LG Hamburg: Neu – Nicht jede unbewusste Verlinkung rechtswidrigen Inhalts mit Gewinnerzielungsabsicht führt zur Störerhaftung

veröffentlicht am 2. November 2017

LG Hamburg, Urteil vom 13.06.2017, Az. 310 O 117/17
§ 15 Abs. 2 UrhG, § 19a UrhG, § 97 Abs. 1 UrhG; Art. 3 Abs. 1 EGRL 29/2001

Den Volltext der Entscheidung finden Sie unten und dazu einen Zusammenfassung auf unserer Hauptseite www.damm-legal.de, hier (LG Hamburg: Neu – Nicht jede unbewusste Verlinkung rechtswidrigen Inhalts mit Gewinnerzielungsabsicht führt zur Störerhaftung).


Rechtswidrigen Inhalt verlinkt?

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Landgericht Hamburg

Urteil

1.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 18.04.2017 wird zurückgewiesen.

2.
Die Verfügungsklägerin trägt die Kosten des Verfügungsverfahrens.

3.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Verfügungsklägerin bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Verfügungsbeklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages geleistet hat.

Tatbestand

Die Verfügungsklägerin verlangt von der Verfügungsbeklagten im Wege der einstweiligen Verfügung, die Verfügungsbeklagte möge es unterlassen, eine Produkt-Fotografie öffentlich zugänglich zu machen.

Die Verfügungsklägerin betreibt unter <https:// <leer>.com/> eine Internetseite, über welche sie Fotos und mit den Fotos bebilderte Produkte vertreibt. Der Fokus der Verfügungsklägerin liegt dabei auf der Auswertung von Fotos eines Hundes der Rasse „Mops“ mit Namen „ L.“, der im Rahmen von Bildern und Produkten der Verfügungsklägerin in Szene gesetzt wird. Zu diesen Fotos gehört auch das nachfolgend wiedergegebene Verfügungsmuster:

Der Verfügungsbeklagte ist Betreiber einer Webseite <www. k..de>. Innerhalb dieser Webseite werden im Wege des Framings in großer Zahl Angebote (jedenfalls auch) der Handelsplattform <amazon.de> eingeblendet, wobei die Einblendungen vollständig automatisiert unter Zuhilfenahme eines bestimmten Algorithmus erfolgen. Einzelheiten zum technischen Vorgang sind nicht vorgetragen. Zum Erscheinungsbild der Website wird auf Anlage ASt 2 verwiesen.

Der Verfügungsbeklagte ist als sog. „Affiliate“ vertraglich mit dem Betreiber der Handelsplattform <amazon.de> verbunden. Bei Schluss der mündlichen Verhandlung ist unstreitig gewesen, dass der Verfügungsbeklagte „eine Vergütung pro Klick eines Dritten auf den jeweiligen Frame zu Amazon.de“ erhält (so sein Schriftsatz vom 26.05.2017 S. 3 = Bl. 81 d.A.); die Höhe dieser Vergütung bzw. ihre Berechnungsgrundlage sind bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht mitgeteilt worden.

Auf der Internetseite der Verfügungsbeklagten befand sich am 13.03.2017 die Einblendung einer Anzeige für eine Handyhülle, auf deren Vorderseite unter einer Aufschrift „Tomorrow Will Be A Better Day“ ein Ausschnitt aus dem Verfügungsmuster wiedergegeben war, nämlich ein Freisteller-Bild des Hundekopfes unter Weglassung des grünen Hintergrundes. Die Einblendung sah gem. Anlage ASt 2 S. 1 wie folgt (Ausschnitt) aus:

Weder die Verfügungsklägerin noch ihr Geschäftsführer hatten die Herstellung und/oder den Vertrieb einer so gestalteten Handyhülle oder die Anfertigung und/oder Verwertung einschließlich öffentlicher Zugänglichmachung von Abbildungen der Handyhülle gestattet.

Ein von der Verfügungsklägerin beauftragtes Dienstleistungsunternehmen, dort der Mitarbeiter Herr B., entdeckte die Einblendung am 13.03.2017 auf der Internetseite des Verfügungsbeklagten. Mit E-Mail vom 22.03.2017 teilte Herr B. dies der Verfügungsklägerin mit. Die Verfügungsklägerin sprach mit anwaltlichem Schreiben vom 30.03.2017 (Anlage ASt 4) eine Abmahnung gegenüber dem Verfügungsbeklagten aus. Der Verfügungsbeklagte wies Ansprüche dem Grunde und der Höhe nach zurück (Schreiben 07.04.2017, Anlage ASt 5), entfernte jedoch die Einblendung des Verletzungsmusters aus seinem Internetauftritt. Eine Unterlassungsverpflichtungserklärung gab er nicht ab.

Die Verfügungsklägerin hat am Donnerstag, 20.04.2017 per Fax und am Freitag, 21.04.2017 im Original die Antragsschrift vom 18.04.2017 bei Gericht eingereicht, wobei weder das Fax noch das Original unterzeichnet gewesen sind. Auf Telefax-Hinweis des Gerichts vom Montag, 24.04.2017 hat die Verfügungsklägerin am 25.04.2017 per Telefax und am 27.04.2017 im Original je ein unterzeichnetes Exemplar der Antragsschrift zur Akte gereicht.

Die Verfügungsklägerin macht geltend:

Sie habe den Verfügungsantrag rechtzeitig gestellt. Sie müsse sich die Erstkenntnis des Herrn B. nicht zurechnen lassen, da sein Unternehmen keinen Auftrag zur eigenverantwortlichen Aufklärung von Verstößen und keine Kenntnis von eventuellen Lizenzierungen gehabt habe.

Sie sei aktiv legitimiert. Urheber des Verfügungsmusters sei ihr Geschäftsführer, M. M., der das Verfügungsmuster fotografiert habe. Die Verfügungsklägerin vertreibe die Fotografie nur über durch sie autorisierte Partner im Internet. Die Verfügungsklägerin beruft sich insofern auf die eidesstattliche Versicherung ihres Geschäftsführers (Anlage ASt 1).

Die Abbildung des Verfügungsmusters (Hundekopf) innerhalb des Verletzungsmusters (Abbildung der Handyhülle mit Hundebild) stelle eine urheberrechtsrelevante Nutzung des Verfügungsmusters dar.

Der Verfügungsbeklagte habe das Verletzungsmusters öffentlich wiedergegeben. Über das Framing des Verletzungsmusters sei das Verfügungsmuster für ein „neues Publikum“ im Sinne der Entscheidung EuGH 08.09.2016 (C-160/15 – GS Media/Sanoma Media u. a.) zugänglich gemacht worden, weil schon die Einstellung des Verletzungsmusters auf <amzon.de> nicht genehmigt gewesen sei.

