AG Bonn: Zur Verbrauchereigenschaft eines Kunden bei Rechnung an die Geschäftsadresse

veröffentlicht am 14. Juli 2016

AG Bonn, Urteil vom 08.07.2015, Az. 103 C 173/14
§ 812 Abs. 1, S. 1, 1. Alt BGB, § 355 BGB, § 357 BGB, § 312 g BGB, § 312 b BGB, § 13 BGB

Die Entscheidung des AG Bonn haben wir hier zusammengefasst (AG Bonn – Widerrufsbelehrung und Verbrauchereigenschaft) und im Folgenden im Volltext wiedergegeben:


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Amtsgericht Bonn

Urteil

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.200 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.11.2014 zu zahlen, Zug um Zug gegen Rückgabe der Alarmanlage I ####.

Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte sich im Verzug der Annahme befindet.

Die Beklagte wird weiter verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 169,50 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.11.2014 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
 
Tatbestand

Die Parteien schlossen am 27.09.2014 einen Kaufvertrag über eine Alarmanlage des Typs I #### zum Preis von 1200,00 EUR am Wohnsitz des Klägers. Die Beklagte wurde dabei durch einen Mitarbeiter vertreten. Vorangegangen war ein Anruf der Beklagten mit dem Angebot einer sicherheitstechnischen Beratung. Gegen Ende der Beratung bot der Mitarbeiter der Beklagten dem Kläger an, dieser könne ein Messevorführgerät günstig erwerben, woraufhin es zum Vertragsschluss kam.

Der Kläger unterzeichnete einen Lieferschein (Anlage K 1, Bl. 15 der Akte), der auf der Vor- und Rückseite den Ausschluss des Widerrufsrechts bei „installierten“ Anlagen enthielt. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage K 1 (a.a.o.) verwiesen. Zudem enthielt der Lieferschein die Angabe, dass die Rechnung an die Anschrift S-Straße ### in C gehen möge. Dabei handelt es sich um die Geschäftsadresse des Klägers, nämlich eine Arztpraxis.

Im Zuge der Kaufabwicklung händigte der Kläger dem Mitarbeiter der Beklagten einen ausgefüllten und von ihm unterschriebenen Überweisungsträger aus, mittels dessen die Bezahlung abgewickelt werden sollte. Der Mitarbeiter der Beklagten „installierte“ die Anlage vor Ort am Wohnsitz des Klägers, indem er sie aufstellte und an die Steckdose anschloss.

Am 29.09.2014 setzte der Kläger ein Schreiben auf, welches der Beklagten am 30.09.2014 zuging und in dem er zum Ausdruck brachte, sich, gegen entsprechende Rückgabe der Alarmanlage, vom Vertrag lösen zu wollen (Anlage K4, Bl. 19 der Akte). Er bat die Beklagte um Rückäußerung, ob diese die Anlage abholen wolle oder ob er sie auf deren Kosten zurücksenden solle. Zudem forderte er die Beklagte auf, angesichts des Widerrufs den Zahlschein nicht einzulösen. Die Beklagte gab dennoch am 1.10.2014 die Überweisung in Auftrag, indem sie den Überweisungsträger einlöste. Die Abbuchung vom Konto des Klägers erfolgte am 2.10.2014.

Auf telefonische Nachfrage des Klägers erklärte ein Mitarbeiter der Beklagten, die Beklagte wolle den Kaufvertrag nicht „wandeln“.

Daraufhin schaltete der Beklagte seine nunmehrigen Prozessbevollmächtigten ein, die mit Schreiben vom 9.10.14 die Beklagte erneut zur Rücküberweisung des Kaufpreises aufforderten und die Alarmanlage zur Disposition der Beklagten stellten. Es erfolgte keine Rückzahlung oder weitere Information hinsichtlich der Rücksendung der Alarmanlage.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.200 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.11.2014 zu zahlen, Zug um Zug gegen Rückgabe der Alarmanlage I ####.

festzustellen, dass sich die Beklagte sich im Verzug der Annahme befindet.

die Beklagte weiter zu verurteilten, an ihn vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 169,50 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.11.2014 (Zustellung des Mahnbescheids) zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, aufgrund der erbetenen Rechnungsstellung an die Geschäftsadresse des Klägers habe der Kläger nicht als Verbraucher gehandelt. Zudem gebe es aufgrund der Vertragsbedingungen kein Widerrufs- und Rückgaberecht für bereits installierte Anlagen.

Die Zustellung des Mahnbescheids ist am 12.11.2014 erfolgt. Die streitgegenständliche Alarmanlage ist in der mündlichen Verhandlung in Augenschein genommen worden. Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, die Anlage nicht entgegennehmen zu wollen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und ganz überwiegend begründet.

Zunächst ist die Klage zulässig. Die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts ergibt sich aus § 29c ZPO. Die Frage der Unternehmereigenschaft des Klägers ist als doppelrelevante Tatsache im Rahmen der Begründetheit zu erörtern.

