EuGH, Urteil vom 08.09.2016, Az. C-160/15
Art. 3 Abs. 1 EU-RL 2001/29/EG
Die Entscheidung des EuGH haben wir hier (EuGH – Verlinkung von rechtswidrigen Inhalten als öffentliche Wiedergabe) zusammengefasst und im Folgenden im Volltext wiedergegeben:
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Urteil des Gerichtshofs (Zweite Kammer)
In der Rechtssache C‑160/15
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Hoge Raad der Nederlanden (Oberster Gerichtshof der Niederlande) mit Entscheidung vom 3. April 2015, beim Gerichtshof eingegangen am 7. April 2015, in dem Verfahren
GS Media BV
gegen
Sanoma Media Netherlands BV,
Playboy Enterprises International Inc.,
Britt Geertruida Dekker
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung ..
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 3. Februar 2016,
unter Berücksichtigung der Erklärungen …
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 7. April 2016
folgendes
Urteil
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (ABl. 2001, L 167, S. 10, mit Berichtigung in ABl. 2002, L 6, S. 71).
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der GS Media BV auf der einen Seite und der Sanoma Media Netherlands BV (im Folgenden: Sanoma), der Playboy Enterprises International Inc. sowie Frau Britt Geertruida Dekker (im Folgenden zusammen: Sanoma u. a.) auf der anderen Seite insbesondere über das Setzen elektronischer Verweise (Hyperlinks) auf die von GS Media betriebene Website GeenStijl.nl (im Folgenden: Website GeenStijl) zu anderen Websites, die den Zugang zu für die Zeitschrift Playboy aufgenommenen Fotos von Frau Dekker (im Folgenden: in Rede stehende Fotos) ermöglichten.
Rechtlicher Rahmen
In den Erwägungsgründen 3, 4, 9, 10, 23 und 31 der Richtlinie 2001/29 heißt es:
„(3) Die vorgeschlagene Harmonisierung trägt zur Verwirklichung der vier Freiheiten des Binnenmarkts bei und steht im Zusammenhang mit der Beachtung der tragenden Grundsätze des Rechts, insbesondere des Eigentums einschließlich des geistigen Eigentums, der freien Meinungsäußerung und des Gemeinwohls.
(4) Ein harmonisierter Rechtsrahmen zum Schutz des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte wird durch erhöhte Rechtssicherheit und durch die Wahrung eines hohen Schutzniveaus im Bereich des geistigen Eigentums substanzielle Investitionen in Kreativität und Innovation einschließlich der Netzinfrastruktur fördern und somit zu Wachstum und erhöhter Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie beitragen, und zwar sowohl bei den Inhalten und der Informationstechnologie als auch allgemeiner in weiten Teilen der Industrie und des Kultursektors. …
…
(9) Jede Harmonisierung des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte muss von einem hohen Schutzniveau ausgehen, da diese Rechte für das geistige Schaffen wesentlich sind. Ihr Schutz trägt dazu bei, die Erhaltung und Entwicklung kreativer Tätigkeit im Interesse der Urheber, ausübenden Künstler, Hersteller, Verbraucher, von Kultur und Wirtschaft sowie der breiten Öffentlichkeit sicherzustellen. …
(10) Wenn Urheber und ausübende Künstler weiter schöpferisch und künstlerisch tätig sein sollen, müssen sie für die Nutzung ihrer Werke eine angemessene Vergütung erhalten, was ebenso für die Produzenten gilt, damit diese die Werke finanzieren können. … Nur wenn die Rechte des geistigen Eigentums angemessen geschützt werden, kann eine angemessene Vergütung der Rechtsinhaber gewährleistet und ein zufrieden stellender Ertrag dieser Investitionen sichergestellt werden.
…
(23) Mit dieser Richtlinie sollte das für die öffentliche Wiedergabe geltende Urheberrecht weiter harmonisiert werden. Dieses Recht sollte im weiten Sinne verstanden werden, nämlich dahin gehend, dass es jegliche Wiedergabe an die Öffentlichkeit umfasst, die an dem Ort, an dem die Wiedergabe ihren Ursprung nimmt, nicht anwesend ist. …
…
(31) Es muss ein angemessener Rechts- und Interessenausgleich zwischen den verschiedenen Kategorien von Rechtsinhabern sowie zwischen den verschiedenen Kategorien von Rechtsinhabern und Nutzern von Schutzgegenständen gesichert werden. Die von den Mitgliedstaaten festgelegten Ausnahmen und Beschränkungen in Bezug auf Schutzrechte müssen vor dem Hintergrund der neuen elektronischen Medien neu bewertet werden. …“
Art. 3 dieser Richtlinie bestimmt:
„(1) Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass den Urhebern das ausschließliche Recht zusteht, die drahtgebundene oder drahtlose öffentliche Wiedergabe ihrer Werke einschließlich der öffentlichen Zugänglichmachung der Werke in der Weise, dass sie Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich sind, zu erlauben oder zu verbieten.
