrrichtungsanzeigers – gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 1, 7 und 22 i. V. m. §§ 1 Abs. 2, 7 Abs. 5 Satz 2, 23 Abs. 1b StVO.
Nach § 49 Abs. 1 Nr. 22 StVO handelt ordnungswidrig im Sinne des § 24 des Straßenverkehrsgesetzes, wer vorsätzlich oder fahrlässig gegen eine Vorschrift über sonstige Pflichten des Fahrzeugführers nach § 23 Abs. 1b StVO verstößt. Wer ein Fahrzeug führt, darf ein technisches Gerät nicht betreiben oder betriebsbereit mitführen, das dafür bestimmt ist, Verkehrsüberwachungsmaßnahmen anzuzeigen oder zu stören, § 23 Abs. 1b Satz 1 StVO. Nach Satz 2 gilt dies insbesondere für Geräte zur Störung oder Anzeige von Geschwindigkeitsmessungen (Radar- oder Laserstörgeräte).
Soweit ersichtlich ist die streitgegenständliche Frage, ob es sich bei einem vom Fahrzeugführer mitgeführten Smartphone um ein technisches Gerät im Sinne von § 23 Abs. 1b Satz 1 StVO handeln kann, das dafür bestimmt ist, Verkehrsüberwachungsmaßnahmen anzuzeigen oder zu stören, bislang obergerichtlich noch nicht entschieden worden.
Das von dem Betroffenen während seiner Fahrt am Armaturenbrett seines Fahrzeugs befestigte und eingeschaltete Smartphone, auf dem zu diesem Zeitpunkt die zuvor installierte sog. Blitzer-App des Herstellers C. betriebsbereit angezeigt wurde, stellt ein technisches Gerät dar, das während dieser konkreten Fahrt dazu bestimmt gewesen ist, Geschwindigkeitsmessungen und damit Verkehrsüberwachungsmaßnahmen anzuzeigen.
(1)
Der Umstand, dass ein Smartphone bauseits zur mobilen Telekommunikation und gerade nicht primär dazu bestimmt ist, Geschwindigkeitsmessungen anzuzeigen, führt zu keiner abweichenden Beurteilung.
Der verfassungsrechtliche Bestimmtheitsgrundsatz verlangt eine Verhaltensnorm so zu formulieren, dass der Normadressat in die Lage versetzt wird zu erkennen, welche Verhaltensweisen verboten sind und mit welchen staatlichen Sanktionen er bei verbotswidrigem Handeln zu rechnen hat (BVerfGE 45, 371 ff.). Diesen Anforderungen wird die Regelung des § 23 Abs. 1b Satz 1 StVO auch insoweit gerecht, als dass sie den unbestimmten Rechtsbegriff des „Bestimmtseins“ verwendet. Der auslegungsbedürftige Begriff des „Bestimmtseins“ bezeichnet den Zweck, für den etwas verwendet werden soll. Dieser Begriff wird auch sonst im Strafrecht zur Abgrenzung strafbaren Verhaltens von nicht strafbarem Verhalten verwendet. Zu nennen sind beispielsweise § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StGB (nicht zur ordnungsgemäßen Öffnung bestimmtes Werkzeug), § 248c Abs. 1 StGB (nicht zur ordnungsgemäßen Entnahme von Energie aus der Anlage oder Einrichtung bestimmter Leiter) und § 268 Abs. 2 StGB (Beweisbestimmung von technischen Aufzeichnungen). Bei aller Unterschiedlichkeit der Verwendung des Begriffes des „Bestimmtseins“ in diesen Straftatbeständen, ist ihnen eine subjektive Komponente gemeinsam. Nach diesen Strafnormen wird vorausgesetzt, dass der jeweilige Gegenstand nach den Vorstellungen einer Person für einen näher genannten Zweck bestimmt oder eben nicht bestimmt ist. Bei den genannten Straftatbeständen steht die Bestimmtheit des Straftatbestandes gemessen an dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot im Übrigen nicht infrage. Sie kann deshalb – nur weil der Begriff des Bestimmtseins eines technischen Gerätes für die Anzeige oder Störung von Verkehrsüberwachungsmaßnahmen im Sinne des § 23 Abs. 1b Satz 1 StVO der Auslegung bedarf – also erst recht nicht für einen Bußgeldtatbestand infrage gestellt werden, bei dem die Anforderungen an den Grad der Bestimmtheit der Norm wegen der im Vergleich zum Strafrecht geringeren Sanktionsandrohung geringer sind als bei Straftatbeständen (Albrecht in DAR 9/2006, 481 (483) mwN.).