In Anwendung dieser Rechtsprechung und der Grundsätze aus dem Beschluss der erkennenden Kammer vom 18.11.2016 (310 O 402/16 – Architekturfotos) hafte der Verfügungsbeklagte für diese öffentliche Wiedergabe. Der Verfügungsbeklagte habe billigend in Kauf genommen, dass es auf <amazon.de> zu Urheberrechtsverletzungen komme, auf die er verlinke. Jedenfalls sei ihm aber vorwerfbar, nicht gewusst zu haben, dass das Verletzungsmuster ohne Genehmigung auf <amazon.de> wiedergegeben worden sei. Diese Vorwerfbarkeit resultiere aus dem Umstand, dass der Verfügungsbeklagte mit Gewinnerzielungsabsicht gehandelt und sich gleichwohl nicht über die Rechtmäßigkeit der Wiedergabe auf <amazon.de> vergewissert habe. Der Verfügungsbeklagte habe sich nicht darauf verlassen dürfen, dass es auf <amazon.de> zu keinen Urheberrechtsverletzungen kommen werde; das zeige schon diverse veröffentlichte Rechtsprechung zu entsprechenden Verletzungsfällen. Dass Händler, die ihre Angebote bei <amazon.de> einstellten, gegenüber Amazon die Rechtmäßigkeit ihrer Uploads zusichern müssten, sei nicht glaubhaft gemacht worden und ergebe sich weder aus den vom Verfügungsbeklagten vorgelegten angeblichen Vertragsbedingungen der Händler (Anlage AG 1) noch aus den in der mündlichen Verhandlung von der Verfügungsklägerin vorgelegten „Teilnahmebedingungen des EU-Partnerprogramms“, die man als Amazon-Affiliate-Partner akzeptieren müsse. Es sei aber nicht nachvollziehbar, warum es dem Verfügungsbeklagten nicht zumutbar sein solle, im Rahmen der Kommunikation mit Amazon – ggf. auch automatisiert – zumindest eine einzelfallbezogene Bestätigung von Amazon einzuholen, dass entweder Amazon selbst geprüft habe, ob der Händler über die Rechte für den Upload verfügt habe, oder dass Amazon sich die Berechtigung zumindest vom Händler habe zusichern lassen.

Die Verfügungsklägerin beantragt:

Der Antragsgegners wird unter Androhung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 € und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, der Ordnungshaft oder der Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, für jeden Fall der Zuwiderhandlung verboten, nachstehend eingeblendetes Foto öffentlich zugänglich zu machen, insbesondere wie geschehen unter www.k…de

und dies ohne Angabe des Urhebers, Herrn M… M…

Die Verfügungsbeklagte beantragt, den Verfügungsantrag zurückzuweisen.

Der Verfügungsbeklagte macht geltend:

Die Verfügungsklägerin habe den Verfügungsantrag nicht rechtzeitig genug gestellt. Sie müsse sich die Erstkenntnis des Herrn B. vom 13.03.2017 zurechnen lassen.

Sie habe ihre auch ihre Aktivlegitimation nicht glaubhaft gemacht. Urheberschaft des Herrn M. und Nutzungsrechte der Verfügungsklägerin würden mit Nichtwissen bestritten.

Das angegriffene Framing sei keine öffentliche Zugänglichmachung. Die Rechtsprechung des EuGH zur Hyperlinksetzung sei auf das Framing nicht anwendbar.

Jedenfalls seien aber die subjektiven Anforderungen des EuGH an eine Linksetzungshaftung nicht erfüllt. Der Verfügungsbeklagte habe nicht gewusst, dass es sich bei dem auf <amazon.de> eingestellten Verletzungsmuster um einen nicht genehmigten Inhalt gehandelt habe. Diese Unkenntnis sei ihm auch nicht vorzuwerfen. Er habe davon ausgehen dürfen, dass Händler, wenn sie Bebilderungen von Waren auf <amazon.de> einstellten, dabei keine Urheberrechtsverletzungen beginge; denn jeder Händler, der an der Handelsplattform Amazon.de teilnehme, akzeptiere die AGB der Handelsplattform, nach denen er versichere, dass er Inhaber des von ihm benutzten Bildmaterials sei, und nach denen er die Nutzung des Bildmaterials auf <amazon.de> und auch durch Dritte gestatte; das müsse gerichtsbekannt sein, ergänzend sei auf die mit Anlage G 1 vorgelegten Nutzungsbedingungen zu verweisen. Danach aber seien Urheberrechtsverletzungen auf der Handelsplattform Amazon weder für den Verfügungsbeklagten noch für andere Affiliates oder auch nur für Amazon selbst erkennbar. Ob die Abmahnung vom 30.03.2017 Prüfpflichten des Verfügungsbeklagten ausgelöst habe, könne offen bleiben, da er – wie unstreitig – sofort reagiert und den streitgegenständlichen Frame aus seinem Webauftritt entfernt habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand bei Schluss der mündlichen Verhandlung wird auf die Schriftsätze nebst Anlagen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung geworden sind, und auf das Protokoll vom 01.06.2017 verwiesen.

Mit Beschluss vom 01.06.2017 hat das Gericht dem Verfügungsbeklagten nachgelassen, zu den im Termin von der Verfügungsklägerin übergebenen etwaigen Vertragsbedingungen für ein Affiliate-Verhältnis mit nachgelassenem Schriftsatz Stellung zu nehmen. Der Verfügungsbeklagte hat fristgemäß einen Schriftsatz nachgereicht. In diesem hat er ausgeführt: Der Klägervortrag zu diesen Bedingungen erfolge „ins Blaue hinein“, weil nicht vorgetragen sei, wann sich der Verfügungsbeklagte gegenüber welcher Gesellschaft welchen Bedingungen unterworfen haben solle. Er bestreite „mit Nichtwissen“, dass die vorgelegten Bedingungen diejenigen seien, welchen er sich unterworfen habe.

Mit demselben Schriftsatz hat der Verfügungsbeklagte außerdem vorgetragen und an Eides statt versichert (Anlage AG 3): Er erhalte über das Amazon-Affiliate-Programm keine Pauschal-Vergütung per Klick auf das jeweilige Angebot, sondern eine Provision, wenn es zu einer „Conversion“, also zu einem Kauf des beworbenen Artikels komme. Mit dem streitgegenständlichen Angebot selbst habe er keine Erlöse generiert. Er unterhalte auf der streitgegenständlichen Seite mindestens 15.000 Frames zu Amazon-Angeboten Dritter. Er erlöse mit dem Amazon-Affiliate-Programm durchschnittlich lediglich 35,00 Euro im Monat. Bei über 15.000 Frames betrage also der durchschnittliche Verdienst pro Frame pro Monat lediglich 0,23 Cent. Er ist der Ansicht: Auf Grundlage dieser Verdienstmöglichkeiten sei ihm eine Vorabüberprüfung der geframten Angebote nicht zumutbar, ohne sein rechtmäßiges Geschäftsmodelle aufgeben zu müssen.