…
(3) Die in den Absätzen 1 und 2 bezeichneten Rechte erschöpfen sich nicht mit den in diesem Artikel genannten Handlungen der öffentlichen Wiedergabe oder der Zugänglichmachung für die Öffentlichkeit.“
Art. 5 Abs. 3 und 5 der Richtlinie bestimmt:
„(3) Die Mitgliedstaaten können in den folgenden Fällen Ausnahmen oder Beschränkungen in Bezug auf die in den Artikeln 2 und 3 vorgesehenen Rechte vorsehen:
…
c) für die Vervielfältigung durch die Presse, die öffentliche Wiedergabe oder die Zugänglichmachung von veröffentlichten Artikeln zu Tagesfragen wirtschaftlicher, politischer oder religiöser Natur oder von gesendeten Werken oder sonstigen Schutzgegenständen dieser Art, sofern eine solche Nutzung nicht ausdrücklich vorbehalten ist und sofern die Quelle, einschließlich des Namens des Urhebers, angegeben wird, oder die Nutzung von Werken oder sonstigen Schutzgegenständen in Verbindung mit der Berichterstattung über Tagesereignisse, soweit es der Informationszweck rechtfertigt und sofern – außer in Fällen, in denen sich dies als unmöglich erweist – die Quelle, einschließlich des Namens des Urhebers, angegeben wird;
…
(5) Die in den Absätzen 1, 2, 3 und 4 genannten Ausnahmen und Beschränkungen dürfen nur in bestimmten Sonderfällen angewandt werden, in denen die normale Verwertung des Werks oder des sonstigen Schutzgegenstands nicht beeinträchtigt wird und die berechtigten Interessen des Rechtsinhabers nicht ungebührlich verletzt werden.“
Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
Am 13. und 14. Oktober 2011 erstellte der Fotograf C. Hermès im Auftrag von Sanoma, der Verlegerin der Zeitschrift Playboy, die in Rede stehenden Fotos, die in der Dezemberausgabe 2011 dieser Zeitschrift erscheinen sollten. Herr Hermès erteilte Sanoma in diesem Zusammenhang exklusiv die Erlaubnis, die Fotos dort zu veröffentlichen. Er ermächtigte Sanoma auch zur Durchsetzung seiner urheberrechtlichen Ansprüche und Befugnisse.
GS Media betreibt die Website GeenStijl, die, wie es dort heißt, „Nachrichten, Skandalenthüllungen und journalistische Recherche mit lockeren Themen und angenehm verrücktem Unsinn“ enthält und täglich von mehr als 230 000 Besuchern eingesehen wird, womit sie zu den zehn meistbesuchten Nachrichten-Websites der Niederlande gehört.
Am 26. Oktober 2011 erhielt die Redaktion von GeenStijl von einer Person, die einen Decknamen verwendete, eine Nachricht mit einem Hyperlink zu einer elektronischen Datei auf der australischen Website Filefactory.com (im Folgenden: Website Filefactory), die der Datenspeicherung dient. Diese elektronische Datei enthielt die in Rede stehenden Fotos.
Am selben Tag forderte Sanoma die Muttergesellschaft von GS Media auf, die Verbreitung der in Rede stehenden Fotos auf der Website GeenStijl zu verhindern.
Am 27. Oktober 2011 wurde unter der Überschrift „…! Nacktfotos von [Frau] Dekker“ auf der Website GeenStijl ein Artikel über diese Fotos von Frau Dekker veröffentlicht, der seitlich einen Ausschnitt eines der in Rede stehenden Fotos enthielt und mit folgendem Text endete: „Und jetzt also der Link zu den Bildern, auf die Sie gewartet haben.“ Mittels eines Klicks auf einen Hyperlink wurden die Nutzer auf die Website Filefactory weitergeleitet, auf der ein anderer Hyperlink ihnen ermöglichte, elf Dateien mit je einem dieser Fotos herunterzuladen.
Am selben Tag sandte Sanoma der Muttergesellschaft von GS Media eine E‑Mail, worin diese aufgefordert wurde, zu bestätigen, dass der Hyperlink zu den in Rede stehenden Fotos von der Website GeenStijl entfernt worden sei. GS Media kam dieser Aufforderung nicht nach.
Dagegen wurden die in Rede stehenden Fotos auf der Website Filefactory auf Aufforderung von Sanoma entfernt.
Mit Schreiben vom 7. November 2011 forderte ein Rechtsanwalt, der Sanoma u. a. vertrat, GS Media auf, den Artikel vom 27. Oktober 2011 einschließlich des Hyperlinks, der darin enthaltenen Fotos und der auf derselben Seite dieser Website veröffentlichten Kommentare der Internetnutzer von der Website GeenStijl zu entfernen.
Am selben Tag wurde auf der Website GeenStijl ein Bericht über den Rechtsstreit zwischen GS Media und Sanoma u. a. über die in Rede stehenden Fotos veröffentlicht. Dieser endete mit folgendem Satz: „Update: [Dekker]-Nacktbilder noch nicht gesehen? Sie sind HIERRR“. Diese Ankündigung war wiederum mit einem Hyperlink versehen, der den Zugang zur Website Imageshack.us ermöglichte, auf der eines oder mehrere der in Rede stehenden Fotos zu sehen waren. Auch der Betreiber dieser Website wurde daraufhin jedoch von Sanoma aufgefordert, die Fotos zu entfernen.