Zwar kann ein Mobiltelefon in Gestalt eines Smartphones für viele verschiedene Zwecke genutzt werden. Wenn der Benutzer aber auf seinem Smartphone eine entsprechende Blitzer-App installiert oder installieren lässt und diese Blitzer-App während der Fahrt aufruft, um vor mobilen und/oder stationären Geschwindigkeitsmessanlagen gewarnt zu werden, gibt er seinem Smartphone durch dieses Verhalten aktiv und zielgerichtet die neue Zweckbestimmung, Verkehrsüberwachungsmaßnahmen anzuzeigen. Zwar verfügt das Smartphone immer noch über weitere Funktionen, dies ändert aber nichts an der aus Benutzersicht konkret bestimmten Zweckrichtung. Die insoweit vorliegende Fallkonstellation ist daher vergleichbar mit der Benutzung mobiler Navigationsgeräte, die über eine sog. Ankündigungsfunktion verfügen. Bei dieser Funktion werden dem Kraftfahrer die einprogrammierten Geschwindigkeitskontrollstellen jeweils rechtzeitig mitgeteilt. Auch diese Navigationsgeräte haben primär den Zweck, dem Nutzer den Weg zu seinem Ziel zu weisen. Dass bei Navigationssystemen mit Ankündigungsfunktion die Ankündigung nur eine unter vielen anderen Funktionen ist, ändert ebenfalls nichts daran, dass diese Geräte dem Verbot des § 23 Abs. 1b Satz 1 StVO unterfallen (Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Aufl., § 23, Rn. 35; Lütkes-Bachmeier, Straßenverkehrsrecht, Bd. 2, Stand Sept. 2014, § 23, Rn. 30a; Kärger in DAR-Extra 2011, 711; Hufnagel in NJW 2008, 621 (622)).
Soweit in Rundfunksendungen vor Geschwindigkeitsmessungen gewarnt wird, ist das Radio lediglich geeignet, Verkehrsüberwachungsmaßnahmen anzuzeigen, aber gerade nicht von dem Fahrzeugführer dazu bestimmt. Ein Radio ist weder primär zur flächendeckenden Anzeige von Geschwindigkeitsmessungen bestimmt, noch kann es nachträglich hierfür besonders ausgestattet und entsprechend gewidmet werden. Darüber hinaus werden Blitzerwarnungen im Radio gerade nicht ortsbezogen für den konkreten Standort eines konkreten Hörers/Fahrers ausgesprochen. Der Radiohörer hat keinen Einfluss auf die Rundfunksendung und kann damit den Zweck des Radios zur Anzeige von Verkehrsüberwachungsmaßnahmen nicht bestimmen. Deshalb fällt das Radio als technisches Gerät nicht unter die bußgeldrechtliche Verbotsnorm des § 23 Abs. 1b Satz 1 StVO.
(2)
Diese Auslegung des § 23 Abs. 1b Satz 1 StVO entspricht auch dem Willen des Verordnungsgebers und dem Sinn und Zweck der Vorschrift.
Durch die 35. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 14.12.2001 (35. ÄndVStVR) wurde in § 23 der neue Absatz 1b eingefügt. Die Bestimmung beruht auf der durch das Gesetz zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes und anderer straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 19.03.2001 (StVRÄndG) in § 6 Abs. 1 Nr. 3i StVG eingefügten Ermächtigungsgrundlage. Durch diese wurde der Verordnungsgesetzgeber zum Erlass eines Verbots, das die Verwendung technischer Einrichtungen am oder im Kraftfahrzeug untersagt, die dazu bestimmt sind, die Verkehrsüberwachung zu beeinträchtigen, ermächtigt. Bereits in der amtlichen Begründung des StVRÄndG zur Aufnahme der genannten Ermächtigungsgrundlage heißt es „Bei der Durchsetzung von Geboten und Verboten im Straßenverkehr spielt die präventive Wirkung der für Zuwiderhandlungen vorgesehenen Sanktionen eine wichtige Rolle. Dabei ist erfahrungsgemäß nicht allein die Höhe der Sanktion, sondern auch das Entdeckungsrisiko bedeutsam. (…) Auch die Bundesanstalt für Straßenwesen hat in einer Studie ein vom Verkehrsteilnehmer als hoch empfundenes Entdeckungsrisiko als entscheidend für regelkonformes Verhalten beurteilt. Würde also hingenommen, dass sich die Kraftfahrer gegen Verkehrsüberwachungsmaßnahmen wirksam schützen, so hätte dies nachhaltig negative Auswirkungen auf den verantwortungsvollen Umgang mit den Verkehrsregeln. Mit den Radarwarngeräten stehen jetzt Anlagen zur Verfügung, die bei zunehmender Verbreitung die präventive Wirkung der Geschwindigkeits- und Abstandsüberwachung mindestens teilweise erheblich beeinträchtigen können. (…) Dies kann angesichts der Bedeutung, die gerade Zuwiderhandlungen in diesem Bereich für das Unfallgeschehen haben, nicht hingenommen werden. (…) Die konkrete Ausgestaltung der Verbotsnorm soll dem Verordnungsgeber überlassen werden, um noch nicht absehbaren technische Entwicklungen zukünftig besser Rechnung tragen zu können (BT-Drucks. 14/4304).
