LG Hannover: Deutsche Universitäten dürfen unter der GNU GPL stehende Open Source Software nicht ohne Quellcode und Lizenztext vertreiben

veröffentlicht am 14. Januar 2016

LG Hannover, Urteil vom 21.07.2015, Az. 18 O 159/15
§ 69c S. 1 Nr. 3 UrhG, § 97 Abs. 1 UrhG

Das Urteil haben wir hier besprochen und im Folgenden im Volltext wiedergegeben:


Landgericht Hannover

Urteil

In dem einstweiligen Verfügungsverfahren

hat die 18. Zivilkammer des Landgerichts Hannover auf die mündliche Verhandlung vom 30.06.2015 durch … für Recht erkannt:

Die Verfügungsbeklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, die Software … öffentlich zugänglich zu machen, ohne entsprechend den Lizenzbedingungen der GNU General Public License (GPL) dabei zugleich den Lizenztext der GPL beizufügen und entweder den vollständigen korrespondierenden Sourcecode der Softwarelizenz gebührenfrei öffentlich zugänglich zu machen oder auf einem üblichen Datenträger zu Kosten, die die Kosten für die Herstellung der Kopie nicht übersteigen dürfen, jedermann zur Verfügung zu stellen.

Für jeden Fall der Zuwiderhandlung wird der Verfügungsbeklagten ein Ordnungsgeld in Höhe von bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, oder Ordnungshaft, zu vollziehen am Präsidenten, angedroht.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Verfügungsbeklagte.

Tatbestand

Die Verfügungsklägerin ist lnhaberin der ausschließlichen Nutzungsrechte am Computerprogramm … Die Verfügungsklägerin bietet die Software als freie Software (Opensource-Software) unter den Bedingungen der GNU General Public License (GPL) an unter der Voraussetzung, dass die Vervielfältigung, Verbreitung und Veränderung der Software ebenfalls wieder unter den Bedingungen dieser Lizenz und unter Hinweis auf die GPL, Beifügung des Lizenztextes der GPL und der Zugänglichmachung des Sourcecodes erfolgt. Die Verfügungsbeklagte implementierte die Software auf ihrer Webseite. Zum Zeitpunkt des Downloads des Programms für das Betriebssystem Windows XP durch die Verfügungsbeklagte im Juni 2007 waren die Lizenzbedingen der GPL nicht auf der lnternetseite der Verfügungsklägerin verfügbar. In der Folgezeit bot die Verfügungsbeklagte das Programm für die Betriebssysteme Windows Vista, Windows XP sowie als PDA-Version zum Download an. Am 05.05.2015 war die Software der Klägerin für Betriebssystem Windows XP weiterhin auf der Homepage der Verfügungsbeklagten abrufbar. Am 04.06.2015 gab die Verfügungsbeklagte eine Unterlassungserklärung ab (Bl. 125 d. A.) unter der auflösenden Bedingung einer allgemein verbindlichen d.h. auf Gesetz oder höchstrichterlichen Rechtsprechung beruhenden Klärung des zu unterlassenden Verhaltens. In der mündlichen Verhandlung vom 30.06.2015 hat die Verfügungsbeklagte die Einrede der Verjährung erhoben.

Die Verfügungsklägerin meint, die Beklagte sei zur Unterlassung der Verbreitung der Software ohne Beifügung des Lizenztextes und des Sourcecodes aufgrund der Vereinbarung der GPL verpflichtet.

Die Verfügungsklägerin beantragt im Wege der einstweiligen Verfügung, wie erkannt.

Die Verfügungsbeklagte beantragt, den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Die Verfügungsbeklagte meint, es sei zu keiner wirksamen Einbeziehung der GPL gekommen. Zudem sei die Wiederholungsgefahr durch die Abgabe der Unterlassungsverpflichtungserklärung entfallen.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist gemäß §§ 935, 940 ZPO, § 97 Abs. 1 S. 1 UrhG begründet.

Die Verfügungsbeklagte ist gemäß § 97 Abs. 1 S. 1 UrhG verpflichtet, es zu unterlassen, die Software … öffentlich zugänglich zu machen, ohne zugleich den Lizenztext der GPL beizufügen und entweder den Sourcecode öffentlich zugänglich zu machen oder auf einem Datenträger jedermann zur Verfügung zu stellen.