Entscheidungsgründe

I.
Die Kammer versteht den Verfügungsantrag – „… verboten, … [das Verletzungsmuster] öffentlich zugänglich zu machen, insbesondere wie geschehen unter [URL] [Einblendung] und dies ohne Angabe des Urhebers, Herrn M. M.“ (Unterstreichung hinzugefügt) – dahin, dass durch den vorstehend unterstrichen wiedergegebenen Antragsteil kein eigenes Unterlassungsbegehren formuliert werden sollte. Streitgegenstand ist damit nur die öffentliche Zugänglichmachung des Verletzungsmusters als solche, dagegen nicht (kumulativ oder gar allein) die Zugänglichmachung gerade unter Nichtnennung des Herrn M.s als des Urhebers. Für dieses Verständnis sprechen die Antragsformulierung (der hier unterstrichene Teil ist nicht durch Kommasetzung von der Einblendung des Verletzungsmusters getrennt) und der Umstand, dass trotz Erwähnung von Urheberpersönlichkeitsrechten in der Antragsschrift (S. 6 = Bl. 50 d.A.) die Antragstellerin nicht geltend macht, (auch) in Prozessstandschaft für ihren Geschäftsführer vorzugehen.

II.
Die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Hamburg ergibt sich schon aus der rügelosen Einlassung des Verfügungsbeklagten, § 39 ZPO, hilfsweise aus § 32 ZPO.

III.
Der Verfügungsantrag ist (noch) ausreichend rechtzeitig gestellt worden.

Als Orientierungswerte, jedoch unter Vorbehalt der Berücksichtigung besonderer Umstände des Einzelfalles, nimmt die Kammer in urheberrechtlichen einstweiligen Verfügungsverfahren regelmäßig an, dass der Verletzte gehalten ist, in Fällen einer bereits begangenen Verletzungshandlung den Verfügungsantrag vier Wochen nach Erstkenntnis der Nutzung bei Gericht zu stellen; für den Fall, dass er einen ernsthaften Versuch einer außergerichtlichen Klärung durch Abmahnung unternommen hat, stehen ihm wegen des dadurch erlittenen Zeitverlustes (Abwarten einer Reaktion, ggf. erforderliche weitere Korrespondenz) in der Regel zwei weitere Wochen zur Verfügung. Die Kammer sieht keine Veranlassung, im vorliegenden Fall einen strengeren Maßstab anzuwenden, zumal komplexe Rechtsfragen zur öffentlichen Wiedergabe entscheidungserheblich sind.

Für den Zeitpunkt der Einreichung kann jedenfalls auf den 25.04.2017 abgestellt werden, weil das an diesem Tag bei Gericht eingegangene Telefax unterzeichnet war. Dass das Fax die Antragsfassung nur schwarz-weiß wiedergab, ist vorliegend unschädlich, weil das farbige Original bereits am 27.04.2017 nachfolgte; darin liegt im vorliegenden Fall noch keine schädliche Antragsverzögerung.

Die Kammer kann offen lassen, ob sich die Verfügungsklägerin die Kenntnis des Herrn B. vom 13.03.2017 zurechnen lassen muss, insbesondere ob Herr B. Wissensvertreter war (vgl. Palandt/Ellenberger, BGB, 76. Aufl. 2017, § 166 BGB Rz. 6 und 6a; Köhler/Bornkamm, UWG, 35. Aufl. 2017, § 12 Rz. 3.15a). Selbst wenn man für die Erstkenntnis auf den 13.03.2017 abstellt, hat die Verfügungsklägerin zwar den Verfügungsantrag wirksam erst sechs Wochen und einen Tag nach Erstkenntnis gestellt; jedoch kam darin unter den Umständen des vorliegenden Falles nicht zum Ausdruck, dass die Verfügungsklägerin die Verfolgung ihrer Rechte nicht als „eilig“ angesehen hätte.

Bei der oftmals vereinfachend so genannten „Dringlichkeitsfrist“ handelt es sich nicht um eine starre Ausschlussfrist, sondern mit dem Gedanken der „Selbstwiderlegung“ letztlich um eine besondere Ausprägung des Gedankens von Treu und Glauben: Derjenige, der durch sein Verhalten nach außen hin zunächst den Eindruck erweckt hat, es komme ihm nicht auf eine rasche (vorläufige) Klärung des Streites an, soll eine solche dann nicht (überraschend und im Widerspruch zu seinem vorangegangenen Verhalten) durch einstweiligen Rechtsschutz erreichen können.

Einen solchen Eindruck hat die Verfügungsklägerin vorliegend jedoch nicht vermittelt. So hat sie – auch bei Bezug schon auf den 13.03.2017 – ihre Ansprüche außergerichtlich zeitnah mit Abmahnung (ASt 4) vom 30.03.2017 geltend gemacht. Nach dem gegnerischen Schreiben vom 07.04.2017 (Anlage ASt 5) hat der Verfügungsklägervertreter (nach den Ostertagen 14.-17.04.2017) am 20.04.2017 und damit weniger als 6 Wochen nach dem 13.03.2017 den Antragsschriftsatz bei Gericht per Fax eingereicht. Zwar lag damit und mit der nachfolgenden Einreichung des Originals am Folgetag noch keine wirksame Antragstellung vor, weil sowohl unter dem Fax wie unter dem Original jeweils die Unterschrift fehlte. Gleichwohl ist dadurch nicht der Eindruck entstanden, dass die Verfügungsklägerin selbst die Sache nicht als „eilig“ angesehen habe; vielmehr kam zum Ausdruck, dass die Verfügungsklägerin einstweiligen Rechtsschutz anstrebte, denn die Antragsschrift war vollständig abgefasst worden, und die Unterschrift war ersichtlich nur versehentlich unterblieben. Auf den am Montag, den 24.04.2017 erfolgten Hinweis des Gerichts hin hat die Verfügungsklägerin dann unverzüglich reagiert und am 25.04.2017 die Antragsschrift erneut und nunmehr unterschrieben eingereicht. Unter diesen Umständen erfolgte die Einreichung noch in dringlichkeitsunschädlicher Zeit.

IV.
Der Verfügungsantrag ist jedoch unbegründet, weil es an einem Verfügungsanspruch fehlt. Der Verfügungsklägerin steht der allein streitgegenständliche Unterlassungsanspruch nach § 97 I i.V.m. § 19a UrhG oder § 15 II UrhG nicht zu.