Die daraufhin in § 23 Abs. 1b StVO aufgenommene Regelung soll deshalb auch nach der amtlichen Begründung des Verordnungsgesetzgebers zur Sicherung einer erfolgreichen Bekämpfung von Geschwindigkeitsverstößen und anderen Verkehrszuwiderhandlungen beitragen. Die Regelung soll verhindern, dass sich Kraftfahrer durch technische Vorkehrungen im Kraftfahrzeug Maßnahmen der Verkehrsüberwachung entziehen können. Hierzu heißt es in der amtlichen Begründung: „Nicht nur einzelne technische Geräte wie die derzeit am meisten verbreiteten Radarwarngeräte und Laserstörgeräte werden von dem Verbot erfasst, sondern auch andere technische Lösungen, die einen vergleichbaren Effekt erreichen. Das gilt insbesondere für die Verknüpfung der Warnung vor stationären Überwachungsanlagen mit modernen Zielführungssystemen; die entsprechenden Geräte geben die Warnung ebenfalls automatisiert und ortsbezogen ab. Die Vorschrift lässt es im Interesse der Prävention genügen, wenn das Gerät aus Sicht des Kraftfahrers zur Warnung oder Störung bestimmt ist. Auf die konkrete Eignung der Geräte, wirksam vor Kontrollen zu warnen, kommt es nicht an. Würde das Verbot solche Geräte untersagen, die zur Warnung oder Störung geeignet sind, so wären Polizei und Behörden mit dem Nachweis überfordert. Nicht erfasst werden übliche Rundfunkgeräte, bei denen es sich zwar um technische Geräte handelt, mit denen Informationen über Standorte von Überwachungsanlagen entgegengenommen werden können, die hierfür aber nicht primär bestimmt sind. Anders verhält es sich bei Geräten, die zwar verschiedene Funktionen kombinieren (z.B. Zielführung und Warnfunktion), bei denen aber mindestens eine Komponente speziell der Warnfunktion dient. Im Interesse des Vollzugs wird neben dem tatsächlichen Betreiben auch das betriebsbereite Mitsichführen untersagt. Anderenfalls müsste für den Nachweis eines Verstoßes in jedem Einzelfall belegt werden, dass das Gerät tatsächlich betrieben worden ist; dies wäre nicht praktikabel.(..) Satz 2 beschränkt nicht den Umfang der Regelung auf die dort genannten Geräte, sondern dient der Verdeutlichung und dem Verständnis“ (Begr. zur 35. ÄndVVStVR v. 14.12.2001, VkBl. 2002, 142 ff., vgl. auch Hentschel/König/Dauer/König, 43. Aufl., § 23 StPO, Rn. 5/6).
Danach ist der subjektiv-historische Wille des Gesetz- und Verordnungsgebers klar in den amtlichen Begründungen zum Ausdruck gekommen. Die teleologische Auslegung gebietet es damit auch, den Begriff der technischen Geräte, die unter das Verwendungsverbot des § 23 Abs. 1b Satz 1 StVO fallen, weit zu verstehen. Es sollen insbesondere auch andere technische Lösungen als die in Satz 2 beispielhaft aufgezählten Radarwarn- und Laserstörgeräte von dem Verbot erfasst werden, wenn diese einen vergleichbaren Effekt erreichen. Die Verwendung von sog. Blitzer-Apps auf Smartphones fällt nach dem Willen des Gesetz- und Verordnungsgeber ebenfalls unter das Verbot.
Im vorliegenden Fall war also nicht der Nachweis erforderlich, dass die von dem Betroffenen betriebsbereit mit sich geführte Blitzer-App tatsächlich einwandfrei funktioniert und Warnungen vor Geschwindigkeitsmessungen angezeigt hat. Die dahingehende Behauptung des Betroffenen in der Hauptverhandlung hatte deshalb aus rechtlichen Gründen für die Entscheidung keine Bedeutung. Der Beweisantrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zu dieser Frage hätte aus diesem Grund ebenfalls abgelehnt werden können.