Ein dritter Bericht, der mit „Bye Bye, adieu Playboy“ überschrieben war und wiederum einen Hyperlink zu den in Rede stehenden Fotos enthielt, erschien am 17. November 2011 auf der Website GeenStijl. Im Forum dieser Website setzten ihre Internetnutzer weitere Links zu anderen Websites, auf denen die in Rede stehenden Fotos zu sehen waren.
Im Dezember 2011 wurden die in Rede stehenden Fotos in der Zeitschrift Playboy veröffentlicht.
Sanoma u. a. erhoben Klage bei der Rechtbank Amsterdam (Bezirksgericht Amsterdam, Niederlande), die sie u. a. damit begründeten, dass GS Media durch das Setzen der Hyperlinks und das Einstellen eines Ausschnitts eines der in Rede stehenden Fotos auf der Website GeenStijl gegen das Urheberrecht von Herrn Hermès verstoßen und Sanoma u. a. in ihren Rechten verletzt habe. Die Rechtbank Amsterdam (Bezirksgericht Amsterdam) gab der Klage weitgehend statt.
Der Gerechtshof Amsterdam (Berufungsgericht Amsterdam, Niederlande) hob diese Entscheidung mit der Begründung auf, dass GS Media durch das Setzen der Hyperlinks auf der Website GeenStijl nicht das Urheberrecht von Herrn Hermès verletzt habe, da die in Rede stehenden Fotos durch das Einstellen auf der Website Filefactory schon vorher veröffentlicht worden seien. Jedoch habe GS Media durch das Setzen dieser Hyperlinks Sanoma u. a. in ihren Rechten verletzt, da die Besucher dieser Site aufgefordert worden seien, von den in Rede stehenden Fotos, die unbefugt auf die Website Filefactory gesetzt worden seien, Kenntnis zu nehmen. Ohne diese Links wären diese Fotos nicht leicht zu finden gewesen. Darüber hinaus hat der Gerechtshof Amsterdam (Berufungsgericht Amsterdam) befunden, dass GS Media mit der Veröffentlichung eines Ausschnitts eines der in Rede stehenden Fotos auf der Website GeenStijl in das Urheberrecht von Herrn Hermès eingegriffen habe.
GS Media legte gegen dieses Urteil Kassationsbeschwerde beim Hoge Raad der Nederlanden (Oberster Gerichtshof der Niederlande) ein.
Sanoma u. a. legten Anschlusskassationsbeschwerde ein, in deren Rahmen sie unter Berufung u. a. auf das Urteil vom 13. Februar 2014, Svensson u. a. (C‑466/12, EU:C:2014:76), geltend machten, dass der Umstand, dass den Internetnutzern ein Hyperlink zu einer Website bereitgestellt werde, auf die ein Werk ohne Zustimmung des Urheberrechtsinhabers gestellt worden sei, eine öffentliche Wiedergabe darstelle. Darüber hinaus sei der Zugang zu den in Rede stehenden Fotos auf der Website Filefactory durch beschränkende Maßnahmen im Sinne dieses Urteils geschützt worden, die die Internetnutzer mit Hilfe des Eingreifens von GS Media und deren Website GeenStijl hätten umgehen können, so dass diese Fotos einem größeren Publikum zugänglich gemacht worden seien als dem Publikum, das normalerweise Zugang zu den Fotos auf der Website Filefactory gehabt hätte.
Im Rahmen der Prüfung dieser Anschlusskassationsbeschwerde stellt das vorlegende Gericht fest, dass weder aus dem Urteil vom 13. Februar 2014, Svensson u. a. (C‑466/12, EU:C:2014:76), noch aus dem Beschluss vom 21. Oktober 2014, BestWater (C‑348/13, nicht veröffentlicht, EU:C:2014:2315), mit hinreichender Sicherheit abgeleitet werden könne, ob eine „öffentliche Wiedergabe“ vorliege, wenn das Werk zuvor tatsächlich, aber ohne Zustimmung des Urheberrechtsinhabers veröffentlicht worden sei.
Einerseits liege dieser Rechtsprechung des Gerichtshofs der Gedanke zugrunde, dass zu prüfen sei, ob mit dem betreffenden Eingriff ein Publikum erreicht werde, das nicht von dem Publikum umfasst sei, für das der Rechtsinhaber seine Erlaubnis erteilt habe, was im Einklang mit seinem ausschließlichen Recht stehe, das Werk zu verwerten. Andererseits werde, wenn ein Werk bereits im Internet für die allgemeine Öffentlichkeit auffindbar sei, mit dem Setzen eines Hyperlinks zu dieser Fundstelle tatsächlich kein neues Publikum erreicht. Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass über das Internet sehr viele Werke zu finden seien, die ohne Zustimmung des Rechtsinhabers veröffentlicht worden seien. Für den Betreiber einer Website, der beabsichtige, einen Hyperlink zu einer Fundstelle eines Werks zu setzen, dürfte es nicht immer einfach sein, zu prüfen, ob der Rechtsinhaber dem früheren Einstellen dieses Werks zugestimmt habe.