Die Kammer kann dabei offenlassen ob das Verfügungsmuster nach § 2 I Nr. 5, II UrhG urheberrechtlich geschützt ist; auch ob die Verfügungsklägerin über die eidesstattliche Versicherung Anlage ASt 1 ausreichend glaubhaft gemacht hat, Inhaberin ausschließlicher Nutzungsrechte am Verfügungsmuster auch bzgl. der öffentlichen Widergabe auch bearbeiteter Fassungen des Verfügungsmusters zu sein; ferner auch, ob es sich bei dem Foto der Handyhülle (mit deren Verwendung des Ausschnitts aus dem Verfügungsmuster unter Hinzufügung des Slogans) um eine Bearbeitung i.S.v. § 23 S. 1 UrhG handelt, deren Verwertung der Genehmigung durch den Berechtigten unterliegt und die hier – wie unstreitig – nicht lizenziert worden ist.

Selbst wenn man die vorstehenden Voraussetzungen (für die nach dem Sach- und Streitstand vieles spricht) zugunsten der Verfügungsklägerin unterstellt, fehlt es an der weiteren Voraussetzung einer in die (unterstellten) Rechte der Verfügungsklägerin eingreifenden öffentlichen Zugänglichmachung oder unbenannten öffentlichen Wiedergabe des Verfügungsmusters durch die Einblendung des Verletzungsmusters auf der Internetseite des Verfügungsbeklagten.

1.
Gem. § 15 II 1 UrhG hat der Urheber das ausschließliche Recht, sein Werk in unkörperlicher Form öffentlich wiederzugeben; nach S. 2 Nr. 2 i.V.m. § 19a UrhG gehört hierzu insbesondere auch das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung.

Soweit es sich bei dem Recht der öffentlichen Wiedergabe im Sinne des § 15 II UrhG um nach Art. 3 I der Richtlinie 2001/29/EG1 harmonisiertes Recht handelt, ist die Bestimmung des § 15 Abs. 2 UrhG richtlinienkonform auszulegen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Art. 3 I RL 2001/29/EG das Recht der öffentlichen Wiedergabe vollständig harmonisiert und die Mitgliedstaaten das durch diese Vorschrift begründete Schutzniveau daher weder unterschreiten noch überschreiten dürfen (vgl. EuGH, GRUR 2014, 360 – Svensson/Retriever Sverige). Soweit Art. 3 I RL 2001/29/EG weitergehende Rechte als die in § 15 II 2 UrhG benannten Rechte der öffentlichen Wiedergabe verlangt, ist daher in richtlinienkonformer Auslegung des § 15 Abs. II UrhG ein unbenanntes Recht der öffentlichen Wiedergabe anzunehmen (BGH, GRUR 2016, 171, 172 Tz. 17 – Die Realität II).

Nach Art. 3 I der RL 2001/29/EG sehen die Mitgliedstaaten vor, „dass den Urhebern das ausschließliche Recht zusteht, die drahtgebundene oder drahtlose öffentliche Wiedergabe ihrer Werke einschließlich der öffentlichen Zugänglichmachung der Werke in der Weise, dass sie Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich sind, zu erlauben oder zu verbieten.“ Das Verständnis der Norm hat der EuGH in jüngerer Zeit verschiedentlich konkretisiert, so u.a. in seinem (auch die voraufgegangene Rechtsprechung zusammenfassenden) Urteil vom 26. April 2017 – C-527/15 – Stichting Brein/Wullems (z.B. GRUR 2017, 610 ff., vorliegend zitiert nach juris Tz. 29 ff., zu vorinstallierten Verlinkungen auf einem Multimediagerät; vgl. nachfolgend auch Urteil vom 14.06.2017 – C-610/15 – Stichting Brein / Ziggo BV und XS4ALL Internet BV zu Indexierungen auf einer Filesharing-Plattform). Danach vereint der Begriff der öffentlichen Wiedergabe zwei kumulative Tatbestandsmerkmale, nämlich eine „Handlung der Wiedergabe“ eines Werks und seine „öffentliche“ Wiedergabe (Urteil 26.04.2017 a.a.O. Tz. 29 m.w.N.), und zusätzlich sind „eine Reihe weiterer Kriterien zu berücksichtigen“, die unselbständig und miteinander verflochten sind und deshalb einzeln und in ihrem Zusammenwirken mit den anderen Kriterien anzuwenden sind, da sie im jeweiligen Einzelfall in sehr unterschiedlichem Maß vorliegen können (a.a.O. Tz. 30 m.w.N.).

2.
Das im vorliegenden Fall streitgegenständliche Framing des Verletzungsmusters auf der Website des Verfügungsbeklagten kommt in objektiver Hinsicht als „Handlung der Wiedergabe“ in Betracht.

Der EuGH hat ausgeführt, dass es „für eine Einstufung als „öffentliche Wiedergabe“ erforderlich ist, dass ein geschütztes Werk unter Verwendung eines technischen Verfahrens, das sich von dem bisher verwendeten unterscheidet, oder ansonsten für ein „neues Publikum“ wiedergegeben wird, d. h. für ein Publikum, an das die Inhaber des Urheberrechts nicht gedacht hatten, als sie die ursprüngliche öffentliche Wiedergabe erlaubten [folgen Nachweise]“ (Urteil 26.04.2017 a.a.O., Tz. 33).

Das streitgegenständliche Framing stellte keine Verwendung eines technischen Verfahrens dar, das sich von dem zuvor auf <amazon.de> verwendeten unterschied (sogleich a)), jedoch richtete sich das Framing des Verletzungsmusters an ein „neues Publikum“ (unten b)).

a)
Die Verfügungsklägerin hat zwar zu den technischen Einzelheiten der Anzeige des Verletzungsmusters auf der Internetseite des Verfügungsbeklagten nicht im Einzelnen vorgetragen. Nachdem aber die Angabe des Verfügungsbeklagten, es würden auf seiner Internestseite „im Wege des Framings“ Angebote der Handelsplattform <amazon.de> eingeblendet, unbestritten geblieben ist, gehen beide Parteien ersichtlich davon aus, dass diese Abbildung ursprünglich von einem (den Parteien unbekannten) Händler bei <amazon.de> hochgeladen worden ist und zumindest Teil einer dortigen Anzeige gewesen ist. Weiter ist unstreitig, dass das Framing unter Rückgriff auf die Bilddaten bei <amazon.de> zu einer eigenen Einblendung auf der Website des Verfügungsbeklagten (wie aus Anlage ASt 2 ersichtlich) führte, ohne dass der Verfügungsbeklagte selbst die Bilddaten auf einen eigenen Speicherplatz hätte hochladen müssen. Damit gehen beide Parteien von einem Sachverhalt aus, der dem „Inline Linking“ entspricht, wie es der EuGH in seinem Beschluss vom 21.10.2014 – C-348/13 – BestWaterInternational – beschrieben hat: Dieses ist dadurch charakterisiert, dass das Werk bei Anklicken des betreffenden Links durch die Internetnutzer in einer Art und Weise erscheint, die den Eindruck vermittelt, dass es von der Website aus gezeigt wird, auf der sich dieser Link befindet, obwohl es in Wirklichkeit einer anderen Website entstammt (EuGH a.a.O. Tz. 17).