Die Klage ist zum größten Teil begründet.

1.
Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Rückgewähr der gezahlten 1200,00 EUR, Zug-um-Zug gegen Rückgabe der Alarmanlage aus erklärtem Widerruf gem. §§ 355, 357 BGB in Verbindung mit § 312g sowie aus § 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt BGB.

Der Kläger hat den Vertrag durch Schreiben vom 29.09.2014, welches der Beklagten am 30.09.2014 zuging, fristgerecht widerrufen, § 355 I, II BGB in Verbindung mit § 356 II Nr. 1a. Er brachte in dem Brief unmissverständlich zum Ausdruck, dass er sich vom Vertrag lösen wolle.

Das gesetzliche Widerrufsrecht des Klägers ergibt sich aus § 312g I BGB in Verbindung mit § 312b BGB, es handelt sich um einen außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrag. Als solcher ist er dadurch gekennzeichnet, dass gem. § 312b I 1 Nr. 1 BGB der Vertrag bei gleichzeitiger körperlicher Anwesenheit der Parteien am Wohnort des Klägers und damit an einem Ort, der kein Geschäftsraum des Beklagten ist, geschlossen wurde. Es kommt dabei nicht darauf an, dass der Kläger den Mitarbeiter der Beklagten nach einem Telefonat zu sich nach Hause gebeten hatte. Der Schutzzweck den § 312 b I BGB vermittelt, bedarf es auch in diesen Situation, da sich an dem Ungleichgeweicht in der Unternehmer-Verbraucher-Beziehung nichts ändert.

Der Kläger war zudem zum Widerruf berechtigt. Der Vertrag wurden von einem Unternehmer als Verkäufer und einem Verbraucher als Käufer geschlossen wurde.

Der Kläger handelte als Verbraucher. Gemäß § 13 BGB ist Verbraucher jede natürliche Person ist, die ein Rechtsgeschäft zu einem Zweck abschließt, der weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbstständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann. Sol. der Vertragsgegenstand sowohl der beruflichen als auch der privaten Benutzung dienen, ist entscheiden, welche Benutzung überwiegt (Palandt/Ellenberg, BGB, § 13 Rn. 4.). Entscheidend ist nicht der innere Wille des Handelnden, sondern der durch Auslegung zu ermittelnde Inhalt des Rechtsgeschäfts. In die Auslegung sind die äußeren Begleitumstände des Vertragsschlusses mit einzubeziehen.

Vorliegend sprechen insofern fast alle Anhaltspunkte für ein Handeln des Klägers als Verbraucher. Schon gar nicht steht eine überwiegende Nutzung der Anlage im unternehmerischen Bereich fest.

Die Beratung und „Installation“ der Anlage seitens des Mitarbeiters der Beklagten erfolgte am Wohnsitz des Klägers und war durch eine Telefonmarketing- Aktion der Beklagten unter der privaten Rufnummer des Klägers initiiert worden. Der Mitarbeiter der Beklagten hielt sich während der gesamten Beratung ausschließlich in der privaten Wohnung des Klägers auf. Typischerweise wird man davon ausgehen können, dass der Kläger den Termin zur Vorführung der Alarmanlage auch an seinem Arbeitsplatz wahrgenommen hätte, wenn er an einer überwiegenden Nutzung für seine Geschäftsräume interessiert gewesen wäre. Auch die Anwesenheit der Ehefrau bei der Benutzung spricht für einen privaten Nutzungswillen.

Für eine Zuordnung zur unternehmerischen Tätigkeit des Klägers spricht lediglich die Tatsache, dass die Rechnungsstellung an die Geschäftsadresse des Klägers erfolgen sollte. Dies hat typischerweise den Zweck, eine im Rahmen der unternehmerischen Tätigkeit steuerrechtlich relevante Rechnung zu erhalten. Da die Anlage indes vor Ort angeschlossen worden ist, ergibt sich hieraus unter Berücksichtigung der sonstigen Umstände (vgl. oben) nicht, dass die Anlage überwiegend im unternehmerischen Bereich eingesetzt werden sollte. Allenfalls könnte man vermuten, dass das Finanzamt betrogen werden sollte, was indes für die zivilrechtliche Beurteilung der Verbrauchereigenschaft ohne Bedeutung ist.

Soweit die Beklagte meint, ein Widerrufsrecht sei nach den Vertragsbedingungen ausgeschlossen, weil es sich um eine „installierte“ Anlage handele, greift dieser Einwand nicht durch. Zunächst sind die Ausschlussgründe gemäß § 312g Abs. 2 BGB abschließend und nicht durch allgemeine Vertragsbedingungen abdingbar.  Allenfalls in Betracht käme § 312g Abs. 2 Nr. 4 BGB. Die Anlage wurde vorliegend – wie in der mündlichen Verhandlung eindrucksvoll demonstriert – indes nicht untrennbar mit anderen Gütern vermischt (also „installiert“), sondern lediglich aufgestellt. Sie konnte durch den Kläger ohne weiteres zum Gerichtstermin mitgenommen werden.