Das vorlegende Gericht stellt darüber hinaus fest, dass die Kassationsanschlussbeschwerde auch die Frage nach den Voraussetzungen „beschränkender Maßnahmen“ im Sinne des Urteils vom 13. Februar 2014, Svensson u. a. (C‑466/12, EU:C:2014:76), aufwerfe. Es weist insoweit darauf hin, dass die in Rede stehenden Fotos, bevor GS Media den Hyperlink auf die Website GeenStijl gesetzt habe, im Internet nicht unauffindbar, aber nicht leicht auffindbar gewesen seien, so dass das Setzen dieses Links auf ihre Website den Zugang zu diesen Fotos in hohem Maß erleichtert habe.
Unter diesen Umständen hat der Hoge Raad der Nederlanden (Oberster Gerichtshof der Niederlande) das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1.
a) Liegt eine „öffentliche Wiedergabe“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 vor, wenn eine andere Person als der Urheberrechtsinhaber mittels eines Hyperlinks auf einer von ihr betriebenen Website auf eine von einem Dritten betriebene, für das allgemeine Internetpublikum zugängliche Website verweist, auf der das Werk ohne Zustimmung des Rechtsinhabers zugänglich gemacht worden ist?
b) Macht es dabei einen Unterschied, ob das Werk auch anderweitig zuvor nicht mit Zustimmung des Rechtsinhabers öffentlich wiedergegeben wurde?
c) Ist es von Belang, ob der „Hyperlinker“ von der fehlenden Zustimmung des Rechtsinhabers zum Einstellen des Werks auf der in Frage 1 a genannten Website des Dritten und gegebenenfalls dem Umstand, dass das Werk auch anderweitig zuvor nicht mit Zustimmung des Rechtsinhabers öffentlich wiedergegeben wurde, weiß oder wissen muss?
2.
a) Sofern Frage 1 a verneint wird: Liegt in diesem Fall gleichwohl eine öffentliche Wiedergabe vor, oder kann eine solche vorliegen, wenn die Website, auf die der Hyperlink verweist, und damit das Werk, für das allgemeine Internetpublikum auffindbar ist, wenn auch nicht leicht, so dass das Setzen des Hyperlinks das Auffinden des Werks in hohem Maß erleichtert?
b) Ist es bei der Beantwortung von Frage 2 a von Belang, ob der „Hyperlinker“ den Umstand kennt oder kennen muss, dass die Website, auf die der Hyperlink verweist, für das allgemeine Internetpublikum nicht leicht auffindbar ist?
3.
Gibt es andere Umstände, denen bei der Beantwortung der Frage Rechnung zu tragen ist, ob eine öffentliche Wiedergabe vorliegt, wenn mittels eines Hyperlinks Zugang zu einem Werk verschafft wird, das zuvor nicht mit Zustimmung des Rechtsinhabers öffentlich wiedergegeben wurde?
Zu den Vorlagefragen
Mit seinen drei Fragen, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob und unter welchen etwaigen Bedingungen das Setzen eines Hyperlinks auf eine Website zu geschützten Werken, die auf einer anderen Website ohne Erlaubnis des Urheberrechtsinhabers frei zugänglich sind, eine „öffentliche Wiedergabe“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 darstellt.
Das vorlegende Gericht möchte insoweit insbesondere wissen, ob es erheblich ist, dass die in Rede stehenden Werke noch nicht in anderer Weise mit Erlaubnis dieses Rechtsinhabers veröffentlicht worden sind, dass die Bereitstellung dieser Hyperlinks das Auffinden dieser Werke in hohem Maß erleichtert, da die Website, auf der sie für das gesamte Internetpublikum zugänglich sind, nicht leicht auffindbar ist, und dass demjenigen, der diese Links setzt, diese Tatsachen sowie der Umstand, dass der Rechtsinhaber die Veröffentlichung der Werke auf dieser Website nicht erlaubt hatte, bekannt war oder hätte bekannt sein müssen.
Nach Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 haben die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass den Urhebern das ausschließliche Recht zusteht, die drahtgebundene oder drahtlose öffentliche Wiedergabe ihrer Werke einschließlich der öffentlichen Zugänglichmachung der Werke in der Weise, dass sie Mitgliedern der Öffentlichkeit an Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich sind, zu erlauben oder zu verbieten.
Damit verfügen die Urheber nach dieser Bestimmung über ein Recht vorbeugender Art, das es ihnen erlaubt, sich bei Nutzern ihrer Werke vor der öffentlichen Wiedergabe, die diese Nutzer durchzuführen beabsichtigen, einzuschalten, und zwar, um diese zu verbieten (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 15. März 2012, SCF, C‑135/10, EU:C:2012:140, Rn. 75, und vom 31. Mai 2016, Reha Training, C‑117/15, EU:C:2016:379, Rn. 30).