Die Verfügungsklägerin hat glaubhaft gemacht, dass die Verfügungsbeklagte das Urheberrecht der Verfügungsklägerin an der Software … widerrechtlich verletzt hat.

Die Verfügungsklägerin ist unstreitig lnhaberin der ausschließlichen Nutzungsrechte an diesem Computerprogramm, bei dem es sich um ein gem. § 69 a Abs. 3 S.1 UrhG geschütztes Computerprogramm handelt.

Die Verfügungsbeklagte hat das Urheberrecht der Verfügungsklägerin verletzt, indem sie es am 05.05.2015 zum Download auf ihrer Homepage angeboten und damit gem. § 69 c S.1 Nr. 3 UrhG verbreitet hat. Das Vorbringen der Verfügungsbeklagten, sie sei mit Erscheinen des Betriebssystems Windows XP im Jahr 2009 auf den …-Dienst umgestiegen und habe seitdem das Computerprogramm der Verfügungsklägerin nicht mehr genutzt, steht dieser Würdigung nicht entgegen. Denn daraus ergibt sich lediglich die Behauptung, sie selbst habe das Programm nicht mehr genutzt.

Die Verfügungsbeklagte hat aber nicht konkret bestritten, dass das Programm der Verfügungsklägerin tatsächlich noch abrufbar gewesen und zum Downloadangeboten worden ist, was zudem auch durch die Anlage AS3 glaubhaft gemacht worden ist.

Die Verfügungsbeklagte hat damit das ausschließliche Nutzungsrecht der Verfügungsklägerin verletzt. Ein eigenes Nutzungsrecht der Verfügungsbeklagten bestand nicht. Denn zwischen den Parteien ist hierüber keine Vereinbarung getroffen worden. Insbesondere ist der Verfügungsbeklagten gerade kein Nutzungsrecht auf Grundlage der GPL erteilt worden, da diese nach dem unstreitigen Parteivorbringen beim Download des Programms nicht vorlagen. Damit fehlt es an der Einräumung eines Nutzungsrechts für die Verfügungsbeklagte, so dass sie in keinem Fall berechtigt war, das Programm der Verfügungsklägerin zu verbreiten.

Die Rechtsverletzung der Verfügungsbeklagten indiziert die Wiederholungsgefahr. Diese ist nicht durch die Unterlassungserklärung vom 04.06.2015 (BI. 125 d.A.) entfallen. Eine solche Unterlassungserklärung muss ernsthaft, unbefristet, vorbehaltlos und strafbewehrt sein (vgl. Dreier/Schulze, Urhebergesetz, 3. Aufl., § 97 Rn 42 mwN).

Diesen Anforderungen wird die Untertassungserklärung vom 04.06.2015 nicht gerecht.

Die darin enthaltene auflösende Bedingung ist angesichts ihrer unklaren Formulierung nicht hinreichend bestimmt. So ist eine „Klärung des zu unterlassenden Verhaltens“ auch dann denkbar, wenn das Verbreiten des Computerprogramms der Klägerin durch die Verfügungsbeklagte als rechtswidrig eingestuft werden würde. Ebenso bleibt offen, was unter einer allgemein verbindlichen höchstrichterlichen Rechtsprechung zu verstehen sein soll; so stellt sich etwa die Frage, ob dies die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs oder des Europäischen Gerichtshofes meint. Angesichts dieser unklaren Formulierungen ist hier nicht von einer vorbehaltlosen Unterlassungserklärung auszugehen.

Der Unterlassungsanspruch der Verfügungsklägerin ist nicht verjährt, da bei einem Anspruch auf dauerndes Unterlassen mit jeder Zuwiderhandlung eine neue Verjährung beginnt (vgl. Palandt/Ellenberger, BGB, 72. Aufl., § 199 Rn. 23), so dass jedenfalls der Verstoß vom 05.05.2015 dazu führt, dass die Verjährungsfrist frühestens mit Schluss des Jahres 2015 beginnt und daher noch nicht abgelaufen sein kann. lm Übrigen fehlt es für einen etwaigen früheren Verjährungsbeginn auch an jeglichem Vortrag zu einer Kenntnis der Verfügungsklägerin von der Rechtsverletzung.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Auf die Entscheidung hingewiesen hat jurpc.de.