Der EuGH hat – entgegen der Rechtsansicht des Verfügungsbeklagten – ausdrücklich klargestellt, dass eine solche Framing-Technik dazu verwendet werden kann, ein Werk öffentlich zugänglich zu machen (Beschluss 21.10.2014 a.a.O. Tz. 18). Aus Tz. 15 und 18 des zitierten Beschlusses ergibt sich aber auch, dass der EuGH ein solches Framing (wie schon Hyperlinks) nicht als gegenüber dem geframten Internetauftritt „neues technisches Verfahren“ ansieht, sondern allein darauf abstellt, ob durch das Framing ein neues Publikum erreicht wird.

b)
Vorliegend richtete sich das Framing des Verletzungsmusters auf der Internetseite des Verfügungsbeklagten an ein „neues Publikum“.

Sein Verständnis des Merkmals „neues Publikum“ im Zusammenhang mit Verlinkungen hat der EuGH im Urteil vom 26. April 2017 – C-527/15 – Stichting Brein/Wullems (zitiert nach juris) dahin zusammengefasst, dass es sich dabei um ein solches Publikum handeln muss, „an das die Urheberrechtsinhaber nicht gedacht haben, als sie die ursprüngliche Wiedergabe erlaubten“ (a.a.O. Tz. 47 m.w.N.). Insofern unterscheidet der EuGH jedoch zwei Fallkonstellationen:


So sei das Setzen von Hyperlinks zu einem geschützten Werk, das mit der Erlaubnis des Urheberrechtsinhabers schon auf einer anderen Website frei zugänglich sei, nicht als öffentliche Wiedergabe einzustufen. Denn „sofern und soweit“ dieses Werk auf der verlinkten Website frei zugänglich sei, könne man davon ausgehen, „dass die Inhaber des Urheberrechts, als sie diese Wiedergabe erlaubt haben, an alle Internetnutzer als Publikum gedacht haben, so dass die fragliche Wiedergabe nicht für ein neues Publikum erfolgt.“ (Tz. 48 m.w.N.)

In Abgrenzung dazu hat der EuGH aber auch ausgeführt, ein solcher Schluss könne „nicht gezogen werden, wenn eine solche Erlaubnis fehlt“ (Tz. 48 m.w.N.). Daraus folgt, dass der EuGH bei auf der verlinkten Seite rechtswidrig eingestelltem Werk auch die Verlinkung auf das Werk als eigene öffentliche Wiedergabe ansieht, weil auch sie ein Publikum erreicht, an welches der Urheberrechtsinhaber nicht gedacht hat, weil er schon die verlinkte Wiedergabe nicht lizenziert hatte.

Vorliegend hatte war die Wiedergabe des Verletzungsmusters auf <amazon.de> nicht von einer auf diese Nutzung bezogenen Genehmigung der Verfügungsklägerin als (unterstellter) Nutzungsberechtigten gedeckt. Die Verfügungsklägerin hatte weder die Auswertung des Verfügungsmusters auf der Handyhülle (Freisteller in Kombination mit Slogan) noch die Ablichtung der Handyhülle (Verletzungsmuster) lizenziert und auch die Wiedergabe dieser Abbildung im Internet nicht genehmigt.

Es kann offen bleiben, ob die Verfügungsklägerin das Verfügungsmuster in seiner Originalgestalt (Foto vom Hundekopf mit grünem Hintergrund) oder in anderen Umgestaltungen selbst oder über Dritte anderweitig öffentlich frei zugänglich macht. Denn ihr etwaiges darin zum Ausdruck kommendes Einverständnis würde sich nicht auch auf die Zugänglichmachung des Verletzungsmusters in seiner veränderten Gestalt auf <amazon.de> erstrecken.


Das folgt zum einen schon daraus, dass es sich bei der Zugänglichmachung auf <amazon.de> nicht um eine Verlinkung auf die Internetseite der Verfügungsklägerin handelte, sondern um einen eigenen Upload. Der Bundesgerichtshof hat überzeugende Gründe angeführt, warum der eigenständige Upload auf einen eigenen Speicherplatz und die von dort erfolgende öffentliche Wiedergabe als an ein neues Publikum gerichtet angesehen werden muss (EuGH-Vorlage vom 23.02.2017, I ZR 267/15 – Cordoba -, zit. nach juris-Rz. 35 ff.).

Zum anderen richtete sich das Framing des Verletzungsmusters deshalb an ein neues Publikum, weil auf der Internetseite der Antragstellerin nicht das Verletzungsmuster, sondern nur das Verfügungsmuster (in Originalgestalt oder anderer Umgestaltung) zugänglich gemacht worden ist. Der BGH hat in seiner EuGH-Vorlage vom 27.07.2017 (I ZR 228/15 – Reformistischer Aufbruch -, zit. nach juris-Rz. 60 ff.) im Zusammenhang mit Art. 5 III Buchst. d Richtlinie 2001/29/EG überzeugend darauf abgestellt, dass es bei der Frage, ob der Urheber die Vorveröffentlichung des zitierten Werks genehmigt hatte, auf eine auf das Werk in der vom Urheber vorgesehenen Gestalt bezogenen Genehmigung ankommt (a.a.O. Tz. 63). Entsprechendes sollte zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen auch im vorliegenden Zusammenhang gelten. Im Übrigen spricht auch der EuGH selbst davon, nur „sofern und soweit“ die anderweitige Zugänglichmachung von der Einwilligung gedeckt sei, werde kein neues Publikum erreicht. (Vgl. ferner zum identischen Ergebnis, jedoch mit anderer Begründung unter Bezugnahme auf § 23 UrhG Beschluss der Kammer vom 18.11.2016 – 310 O 402/16 – Architekturfotos -, juris-Rz. 37-39 zur Verlinkung auf ein ungenehmigt bearbeitetes Foto).

3.
Jedoch fehlt es in subjektiver Hinsicht an der Wiedergabehandlung eines „Nutzers“ im Sinne der EuGH-Rechtsprechung zu Art. 3 I RL 2001/29/EG.

a)
Um zu beurteilen, ob ein Nutzer eine Handlung der öffentlichen Wiedergabe vornimmt, sind nach EuGH-Rechtsprechung – wie bereits ausgeführt – eine Reihe weiterer Kriterien zu berücksichtigen, die unselbständig und miteinander verflochten sind; sie sind einzeln und in ihrem Zusammenwirken mit den anderen Kriterien anzuwenden, da sie im jeweiligen Einzelfall in sehr unterschiedlichem Maß vorliegen können (EuGH, Urteil vom 26.04.2017 – C-527/15 – Stichting Brein/Wullems, zitiert nach juris-Rz. 30 m.w.N.). Unter diesen Kriterien hat der Gerichtshof die zentrale Rolle des Nutzers hervorgehoben, der nämlich eine Wiedergabe vornehme, „ wenn er in voller Kenntnis der Folgen seines Verhaltens tätig wird, um seinen Kunden Zugang zu einem geschützten Werk zu verschaffen“ (a.a.O. Tz. 32 m.w.N.). Der Gerichtshof hat ferner wiederholt hervorgehoben, dass es „nicht unerheblich ist, ob eine Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 Erwerbszwecken dient“ (a.a.O. Tz. 34).