Da in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 der Begriff „öffentliche Wiedergabe“ nicht erläutert wird, sind Sinn und Tragweite dieses Begriffs mit Blick auf die Ziele, die mit dieser Richtlinie verfolgt werden, und den Zusammenhang, in den sich die auszulegende Vorschrift einfügt, zu bestimmen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 7. Dezember 2006, SGAE, C‑306/05, EU:C:2006:764, Rn. 33 und 34, und vom 4. Oktober 2011, Football Association Premier League u. a., C‑403/08 und C‑429/08, EU:C:2011:631, Rn. 184 und 185).
Insoweit ergibt sich aus dem neunten und dem zehnten Erwägungsgrund der Richtlinie 2001/29, dass deren Hauptziel darin besteht, ein hohes Schutzniveau für die Urheber zu erreichen und diesen damit die Möglichkeit zu geben, für die Nutzung ihrer Werke u. a. bei einer öffentlichen Wiedergabe eine angemessene Vergütung zu erhalten. Daher ist der Begriff „öffentliche Wiedergabe“ weit zu verstehen, wie dies im Übrigen auch ausdrücklich aus dem 23. Erwägungsgrund dieser Richtlinie hervorgeht (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 4. Oktober 2011, Football Association Premier League u. a., C‑403/08 und C‑429/08, EU:C:2011:631, Rn. 186, und vom 7. März 2013, ITV Broadcasting u. a., C‑607/11, EU:C:2013:147, Rn. 20).
Gleichzeitig geht aus den Erwägungsgründen 3 und 31 der Richtlinie 2001/29 hervor, dass die durch die Richtlinie bewirkte Harmonisierung insbesondere vor dem Hintergrund der elektronischen Medien einen angemessenen Ausgleich zwischen dem Interesse der Inhaber von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten am Schutz ihres durch Art. 17 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) garantierten Rechts am geistigen Eigentum einerseits und dem Schutz der Interessen und Grundrechte der Nutzer von Schutzgegenständen, insbesondere ihrer durch Art. 11 der Charta garantierten Freiheit der Meinungsäußerung und Informationsfreiheit, sowie dem Gemeinwohl andererseits sichern soll.
So hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass der Begriff „öffentliche Wiedergabe“ zwei kumulative Tatbestandsmerkmale vereint, nämlich eine „Handlung der Wiedergabe“ eines Werks und seine „öffentliche“ Wiedergabe (Urteile vom 13. Februar 2014, Svensson u. a., C‑466/12, EU:C:2014:76, Rn. 16, vom 19. November 2015, SBS Belgium, C‑325/14, EU:C:2015:764, Rn. 15, und vom 31. Mai 2016, Reha Training, C‑117/15, EU:C:2016:379, Rn. 37).
Der Gerichtshof hat ferner festgestellt, dass der Begriff „öffentliche Wiedergabe“ eine individuelle Beurteilung erfordert (vgl. Urteil vom 15. März 2012, Phonographic Performance [Ireland], C‑162/10, EU:C:2012:141, Rn. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung, in Bezug auf den Begriff „öffentliche Wiedergabe“ im Sinne von Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 zum Vermietrecht und Verleihrecht sowie zu bestimmten dem Urheberrecht verwandten Schutzrechten im Bereich des geistigen Eigentums [ABl. 2006, L 376, S. 28], dem in dieser Richtlinie dieselbe Bedeutung zukommt wie in der Richtlinie 2001/29 [vgl. in diesem Sinne Urteil vom 31. Mai 2016, Reha Training, C‑117/15, EU:C:2016:379, Rn. 33]).
Im Rahmen einer derartigen Beurteilung sind eine Reihe weiterer Kriterien zu berücksichtigen, die unselbständig und miteinander verflochten sind. Da diese Kriterien im jeweiligen Einzelfall in sehr unterschiedlichem Maß vorliegen können, sind sie einzeln und in ihrem Zusammenwirken mit den anderen Kriterien anzuwenden (Urteile vom 15. März 2012, SCF, C‑135/10, EU:C:2012:140, Rn. 79, vom 15. März 2012, Phonographic Performance [Ireland], C‑162/10, EU:C:2012:141, Rn. 30, und vom 31. Mai 2016, Reha Training, C‑117/15, EU:C:2016:379, Rn. 35).
Unter diesen Kriterien hat der Gerichtshof als Erstes die zentrale Rolle des Nutzers und der Vorsätzlichkeit seines Handelns hervorgehoben. Dieser Nutzer nimmt nämlich eine Wiedergabe vor, wenn er in voller Kenntnis der Folgen seines Verhaltens tätig wird, um seinen Kunden Zugang zu einem geschützten Werk zu verschaffen, und zwar insbesondere dann, wenn ohne dieses Tätigwerden die Kunden das ausgestrahlte Werk grundsätzlich nicht empfangen könnten (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 15. März 2012, SCF, C‑135/10, EU:C:2012:140, Rn. 82 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 15. März 2012, Phonographic Performance [Ireland], C‑162/10, EU:C:2012:141, Rn. 31).