(3)
Soweit der Rechtsbeschwerdeführer geltend macht, Mobiltelefone seien abschließend von § 23 Abs. 1a StVO erfasst und könnten deshalb nicht der Regelung des § 23 Abs. 1b Satz 1 StVO unterfallen, verfängt dieser Vortrag ebenfalls nicht. Insoweit hat das Amtsgericht zutreffend ausgeführt, dass beide Absätze eine unterschiedliche Zielsetzung verfolgen. Das sog. Handyverbot des Absatzes 1a will eine Gefährdung des Straßenverkehrs durch Ablenkung des Fahrers bei Bedienen eines Mobiltelefons verhindern. Das Verbot des Absatzes 1b schützt dagegen den Straßenverkehr vor Geschwindigkeitsüberschreitungen. Vor diesem Hintergrund regelt der Absatz 1a keinen die Anwendung des Absatzes 1b ausschließenden Spezialfall.
(4)
Die im Beschlusstenor vorgenommene Schuldspruchberichtigung beruht darauf, dass der Betroffene nach den getroffenen Feststellungen den Tatbestand der Verkehrsordnungswidrigkeit nach § 24 StVG, § 49 Abs. 1 Nr. 22 StVO i. V. m. § 23 Abs. 1b Satz 1 StVO vorsätzlich (und nicht – wie vom Amtsgericht angenommen – lediglich fahrlässig) verwirklicht hat. Vorsätzlich im Sinne des § 10 OWiG handelt, wer die Tatbestandsverwirklichung in Kenntnis aller Tatbestandsmerkmale zumindest als möglich erkennt und billigend in Kauf nimmt. Der Betroffene hat alle zum gesetzlichen Tatbestand gehörenden Umstände zumindest als möglich erkannt. Insbesondere wusste er, dass er sein Smartphone mit der eingeschalteten Blitzer-App betriebsbereit mit sich führte. Der Senat konnte durch die Verweisung in den Urteilsgründen die genannten Lichtbilder in Augenschein nehmen. Danach war das relativ große Smartphone gut sichtbar nahezu mittig am Armaturenbrett direkt neben den Lüftungsschlitzen angebracht. Der Bildschirm zeigte das markante und auffällige Zeichen der Blitzer-App. Hierbei handelte es sich um einen großen Kreis mit drei Pfeilen in der Mitte. Bei dieser Sachlage musste dem Betroffenen als Fahrzeugführer das Mitsichführen des Smartphones mit der aufgerufenen Blitzer-App während der Fahrt bewusst gewesen sein. Der Senat war nicht gehindert, den Schuldspruch zu Ungunsten des Betroffenen zu ändern. Bei Schuldspruchänderungen durch das Rechtsbeschwerdegericht findet das Verbot der reformatio in peius keine Anwendung. Das Verschlechterungsverbot gilt nur für die Rechtsfolgen der Tat, nicht aber für den Schuldspruch (OLG Celle, Beschl. v. 9.8.2011, 322 SsBs 245/11; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 331, Rn.8).
c)
Die Rechtsfolgenentscheidung des Amtsgerichts enthält ebenfalls keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen.
Das Amtsgericht hat der Bemessung der Regelbuße zu Recht die lfd. Nr. 247 Abschnitt II BKatV zugrunde gelegt. Danach beträgt der Regelsatz für das beim Führen eines Kraftfahrzeuges vorsätzlich verbotswidrige Betreiben oder betriebsbereite Mitsichführen eines technischen Gerätes zur Feststellung von Verkehrsüberwachungsmaßnahmen gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 22 i. V. m. § 23 Abs. 1b StVO grundsätzlich 75 Euro.
Soweit das Amtsgericht keine Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen getroffen hat, ist dies nicht zu beanstanden. Nach § 17 Abs. 3 Satz 2 1. Halbsatz OWiG kommen die wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters bei der Zumessung der Geldbuße in Betracht. Bei geringfügigen Ordnungswidrigkeiten bleiben sie jedoch nach § 17 Abs. 3 Satz 2 2. Halbsatz OWiG in der Regel unberücksichtigt, zumal dann, wenn eine Geldbuße in Höhe des Regelsatzes nach der Bußgeldkatalogverordnung verhängt wurde (vgl. Senat DAR 2015, 101 m. w. Nachw.).
Der Senat hat die Rechtsbeschwerde aus diesen Gründen gemäß § 79 Abs. 5 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 OWiG i. V. m. § 349 Abs. 2 StPO als offensichtlich unbegründet verworfen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 473 Abs. 1 StPO, 46 Abs. 1 OWiG.
Auf die Entscheidung hingewiesen hat der Kollege Burhoff (hier).