Ergibt sich in Verlinkungsfällen wie dem vorliegenden die Wiedergabe in objektiver Hinsicht nicht aus der Verwendung eines neuen technischen Verfahrens, sondern daraus, dass die Wiedergabe an ein „neues Publikum“ gerichtet ist, so muss sich in subjektiver Hinsicht beim Nutzer seine „Kenntnis der Folgen seines Verhaltens“ auch auf den Umstand beziehen, dass diejenige Wiedergabe, auf die er verlinkt, ihrerseits rechtswidrig erfolgt. Der EuGH geht davon aus, dass eine öffentliche Wiedergabe daher zu bejahen „für Fälle, in denen erwiesen ist, dass eine Person, die einen direkten Zugang zu geschützten Werken anbietet, wusste oder hätte wissen müssen, dass der von ihr gesetzte Hyperlink Zugang zu einem unbefugt im Internet veröffentlichten Werk verschafft“ (a.a.O. Tz. 49).

Für die Frage, wie festgestellt werden kann, ob der Nutzer von der Rechtswidrigkeit der verlinkten Quelle „wusste oder hätte wissen müssen“, berücksichtigt der EuGH das Kriterium, ob die Wiedergabe Erwerbszwecken dient. Er hat diese Differenzierung vor allem in seinem Urteil vom 08.09.2016 – C-160/15 -, GS Media BV/Sanoma Media Netherlands BV (nachfolgend zit. nach juris) entwickelt:


Wenn der Hyperlink von jemandem gesetzt werde, der dabei keine Gewinnerzielungsabsicht verfolge, müsse berücksichtigt werden, dass der Betreffende nicht wisse und vernünftigerweise nicht wissen könne, dass das Werk auf der verlinkten Seite ohne Erlaubnis des Urheberrechtsinhabers veröffentlicht worden sei (a.a.O. Tz. 47). Er handele daher im Allgemeinen nicht in voller Kenntnis der Folgen seines Tuns, um Kunden Zugang zu einem rechtswidrig im Internet veröffentlichten Werk zu verschaffen (a.a.O. Tz. 48). Es könne sich auch insbesondere für Einzelpersonen, die solche Links setzen wollten, als schwierig erweisen, zu überprüfen, ob die Website, zu der diese Links führen sollen, Zugang zu geschützten Werken gebe, und gegebenenfalls, ob die Inhaber der Urheberrechte an diesen Werken deren Veröffentlichung im Internet erlaubt hätten; dies sei erst recht dann schwer zu ermitteln, wenn für diese Rechte Unterlizenzen erteilt worden seien (a.a.O. Tz. 46).


Wenn Hyperlinks dagegen mit Gewinnerzielungsabsicht gesetzt würden, so könne von demjenigen, der sie setze, erwartet werden, dass er die erforderlichen Nachprüfungen vornehme, um sich zu vergewissern, dass das betroffene Werk auf der Website, zu der die Hyperlinks führten, nicht unbefugt veröffentlicht sei (a.a.O. Tz. 51). Daher sei zu vermuten, dass ein solches Setzen von Hyperlinks in voller Kenntnis der Geschütztheit des Werks und der fehlenden Erlaubnis der Urheberrechtsinhaber zu seiner Veröffentlichung im Internet vorgenommen worden sei (a.a.O. Tz. 51). Sofern diese widerlegliche Vermutung nicht entkräftet werde, stelle das Setzen des Hyperlinks zum unbefugt veröffentlichten Werk eine „öffentliche Wiedergabe“ im Sinne von Art. 3 I der RL 2001/29/EG dar (a.a.O. Tz. 51).

b)
Im vorliegenden Fall kann nicht angenommen werden, dass der Verfügungsbeklagte wusste, dass die Wiedergabe des Verletzungsmusters auf <amazon.de> rechtswidrig erfolgt. Eine positive Kenntnis kann auch nicht vermutet werden. Denn zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Verfügungsbeklagte eine solche Kenntnis tatsächlich nicht hatte.

Der EuGH geht zwar unter den genannten Voraussetzungen von einer vermuteten „Kenntnis der fehlenden Erlaubnis“ aus, hält diese Vermutung aber ausdrücklich für widerleglich; es besteht also keine Fiktion der Kenntnis. Vorliegend kann offen bleiben, ob die Widerleglichkeit im Sinne einer vollständigen Umkehr der Darlegungs- und Beweislast zu verstehen ist. Selbst wenn dieser strenge Maßstab gelten sollte, so ist die Vermutung als widerlegt anzusehen, wenn zwischen den Parteien unstreitig ist, dass der Linksetzer tatsächlich keine Kenntnis von der Rechtwidrigkeit der verlinkten Wiedergabe hatte; denn es kann auch nach dem Unionsrecht nicht Sinn und Zweck einer Beweislastumkehr darstellen, dem Gericht einen anderen Tatsachenstoff zur Beurteilung zu unterbreiten, als er von den Parteien übereinstimmend vorgetragen wird.

Der Verfügungsbeklagte hat vorgetragen, dass das Verletzungsmuster (wie eine Vielzahl weiterer Bilder) im Wege des Framings auf seiner Seite eingeblendet worden sei, wobei die Einblendung vollständig automatisiert unter Zuhilfenahme eines bestimmten Algorithmus erfolgt sei. Gleichzeitig hat der Verfügungsbeklagte geltend gemacht, im Rahmen des Framings grundsätzlich keinerlei Rechterecherche durchzuführen und dies auch im vorliegenden Fall nicht getan zu haben (Schriftsatz 26.05.2017 S. 4: „ Wie hätte denn […] recherchiert werden sollen? Der Antragsgegner durfte sich auf die Legalität der von Amazon bereit gestellten Inhalte verlassen.“).

Die Verfügungsklägerin hat diesen Vortrag nicht bestritten. Sie hat schon in der Antragsschrift keine Kenntnis des Verfügungsbeklagten behauptet, sondern ausgeführt, dieser habe ja schon vorgerichtlich „zugestanden, dass [er] keinerlei Nachprüfung betreffend die Berechtigung zur Verlinkung von Fotografien im Internet für angemessen [halte]“ (Antragsschrift S. 8). Sie hat den Vorwurf daher allein darauf gerichtet, es sei dem Verfügungsbeklagten zuzumuten gewesen, sich bzgl. der Rechtmäßigkeit zu vergewissern (Antragsschrift S. 7; Schriftsatz 30.05.2017 S. 2). Soweit die Verfügungsklägerin den Vorwurf erhoben hat, der Verfügungsbeklagte habe „billigend in Kauf genommen, dass einige dieser Angebote die [U]rheberrechte Dritter verletzen“ (Schriftsatz 30.05.2017 S. 2), so ist auch dies nur der Vorwurf einer verschuldeten Unkenntnis, aber nicht die Behauptung einer Kenntnis.

c)
Dem Verfügungsbeklagten kann aber auch nicht vorgeworfen werden, dass er von der Rechtswidrigkeit der Widergabe des Verletzungsmusters auf <amazon.de> „hätte wissen müssen“.