Als Zweites hat er festgestellt, dass „Öffentlichkeit“ begrifflich eine unbestimmte Zahl potenzieller Leistungsempfänger bedeutet und ferner aus recht vielen Personen bestehen muss (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 15. März 2012, SCF, C‑135/10, EU:C:2012:140, Rn. 84 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 15. März 2012, Phonographic Performance [Ireland], C‑162/10, EU:C:2012:141, Rn. 33).
Darüber hinaus ist es nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs für eine Einstufung als „öffentliche Wiedergabe“ erforderlich, dass ein geschütztes Werk unter Verwendung eines technischen Verfahrens, das sich von dem bisher verwendeten unterscheidet, oder, ansonsten, für ein neues Publikum wiedergegeben wird, d. h. für ein Publikum, an das die Inhaber des Urheberrechts nicht gedacht hatten, als sie die ursprüngliche öffentliche Wiedergabe erlaubten (Urteil vom 13. Februar 2014, Svensson u. a., C‑466/12, EU:C:2014:76, Rn. 24, und Beschluss vom 21. Oktober 2014, BestWater International, C‑348/13, nicht veröffentlicht, EU:C:2014:2315, Rn. 14 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Als Drittes hat der Gerichtshof entschieden, dass es nicht unerheblich ist, ob eine öffentliche Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 Erwerbszwecken dient (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 4. Oktober 2011, Football Association Premier League u. a., C‑403/08 und C‑429/08, EU:C:2011:631, Rn. 204, vom 15. März 2012, SCF, C‑135/10, EU:C:2012:140, Rn. 88, und vom 15. März 2012, Phonographic Performance [Ireland], C‑162/10, EU:C:2012:141, Rn. 36).
Anhand insbesondere dieser Kriterien ist zu prüfen, ob in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens das Setzen eines Hyperlinks auf eine Website zu geschützten Werken, die auf einer anderen Website ohne Erlaubnis des Inhabers des Urheberrechts frei zugänglich sind, eine „öffentliche Wiedergabe“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 darstellt.
Insoweit ist festzustellen, dass der Gerichtshof im Urteil vom 13. Februar 2014, Svensson u. a. (C‑466/12, EU:C:2014:76), Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 dahin ausgelegt hat, dass das Setzen von Hyperlinks auf eine Website zu Werken, die auf einer anderen Website frei zugänglich sind, keine „öffentliche Wiedergabe“ im Sinne dieser Bestimmung darstellt. Die gleiche Auslegung wurde auch im Beschluss vom 21. Oktober 2014, BestWater International (C‑348/13, nicht veröffentlicht, EU:C:2014:2315), für ein solches Verlinken unter Verwendung der Framing-Technik vorgenommen.
Aus der Begründung dieser Entscheidungen geht jedoch hervor, dass sich der Gerichtshof darin nur zum Setzen eines Hyperlinks zu Werken äußern wollte, die auf einer anderen Website mit Erlaubnis des Rechtsinhabers frei zugänglich gemacht worden waren. Denn in diesen Entscheidungen verneinte der Gerichtshof das Vorliegen einer öffentlichen Wiedergabe deshalb, weil die fragliche Wiedergabe nicht für ein neues Publikum erfolgt war.
In diesem Zusammenhang hat der Gerichtshof festgestellt, dass ein solcher Hyperlink, da er und die Website, auf die er verweist, nach demselben technischen Verfahren, nämlich im Internet, Zugang zu dem geschützten Werk verschaffen, an ein neues Publikum gerichtet sein muss. Ist dies nicht der Fall, insbesondere weil das Werk bereits auf einer anderen Website mit Erlaubnis der Urheberrechtsinhaber für alle Internetnutzer frei zugänglich ist, kann die betreffende Handlung nicht als „öffentliche Wiedergabe“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 eingestuft werden. Denn sofern und soweit dieses Werk auf der Website, auf die durch den Hyperlink zugegriffen werden kann, frei zugänglich ist, ist davon auszugehen, dass die Inhaber des Urheberrechts, als sie diese Wiedergabe erlaubt haben, an alle Internetnutzer als Publikum gedacht haben (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. Februar 2014, Svensson u. a., C‑466/12, EU:C:2014:76, Rn. 24 bis 28, sowie Beschluss vom 21. Oktober 2014, BestWater International, C‑348/13, nicht veröffentlicht, EU:C:2014:2315, Rn. 15, 16 und 18).
Daher kann weder aus dem Urteil vom 13. Februar 2014, Svensson u. a. (C‑466/12, EU:C:2014:76), noch aus dem Beschluss vom 21. Oktober 2014, BestWater International (C‑348/13, nicht veröffentlicht, EU:C:2014:2315), abgeleitet werden, dass das Setzen von Hyperlinks auf eine Website zu geschützten Werken, die auf einer anderen Website frei zugänglich gemacht wurden, aber ohne dass hierfür die Erlaubnis des Urheberrechtsinhabers vorlag, grundsätzlich nicht unter den Begriff „öffentliche Wiedergabe“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 fällt. Diese Entscheidungen bestätigen vielmehr die Bedeutung einer solchen Erlaubnis in Anbetracht dieser Bestimmung, die gerade vorsieht, dass jede Handlung der öffentlichen Wiedergabe eines Werks von dem Urheberrechtsinhaber erlaubt werden muss.
