FG Saarbrücken, Urteil vom 09.10.2015, Az. 2 K 1323/15 – nicht rechtskräftig
§ 64 Abs. 1 FGO, § 47 Abs. 1 FGO, § 52a FGO
Die Entscheidung des FG Saarbrücken finden Sie im Folgenden als Volltext. Eine Zusammenfassung der Entscheidung finden Sie dagegen hier.
Finanzgericht Saarbrücken
Beschluss
…
Es wird festgestellt, dass die Klage zulässig ist.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger ist verheiratet und erzielt Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Nach vorausgegangenem Schätzbescheid reichten der Kläger und seine Ehefrau ihre Einkommensteuererklärung für 2005 ein. Der Beklagte erließ daraufhin am 2. Januar 2014 einen Änderungsbescheid. In diesem erkannte er verschiedene vom Kläger geltend gemachte Aufwendungen nicht an. Den hiergegen eingelegten Einspruch wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 22. Juli 2015 als unbegründet zurück (Bl. 2 ff).
Am 25. August 2015 sandte der Kläger eine E-Mail an das Finanzgericht (poststelle@fg.justiz.saarland.de). Im Anhang dieser E-Mail befanden sich mehrere Bilddateien im „jpg“-Format, wovon eine (KL1 001.jpg) die vom Kläger unterschriebene und sodann eingescannte Klage gegen den Einkommensteuerbescheid für 2005 enthielt. Der E-Mail-Anhang, welcher zusammen mit der E-Mail um 23:43 Uhr auf dem E-Mailserver des Finanzgerichts einging, wurde am 26. August 2015 in der Geschäftsstelle des Finanzgerichts ausgedruckt. Die E-Mail-Adresse des Finanzgerichts ist auf der Homepage des Finanzgerichts zusammen mit dem Hinweis veröffentlicht, dass die Homepage – zumindest derzeit – nicht dazu gedacht sei, Klagen, Schriftsätze o.ä. an das Finanzgericht zu leiten. Hierzu seien die rechtlichen Voraussetzungen noch nicht geschaffen. Mit der Eingangsverfügung des Senatsvorsitzenden vom 28. August 2015 wurde der Kläger darauf hingewiesen, dass bei einer Klageerhebung per E-Mail § 52a FGO zur Anwendung käme und diese nur unter den dort genannten Voraussetzungen möglich sei. Da die hiernach erforderliche Zulassung durch Rechtsverordnung (noch) nicht erfolgt sei, wurde um Stellungnahme zur Zulässigkeit der Klage gebeten.
Am 25. September 2015 hat der Kläger sinngemäß beantragt (Bl. 25),
festzustellen, dass die Klage zulässig ist.
Er ist der Ansicht, dass die Klageerhebung nicht per E-Mail erfolgt sei, da das Gericht im E-Mail-Anhang eine Kopie der handschriftlich unterschriebene Klage erhalten habe. Diese Form sei der Übertragung per Telefax gleichgestellt. Die E-Mail-Adresse sei ihm von der Staatskanzlei mitgeteilt worden, so dass er davon ausgegangen sei, diese auch verwenden zu können. Zudem sei in der Rechtsbehelfsbelehrung der Einspruchsentscheidung nicht darauf hingewiesen worden, dass die Klage ausschließlich über die angegebene Postanschrift oder per Telefax eingereicht werden könne (Bl. 25).
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingereicht. Der per E-Mail übermittelte Schriftsatz des Klägers vom 24. August 2015, welcher von der Geschäftsstelle des Gerichts am 26. August 2015 ausgedruckt wurde, genügt dem Schriftformerfordernis des § 64 Abs. 1 FGO und hat die Klagefrist des § 47 Abs. 1 FGO gewahrt.
1.