(1)
Nach der Formulierung im EuGH-Urteil vom 26. April 2017 – C-527/15 – Stichting Brein/Wullems (zitiert nach juris) kann die öffentliche Wiedergabe angenommen werden in Fällen, in denen „erwiesen ist, dass eine Person […] wusste oder hätte wissen müssen“, dass ihr Link auf eine rechtswidrige Wiedergabe verweist. Die erkennende Kammer versteht dies dahin, dass auch solche Linksetzungen als Wiedergabehandlungen erfasst werden sollen, in denen der Linksetzende trotz seiner tatsächlichen Unkenntnis nicht als schutzwürdig erscheint, weil die Gründe seiner Unkenntnis in seinem eigenen Verantwortungsbereich liegen und von ihm zu vertreten sind, so dass es im Verhältnis zum Verletzen als unbillig erschiene, wenn sich der Linksetzer auf seine Unkenntnis berufen dürfte.

Welches die Gründe sind, unter denen ein solcher Vorwurf des „hätte wissen müssen“ erhoben werden kann, hat der EuGH bisher nicht abschließend ausgeführt. Jedoch lässt seine Begründung zur Grundlage der Kenntnisvermutung in der GS Media-Entscheidung (Urteil vom 08.09.2016 – C-160/15) ersehen, dass danach zu fragen ist, ob vom Linksetzenden erwartet werden kann, dass er die erforderlichen Nachprüfungen vornimmt (vgl. a.a.O. Rz. 51). Auch für die Frage, wann eine solche Erwartung als berechtigt erscheint, kann es dann aber „nicht unerheblich“ sein, ob die Linksetzung „Erwerbszwecken dient“ (vgl. a.a.O. Rz. 38). Daher ist auch hier zu berücksichtigen, dass derjenige Linksetzer, der keine Gewinnerzielungsabsicht verfolgt, regelmäßig „vernünftigerweise nicht wissen kann, dass dieses Werk im Internet ohne Erlaubnis des Urheberrechtsinhabers veröffentlicht wurde“ (vgl. a.a.O. Rz. 47).

Für den Linksetzer mit Gewinnerzielungsabsicht scheint der EuGH in der GS-Media-Entscheidung zwar in Tz. 51 davon auszugehen, dass von ihm stets erwartet werden könne, die erforderlichen Nachprüfungen vorzunehmen. Indessen wäre dies ein Widerspruch zu den Ausführungen des EuGH in Tz. 34 seiner Entscheidung, wonach die „weiteren Kriterien“ (zu denen auch die Erwerbszwecke gehören) nur „zu berücksichtigen“ sind und dabei zu beachten ist, dass sie „im jeweiligen Einzelfall in sehr unterschiedlichem Maß vorliegen können“. Da im Rahmen verschiedener Geschäftsmodelle ganz unterschiedliche tatsächliche, wirtschaftliche und rechtliche Voraussetzungen und Möglichkeiten für Rechterecherchen bestehen mögen, wäre es auch nicht mit dem Grundsatz der Gleichheit vor dem Gesetz nach Art. 20 der Grundrechtecharta vereinbar, für alle gewerblichen Linksetzungen allein aufgrund des quasi „kleinsten gemeinsamen Nenners“ der Gewinnerzielungsabsicht einen durchgehend einheitlichen Prüfungspflichten- und Sorgfaltsmaßstab anzunehmen. Daher muss es dem mit Gewinnerzielungsabsicht handelnden Linksetzenden möglich sein, sich darauf berufen zu können, dass die Linksetzung im Rahmen eines solchen Geschäftsmodells erfolgte, in welchem ihm Nachforschungen, die zur Kenntnis von der Unrechtsmäßigkeit der verlinkten Inhalte geführt hätten, nicht zumutbar waren; sofern sich aus dem Beschluss der erkennenden Kammer vom 18.11.2016 – 310 O 402/16 – Architekturfotos -, insbesondere juris-Rz. 49 ein strengerer Haftungsmaßstab ergeben sollte, hält die Kammer an dieser Auffassung nicht mehr fest. Ob in diesem Zusammenhang von einer Beweislastumkehr oder nur von einer sekundären Behauptungslast des Linksetzenden auszugehen ist, kann die Kammer im vorliegenden Fall offen lassen.

(2)
Im vorliegenden Fall ist auf Grundlage des Sach- und Streitstands bei Schluss der mündlichen davon auszugehen, dass dem Verfügungsbeklagten eine Recherche zur Rechtsmäßigkeit der Wiedergabe des Verletzungsmusters auf <amazon.de> nicht zumutbar war.

Das gilt schon in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht. Zu berücksichtigen ist hier, dass die Recherchen zur Ermittlung der Rechte der Verfügungsklägerin für den Verfügungsbeklagten mit erheblichem Aufwand verbunden gewesen wären und möglicherweise nicht einmal zu einer wirklichen Klärung der Lizenzierungsfrage geführt hätten. Gegenüber dem Betreiber der Seite <amazon.de> hätte der Verfügungsbeklagte rechtlich zwar möglicherweise zumindest aus § 242 BGB ableitbare Auskunftsansprüche bzgl. der Rechtsmäßigkeit der dortigen Uploads gehabt; jedoch hätten Nachfragen bei Amazon für sich genommen keine abschließende Kenntnis erbringen können, da nicht davon ausgegangen werden kann, dass von dort aus tatsächlich Recherchen zur Rechtesituation durchgeführt worden sind. Die bloße Mitteilung, die Uploader hätten die Rechtmäßigkeit vertraglich zugesichert, hätte für den Verfügungsbeklagten keine ausreichend sichere Kenntnis erbracht, da Amazon die Richtigkeit dieser Zusicherung nicht geprüft hatte. Erforderlich wäre daher zumindest die Ermittlung des Uploaders gewesen, also des Händlers, der das Bild im Rahmen eines Angebots bei <amazon.de> eingestellt hatte. Möglicherweise hätte dieser an den Produzenten der Handyhülle oder an weitere Zwischenhändler verwiesen. Dem Verfügungsbeklagten hätten jedoch gegenüber Produzenten und Händlern keine eigenen Rechtsansprüche auf Aufklärung über die Rechtslage am Bild zustanden.