GS Media, die deutsche, die portugiesische und die slowakische Regierung sowie die Europäische Kommission machen jedoch geltend, dass es eine erhebliche Einschränkung der Freiheit der Meinungsäußerung und der Informationsfreiheit bedeutete und dem angemessenen Ausgleich, den die Richtlinie 2001/29 zwischen diesen Freiheiten und dem Gemeinwohl einerseits und dem Interesse der Urheberrechtsinhaber an einem wirksamen Schutz ihres geistigen Eigentums andererseits herstellen solle, nicht entspräche, wenn jedes Setzen solcher Links zu Werken, die auf anderen Websites veröffentlicht sind, als „öffentliche Wiedergabe“ eingestuft würde, sobald die Inhaber der Urheberrechte an diesen Werken diese Veröffentlichung im Internet nicht erlaubt hätten.
Insoweit ist festzustellen, dass das Internet für die durch Art. 11 der Charta gewährleistete Freiheit der Meinungsäußerung und Informationsfreiheit tatsächlich von besonderer Bedeutung ist und dass Hyperlinks zu seinem guten Funktionieren und zum Meinungs‑ und Informationsaustausch in diesem Netz beitragen, das sich durch die Verfügbarkeit immenser Informationsmengen auszeichnet.
Darüber hinaus kann es sich insbesondere für Einzelpersonen, die solche Links setzen wollen, als schwierig erweisen, zu überprüfen, ob die Website, zu der diese Links führen sollen, Zugang zu geschützten Werken geben, und gegebenenfalls, ob die Inhaber der Urheberrechte an diesen Werken deren Veröffentlichung im Internet erlaubt haben. Dies ist erst recht dann schwer zu ermitteln, wenn für diese Rechte Unterlizenzen erteilt worden sind. Ferner kann der Inhalt einer Website, zu der ein Hyperlink Zugang gibt, nach der Platzierung des Links unter Aufnahme geschützter Werke geändert werden, ohne dass sich derjenige, der den Link geschaffen hat, dessen notwendig bewusst sein muss.
Zum Zweck der individuellen Beurteilung des Vorliegens einer „öffentlichen Wiedergabe“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 muss daher, wenn das Setzen eines Hyperlinks zu einem auf einer anderen Website frei zugänglichen Werk von jemandem vorgenommen wird, der dabei keine Gewinnerzielungsabsicht verfolgt, berücksichtigt werden, dass der Betreffende nicht weiß und vernünftigerweise nicht wissen kann, dass dieses Werk im Internet ohne Erlaubnis des Urheberrechtsinhabers veröffentlicht wurde.
Wenn auch in einem solchen Fall der Betreffende das Werk der Öffentlichkeit dadurch verfügbar macht, dass er anderen Internetnutzern direkten Zugang zu ihm bietet (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. Februar 2014, Svensson u. a., C‑466/12, EU:C:2014:76, Rn. 18 bis 23), handelt er doch im Allgemeinen nicht in voller Kenntnis der Folgen seines Tuns, um Kunden Zugang zu einem rechtswidrig im Internet veröffentlichten Werk zu verschaffen. Überdies konnte, wenn das fragliche Werk bereits ohne Zugangsbeschränkung im Internet auf der Website verfügbar war, zu der der Hyperlink Zugang gibt, grundsätzlich das gesamte Internetpublikum darauf bereits auch ohne diese Handlung zugreifen.
Ist dagegen erwiesen, dass der Betreffende wusste oder hätte wissen müssen, dass der von ihm gesetzte Hyperlink Zugang zu einem unbefugt im Internet veröffentlichten Werk verschafft – weil er beispielsweise von dem Urheberrechtsinhaber darauf hingewiesen wurde –, so ist die Bereitstellung dieses Links als eine „öffentliche Wiedergabe“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 zu betrachten.
Ebenso verhält es sich, wenn es der Link den Nutzern der ihn offerierenden Website ermöglicht, beschränkende Maßnahmen zu umgehen, die auf der das geschützte Werk enthaltenden Website getroffen wurden, um den Zugang der Öffentlichkeit allein auf ihre Abonnenten zu beschränken, da es sich bei der Platzierung eines solchen Links dann um einen bewussten Eingriff handelt, ohne den die Nutzer auf die verbreiteten Werke nicht zugreifen könnten (vgl. entsprechend Urteil vom 13. Februar 2014, Svensson u. a., C‑466/12, EU:C:2014:76, Rn. 27 und 31).