Erst der vollständige Ausdruck des E-Mail-Anhangs mit der Bezeichnung „KL1 001.jpg“ (Klageerhebung) am 26. August 2015 und nicht schon der Eingang der E-Mail am 25. August 2015 um 23:43 Uhr bewirkte eine formwirksame Klageerhebung. Denn die E-Mail stellt ein elektronisches Dokument dar, für welches § 52a FGO u. a. bestimmt, dass ein solches „nur“ dann (wirksam) übermittelt werden kann, wenn dies für den jeweiligen Zuständigkeitsbereich durch Rechtsverordnung der Bundesregierung oder Landesregierung zugelassen wurde. Eine solche Rechtsverordnung ist für den Zuständigkeitsbereich dieses Gerichts (noch) nicht geschaffen. Die Klage war daher nicht gemäß § 52a Abs. 2 FGO zu dem Zeitpunkt eingegangen, als es von der für den Empfang bestimmten Einrichtung – dem Server mit dem eingerichteten E-Mail-Postfach – aufgezeichnet worden ist. Der in der Geschäftsstelle des Gerichts erzeugte Ausdruck des E-Mail-Anhangs genügte jedoch dem Schriftformerfordernis des § 64 Abs. 1 FGO (vgl. auch LSG Sachsen-Anhalt vom 18. Januar 2011 L 5 AS 433/10 B, juris). Dieser verkörpert die Klageerhebung, schließt mit einer Unterschrift ab und unterscheidet sich insofern nicht von einem Telefax. Beim Telefax ist allein die auf Veranlassung des Absenders am Empfangsort erstellte körperliche Urkunde maßgeblich, auch wenn das Telefax zunächst im Empfangsgerät elektronisch gespeichert wurde (BGH vom 15. Juli 2008 X ZB 8/08, NJW 2008, 2649). Dass es sich bei der Unterschrift nicht um die Originalunterschrift, sondern lediglich um eine Kopie davon handelt, ist unerheblich. Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat bereits unter Hinweis auf Sinn und Zweck des Schriftformerfordernisses im Prozessrecht in erheblichem Umfang Ausnahmen zugelassen und Klageerhebungen mittels Telegramm, Telefax oder eines elektronischen Dokuments mit eingescannter Unterschrift auf ein Faxgerät des Gerichts als mit dem Schriftformerfordernis vereinbar anerkannt (GmS-OGB vom 5. April 2000 1/98, BGHZ 144, 160 m. w. N.). Zwar lässt die finanzgerichtliche Rechtsprechung eine eingescannte Unterschrift nur für den Fall der Übermittlung durch einen Telefaxdienst ausdrücklich zu (BFH vom 22. Juni 2010 VIII R 38/08, BStBl II 2010, 1017); nimmt das Gericht indessen einen auf andere Weise elektronisch übermittelten Schriftsatz entgegen, würde es den Zugang zu den Gerichten in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht zu rechtfertigender Weise hindern, wenn die eingescannte Unterschrift in diesem Fall nicht für genügend erachtet würde (BGH vom 15. Juli 2008 X ZB 8/08, NJW 2008, 2649). Insbesondere kommt es damit nicht zu einer Aushöhlung des § 52a FGO. Denn solange die E-Mail-Übermittlung nicht durch Rechtsverordnung zugelassen ist, ist das Gericht nicht verpflichtet, elektronische Dokumente entgegenzunehmen. Das Gericht hat hierfür keine E-Mail-Adresse zur Verfügung gestellt (Hinweis auf der Homepage) und die Klageschrift auch nicht als elektronisches Dokument entgegengenommen. Mit der Einrichtung einer E-Mail-Adresse hat das Gericht aber eine Möglichkeit geschaffen, die – elektronisch übermittelte – Klageerhebung in schriftlicher Form einzureichen (BGH vom 15. Juli 2008 X ZB 8/08, NJW 2008, 2649). Anders als beim Telefax, bei dem der Übermittler davon ausgehen kann, dass die körperliche Urkunde unmittelbar bei oder nach der Übermittlung dem Gericht auch tatsächlich vorliegt, trägt der Absender bei der E-Mail-Übermittlung allerdings das Risiko dafür, dass die Urkunde fristgerecht ausgedruckt wird, denn allein die Aufzeichnung des E-Mail-Eingangs auf dem Server des Gerichts stellt noch keine wirksame Klageerhebung dar, wenn die Voraussetzungen des § 52a FGO nicht erfüllt sind.
2.
Die am 26. August 2015 eingegangene Klageschrift erfolgte innerhalb der Monatsfrist des § 47 Abs. 1 FGO. Die Einspruchsentscheidung datiert auf den 22. Juli 2015. Bei (unterstellter frühestmöglicher) Absendung am 22. Juli 2015 wäre nach §§ 122 Abs. 2 Nr. 1, 108 Abs. 1 und Abs. 3 AO i. V. m. §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 1 BGB die Bekanntgabe am Montag, den 27. Juli 2015, erfolgt. Die Monatsfrist des § 47 Abs. 1 FGO endete daher gemäß § 54 FGO i. V. m. § 222 Abs. 1 ZPO und §§ 187 Abs.1, 188 Abs. 1 BGB nicht vor Ablauf des 27. August 2015.
3.
Die Revision war gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtsfrage zuzulassen, ob ein per E-Mail übermittelter Datensatz, der im Anhang eine „unterzeichnete“ Klageschrift im „jpg“-Format enthält, dem Schriftformerfordernis des § 64 Abs. 1 FGO genügt oder ob die Wirksamkeit der Klageerhebung vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 52a FGO abhängig ist.