Rechtsfolge des erklärten Widerrufs ist die Verpflichtung der Beklagten zur Rückgewähr der Zahlung, welche die Beklagte indes grundsätzlich von der vorherigen Rücksendung der Ware abhängig machen durfte (§ § 357 Abs. 4 BGB). Abgesehen davon, dass die Beklagte diese Einrede nicht geltend gemacht hat, war der Rückzahlungsanspruch vorliegend indes ohne gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt BGB sofort fällig. Durch den Widerruf wird der Vertrag in ein Rückabwicklungsverhältnis „sui generis“ umgewandelt. § 357 Abs. 1 und Abs. 4 BGB regeln die Rückgewähr „empfangener“ Leistungen. „Empfangene Leistungen“ sind vor Zugang des Widerrufs empfangene Leistungen. Vorliegend hat die Beklagte die Leistung des Klägers indes erst nach Zugang der Widerrufserklärung ausgelöst. Hierzu war sie aufgrund der Vertragsumgestaltung in ein Rückabwicklungsverhältnis nicht mehr berechtigt, weil die ursprünglichen Ansprüche aus § 433 BGB nicht mehr bestanden.

2.
Da die Beklagte die Rücknahme der Anlage verweigert hat, ist sie im Verzug der Annahme (“ 293 BGB). Außergerichtlich hätte der Kläger die Anlage zwar von sich aus auf Kosten der Beklagten zurücksenden müssen und nicht auf eine „Weisung“ der Beklagten warten dürfen (§ 357 Abs. 1 und 4 BGB). Hierauf kommt es aber nicht an, weil die Beklagte spätestens seit der Annahmeverweigerung in der mündlichen Verhandlung – sie hätte die Anlage nur körperlich entgegennehmen müssen – im Verzug der Annahme ist. Maßgeblich für die Entscheidung ist die Sach- und Rechtslage zum Ende der mündlichen Verhandlung.

3.
Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch gemäß § 288 Abs. 1, 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB auf Zahlung von Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf die Hauptforderung von 1200,00 EUR seit dem 01.11.2014. Die Beklagte hat in dem – unwidersprochen gebliebenen – Telefonat vor Beauftragung der nunmehrigen Prozessbevollmächtigten (also vor dem 09.10.2014) die Erfüllung des Rückzahlungsanspruchs im Sinne des § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB endgültig verweigert, indem sie die „Wandlung“ ausgeschlossen hat, mithin erklärt hat, sie akzeptiere den Widerruf des Klägers endgültig nicht, was auch dem jetzigen prozessualen Verhalten entspricht. Wie bereits dargelegt, war der Anspruch des Klägers jedenfalls aus § 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt BGB bereits fällig, ohne dass es auf § 357 Abs. 1, Abs. 4 BGB ankommt, weil die Beklagte die Zahlung des Klägers erst nach der Umwandlung in ein Rückgewährschuldverhältnis veranlasst und auslöst hat. Da Zinsen erst ab dem 01.11.2014 beantragt sind, können sie auch nur ab diesem Zeitpunkt zugesprochen werden.

4.
Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung der vorgerichtlichen Anwaltsgebühr in Höhe von 169,50 € als Verzugsschaden in gemäß §§ 286, 288 Abs. 1 BGB.

Zum Zeitpunkt des anwaltlichen Schreibens vom 09.10.214, welches die Grundlage für den geltend gemachten Schaden darstellt, war die Beklagte – wie oben dargelegt – aufgrund endgültiger Erfüllungsverweigerung bereits im Verzug. Der Höhe nach ist der Betrag von 169,50 € korrekt berechnet. Da der Kläger in der Anspruchsbegründung angekündigt hat, den Antrag aus dem Mahnbescheid zu stellen und dies dann im Termin auch getan hat, hat er nur Zahlung von 169,50 € und nicht von 201,70 € beantragt, weil im Mahnbescheid nur die Summe von 169,50 € geltend gemacht worden war. Eine etwaige Erhöhung der Klage hätte ausdrücklich erklärt werden müssen.

5.
Der Anspruch des Klägers auf Verzinsung der Anwaltskosten wie tenoriert folgt aus §§ 288 Abs. 1, 291 BGB, 696 Abs. 3 ZPO.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Der Streitwert wird auf 1.200,00 EUR festgesetzt.

Rechtsbehelfsbelehrung:

Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,

1. wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder

2. wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.

Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Landgericht Bonn, Wilhelmstr. 21, 53111 Bonn, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.

Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landgericht Bonn zu begründen.

Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Bonn durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.

Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.