Im Übrigen kann, wenn Hyperlinks mit Gewinnerzielungsabsicht gesetzt werden, von demjenigen, der sie gesetzt hat, erwartet werden, dass er die erforderlichen Nachprüfungen vornimmt, um sich zu vergewissern, dass das betroffene Werk auf der Website, zu der die Hyperlinks führen, nicht unbefugt veröffentlicht wurde, so dass zu vermuten ist, dass ein solches Setzen von Hyperlinks in voller Kenntnis der Geschütztheit des Werks und der etwaig fehlenden Erlaubnis der Urheberrechtsinhaber zu seiner Veröffentlichung im Internet vorgenommen wurde. Unter solchen Umständen stellt daher, sofern diese widerlegliche Vermutung nicht entkräftet wird, die Handlung, die im Setzen eines Hyperlinks zu einem unbefugt im Internet veröffentlichten Werk besteht, eine „öffentliche Wiedergabe“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 dar.
Jedoch wird mangels eines neuen Publikums keine „öffentliche“ Wiedergabe im Sinne dieser Vorschrift in dem oben in den Rn. 40 bis 42 erörterten Fall vorliegen, in dem die Werke, zu denen die Hyperlinks Zugang geben, auf einer anderen Website mit Erlaubnis des Rechtsinhabers frei zugänglich sind.
Eine solche Auslegung von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 stellt das mit der Richtlinie bezweckte erhöhte Schutzniveau der Urheber sicher. Nach dieser Auslegung und in den durch Art. 5 Abs. 3 dieser Richtlinie festgelegten Grenzen können Urheberrechtsinhaber nämlich nicht nur gegen die ursprüngliche Veröffentlichung ihres Werks auf einer Website vorgehen, sondern auch gegen jede Person, die zu Erwerbszwecken einen Hyperlink zu einem unbefugt auf dieser Website veröffentlichten Werk setzt, sowie ebenso gegen Personen, die unter den in den Rn. 49 und 50 des vorliegenden Urteils dargelegten Voraussetzungen solche Links ohne Erwerbszwecke gesetzt haben. Insoweit ist nämlich zu beachten, dass diese Rechtsinhaber unter allen Umständen die Möglichkeit haben, solche Personen über die Rechtswidrigkeit der Veröffentlichung ihrer Werke im Internet zu informieren und gegen diese vorzugehen, falls sie sich weigern, diesen Link zu entfernen, ohne dass sie sich auf eine der Ausnahmen dieses Art. 5 Abs. 3 berufen könnten.
Was die Rechtssache des Ausgangsverfahrens betrifft, steht fest, dass GS Media die Website GeenStijl betreibt und dass sie die Hyperlinks zu den Dateien mit den in Rede stehenden Fotos auf der Website Filefactory zu Erwerbszwecken bereitgestellt hat. Ferner steht fest, dass Sanoma die Veröffentlichung dieser Fotos im Internet nicht erlaubt hatte. Darüber hinaus scheint sich der Fall seiner Darstellung in der Vorlageentscheidung nach so zu verhalten, dass sich GS Media dieses Umstands bewusst war und daher die Vermutung nicht widerlegen könnte, dass das Setzen der Links in voller Kenntnis der Rechtswidrigkeit der Veröffentlichung erfolgte. Unter diesen Umständen hat GS Media durch das Setzen dieser Links offensichtlich – vorbehaltlich der von dem vorlegenden Gericht vorzunehmenden Überprüfung – eine „öffentliche Wiedergabe“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 vorgenommen, so dass die übrigen vom vorlegenden Gericht angeführten Umstände, die in Rn. 26 des vorliegenden Urteils wiedergegeben werden, nicht geprüft zu werden brauchen.
Nach alledem ist auf die Vorlagefragen zu antworten, dass Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 dahin auszulegen ist, dass zur Klärung der Frage, ob das Setzen von Hyperlinks auf eine Website zu geschützten Werken, die auf einer anderen Website ohne Erlaubnis des Urheberrechtsinhabers frei zugänglich sind, eine „öffentliche Wiedergabe“ im Sinne dieser Bestimmung darstellt, zu ermitteln ist, ob die Links ohne Gewinnerzielungsabsicht durch jemanden, der die Rechtswidrigkeit der Veröffentlichung der Werke auf der anderen Website nicht kannte oder vernünftigerweise nicht kennen konnte, bereitgestellt wurden oder ob die Links vielmehr mit Gewinnerzielungsabsicht bereitgestellt wurden, wobei im letzteren Fall diese Kenntnis zu vermuten ist.
Kosten
Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt:
Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft ist dahin auszulegen, dass zur Klärung der Frage, ob das Setzen von Hyperlinks auf eine Website zu geschützten Werken, die auf einer anderen Website ohne Erlaubnis des Urheberrechtsinhabers frei zugänglich sind, eine „öffentliche Wiedergabe“ im Sinne dieser Bestimmung darstellt, zu ermitteln ist, ob die Links ohne Gewinnerzielungsabsicht durch jemanden, der die Rechtswidrigkeit der Veröffentlichung der Werke auf der anderen Website nicht kannte oder vernünftigerweise nicht kennen konnte, bereitgestellt wurden oder ob die Links vielmehr mit Gewinnerzielungsabsicht bereitgestellt wurden, wobei im letzteren Fall diese Kenntnis zu vermuten ist.