Vor allem aber bei wirtschaftlicher Betrachtung waren dem Verfügungsbeklagten flächendeckende Vorabrecherchen zur Rechtmäßigkeit von Wiedergaben auf <amazon.de> nicht zumutbar. Auch bei der nach § 296a ZPO gebotenen Zurückweisung des Vortrags im Schriftsatz vom 06.06.2017 zur konkreten Anzahl der Framings und den monatlichen Einnahmen ergibt sich doch bereits aus dem unstreitigen Sachstand bei Schluss der mündlichen Verhandlung, nämlich aus den Screenshots in Anlage ASt 2, dass der Webauftritt des Verfügungsbeklagten darauf angelegt ist, durch das unstreitig automatisierte Framing Zugang zu einer Vielzahl von Anzeigen aus unterschiedlichen Produktbereichen zu ermöglichen. Selbst wenn man von dem bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung unstreitigen Vortrag des Beklagten ausgeht, er erhalte eine Vergütung bereits pro Klick auf einen Link, so kann es sich nach dem Geschäftsmodell nur um minimalste Vergütungen pro Klick handeln (da die bloße Weiterleitung per Inline Link ja noch keine Einnahmen aus einem Verkauf auf <amazon.de> garantiert), so dass flächendeckende Rechterecherchen wegen der damit verbunden Kosten das Geschäftsmodell ersichtlich hätten unrentabel werden lassen.

Es bestehen auch keine sonstigen im Geschäftsmodell des Verfügungsbeklagten angelegten Umstände, die generelle oder individuelle Recherchen zur Rechtmäßigkeit der verlinkten Inhalte als ihm zumutbar erscheinen ließen.

– Es besteht keine besondere Gefahrgeneigtheit: Das Geschäftsmodell ist als solches rechtmäßig, so dass der Verfügungsbeklagte hierfür den Schutz seiner unternehmerischen Freiheit nach Art. 16 der EU-Grundrechtecharta genießt. Es bestehen keine Anhaltspunkte, dass die spezielle Ausprägung des Geschäftsmodells – hier in Gestalt des eingesetzten Suchalgorithmus – zu einer vermehrten Verlinkung auf rechtswidrige Inhalte führt.

– Auch setzt der Beklagte keinen besonderen Vertrauenstatbestand, nach welchem Besucher seiner Seite etwa erwarten könnten, er habe Recherchen zur Rechtmäßigkeit der verlinkten Wiedergaben vorgenommen.

– Schließlich erweckt der Verfügungsbeklagte bei den Besuchern nicht den Eindruck, er wolle für die Rechtmäßigkeit der verlinkten Wiedergaben einstehen oder sich die verlinkten Inhalte „zu eigen machen“; die Kammer kann offen lassen, inwiefern ein Zueigenmachen im Unionsrecht überhaupt beachtlich wäre, denn jedenfalls liegt ein solches Zueigenmachen hier in tatsächlicher Hinsicht nicht vor: Ausweislich Anlage ASt 2 erfolgte die Wiedergabe des Verletzungsmusters im Rahmen eines deutlich als „Anzeige“ gekennzeichneten Frames mit einem ebenfalls auffälligen Weiterleitungsbutton „Jetzt kaufen bei“ mit dem Logo und Schriftzug „a amazon.de“.

Auch das hier gewählte Ziel der Verlinkung, die Seite <amazon.de>, gab keinen Anlass, eine nach dem Geschäftsmodell an sich wirtschaftlich nicht vertretbare Recherche im Einzelfall doch durchführen zu müssen.

– Die Kammer kann offen lassen, ob sich aus den beiderseits eingereichten Vertragsbedingungen eine Grundlage dafür entnehmen lässt, dass der Verfügungsbeklagte auf die Rechtmäßigkeit der Wiedergaben auf <amazon.de> vertrauen durfte; denn ein solches „vertrauen können dürfen“ konnte vom Verfügungsbeklagten nicht erwartet werden, wenn ihm Recherchen im Rahmen seines Geschäftsmodells – wie ausgeführt – nicht zumutbar waren.

– Ob Recherchen doch wieder zumutbar werden können, wenn der Linksetzer mit vermehrten Urheberrechtsverletzungen auf der verlinkten Seite rechnen muss, also quasi von einer „gefahrgeneigten“ Verlinkung auszugehen wäre, kann vorliegend offen bleiben; denn die Klägerin hat nicht behauptet, dass es auf <amazon.de> vermehrt zu Urheberrechtverletzungen komme, sondern (unter Bezug auf einzelne Rechtsprechungsfälle) nur, dass sich solche Verletzungen nicht gänzlich ausschließen ließen, was allein jedoch nicht genügt, eine ansonsten nicht zumutbare Recherchepflicht auszulösen.

– Die Kammer kann ferner offen lassen, ob dem Linksetzer Recherchepflichten dann zugemutet werden müssen, wenn er auf eine Webseite verlinkt, deren Betreiber (für den Linksetzer erkennbar) vom Verletzten nicht oder nur unter Schwierigkeiten unmittelbar in Anspruch genommen werden kann. Vorliegend hat die Verfügungsklägerin keine tatsächlichen oder rechtlichen Gründe benannt, warum ihr eine unmittelbare Inanspruchnahme des Betreibers der Seite <amazon.de> nicht möglich oder zumutbar sein sollte.

Auch der im vorliegenden Fall konkret verlinkte Inhalt gab keine Veranlassung, vom Verfügungsbeklagten eine ausnahmsweise Rechterecherche zu erwarten.

– Da sämtliche Framings unstreitig vollautomatisiert erfolgten, bestand für den Verfügungsbeklagten keine Möglichkeit der vorherigen Kenntnisnahme vom Verletzungsmuster.

– Zudem hätten sich aus der bloßen Kenntnisnahme der Abbildung der Handyhülle keine Anhaltspunkte entnehmen lassen, die eine Rechterecherche als besonders geboten hätten erscheinen lassen; denn dem Verletzungsmusters als solchem war nicht anzusehen, ob das auf der Handyhülle abgebildete Foto lizenziert war oder nicht.

– Insofern standen auch keine automatisierten Prüfungsmechanismen (Hash- oder Stichwortfilter) zur Verfügung, um einzelne rechtswidrige Inhalte vorab ausfiltern und einer Einzelprüfung unterziehen zu können.

Unter Berücksichtigung aller dieser Umstände kommt die Kammer daher zu der Beurteilung, dass der Verfügungsbeklagten nicht „hätte wissen müssen“, dass die Wiedergabe des Verletzungsmusters auf <amazon.de> nicht von einer Genehmigung der Verfügungsklägerin als der – unterstellten – Rechteinhaberin gedeckt war.

V.
Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 91 I ZPO.

Die Entscheidung zur Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 6 i.V.m. § 711 ZPO

Die Kammer beschließt ferner:

Der Streitwert wird auf 6.000,00 EUR festgesetzt.